Strafverteidigertag 2014 in Dresden

Strafverteidigertag 2014 in Dresden

Vom 21. bis 23. März 2014 fand in Dresden der alljährliche Strafverteidigertag, d.h. das Treffen der Strafverteidigervereinigungen (strafverteidigertag.de/) statt.
Das Programm 2014
In insgesamt sechs Arbeitsgruppen (AGs) setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit aktuellen rechtspolitisch relevanten Themen auseinander. Die Spannbreite reichte von einer Weiterentwicklung des Rechts der Beweisaufnahme in Strafverfahren (AG 1) und der Diskussion der Frage, unter welchen Voraussetzungen in Abwesenheit des/der Angeklagten verhandelt werden kann/darf (AG 2), bis zu den Problembereichen der Möglichkeiten, Strukturen und Mechanismen der polizeilichen Informationsgewinnung und des polizeilichen Informationsaustausches im und mit dem Ausland (AG 3). Das Programm umfasste ferner die „Instrumentalisierung des Strafverfahrens zur Durchsetzung verfahrensfremder Zwecke“ unter besonderer Berücksichtigung des Akteneinsichtsrechts (AG 4) und die durch die Entwicklung in anderen Staaten, wie USA und in Südamerika, besonders beförderten Debatte um die Legalisierung, bzw. eine Entkriminalisierung des Umgangs mit Drogen (AG 5). In einer weiteren Arbeitsgruppe wurde sich mit der Situation im Maßregelvollzug (§§ 63,64 und 66 StGB, also Unterbringung in der forensischen Psychiatrie und der Sicherungsverwahrung) näher befasst (AG 6) und in einer letzten Arbeitsgruppe mit dem „Rollenverhalten in der Hauptverhandlung“ (AG 7).

Im Folgenden möchte ich zur AG 5 (Umgang mit Drogen) und zur AG 6 (Maßregelvollzug) näheres berichten.

Für und Wider einer Entkriminalisierung des Umgangs mit Drogen

Moderiert von Rechtsanwalt Dr. Leo Teuter referierten Mediziner, wie Dr. Klaus Behrendt aus Hamburg, aber auch StrafrechtsprofessorInnen und ein Staatsanwalt über das Pro und Contra der Entkriminalisierung im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Hatten doch immerhin 120 StrafrechtsprofessorInnen vor kurzem in einer Resolution die Einrichtung einer Kommission des Bundestages gefordert, in der „Erwünschte und unbeabsichtigte Folgen des geltenden Drogenstrafrechts“ (http://www.jura.uni-augsburg.de/lehrende/professoren/rosenau/download/en...) untersucht werden sollen. Unter den ErstunterzeichnerInnen (http://www.jura.uni-augsburg.de/lehrende/professoren/rosenau/download/en...) befindet sich das „who is who“ der deutschen Strafrechtswissenschaften und weist in fünf Thesen nach, dass die repressive Drogenpolitik gescheitert ist. Die Prohibition, so die UnterzeichnerInnen, sei schädlich für die KonsumentInnen, ebenso für die Gesellschaft, unverhältnismäßig kostspielig, und die verfolgten Zwecke würden systematisch verfehlt.

In diesem Zusammenhang mag erwähnenswert sein, dass nunmehr – soweit ersichtlich – in Baden-Württemberg bundesweit der erste Inhaftierte in ein Diamorphin-Substitutionsprogramm aufgenommen und seit Anfang April 2014 in der JVA Karlsruhe untergebracht worden ist, um von dort aus zwei Mal am Tag in eine örtliche Substitutionspraxis ausgeführt zu werden. Dieses Recht hatte sich Herr R. vor Gericht erstritten (http://community.beck.de/gruppen/forum/heroin-auf-rezept).

Der 38. Strafverteidigertag fordert in einer Resolution eine Reform des Strafrechts im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität und unterstützt ausdrücklich den erwähnten Aufruf aus der Strafrechtswissenschaft. Weiter heißt es: „Ein bloßes „Weiter so!“ darf es (…) nicht geben“.

Freiheitsentziehende Maßregel – Besserung in Sicht?

So lautete der Arbeitstitel der AG 6, welche moderiert wurde von der Lörracher Fachanwältin für Strafrecht, Annette Scharfenberg. Als ReferentInnen hatten u.a. die Vorsitzende Richterin am Freiburger Landgericht, Dr. Eva Kleine-Cosack, wie auch ein Psychiater, Dr. Franz-Xaver Regel aus dem Zentrum für Psychiatrie in Emmendingen zugesagt. Beklagt wurde, dass sowohl die Anzahl der Unterbringungsanordnungen als auch die Zahl der tatsächlich untergebrachten Personen in den letzten Jahrzehnten fast kontinuierlich angestiegen sei.

Eine der Ursachen, so wurde in der AG vorgetragen, sei darin zu suchen, dass das immer noch sicherheitsorientierte, dass das immer noch sicherheitsorientierte kriminalpolitische Gesamtklima Gerichte und Gutachter beeinflusse (zu dem Problem, wenn Gerichte den psychiatrischen Sachverständigen Vorgaben über das erwünschte Ergebnis von Prognosegutachten geben vgl. http://community.beck.de/gruppen/forum/tendenzi-se-gutachten-in-strafsachen).

Folgerichtig stellte der 38. Strafverteidigertag in einer weiteren Resolution fest, die Sicherungsverwahrung sei und bleibe ein gescheitertes Konzept und müsse endlich abgeschafft werden. Des Weiteren sei dringend eine Reform der Unterbringung nach § 63 StGB (im forensischen psychiatrischen Krankenhaus) anzugehen, so dass eine Unterbringung nur noch auf „schwere Gewalt- und Sexualstraftaten beschränkt“, und die Unterbringung zeitlich befristet werde.

Vehement wendet sich die Resolution auch gegen Pläne der Schwarz/Roten Bundesregierung, eine „nachträgliche Sicherungsverwahrung“ unter neuem Etikett und Namen, nämlich als „nachträgliche Therapieunterbringung“ einzuführen (zu dem Widerstand aus der Fachwelt gegen diese Pläne der Bundesregierung vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/102369).

Weitere Resolution des 38. Strafverteidigertages

In einer Zusatzveranstaltung wurde am Abend des 22. März 2014 über eine Reform der Strafvorschriften der Tötungsdelikte diskutiert.
Letztes Jahr gab es aus Landes- und Bundesjustizministerium Vorstöße den aus der Zeit der Nationalsozialisten stammenden „Mord-Paragrafen“ zu reformieren, stellt dieser doch auf einen angeblichen Menschentypen ab, den des „Mörders“.
Konsequenterweise fordert der 38. Strafverteidigertag deshalb in seiner Resolution, die „in der NS-Zeit eingeführten Mordmerkmale nicht unter dem Deckmantel anderer Begrifflichkeiten durch die Hintertür wieder“ einzuführen.

Denn § 211 StGB bestimmt: „Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam (…) einen Menschen tötet“.
An keiner anderen Stelle im Strafgesetzbuch heißt es „Dieb ist, wer…“ oder „Betrüger ist, wer…“, sondern diese täterpersönlichkeitszentrierte Stigmatisierung findet sich nur in diesem einen Paragrafen.

Sehr progressiv fordert der Strafverteidigertag zudem eine Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, da es keine rationalen Gründe gebe, die für deren Beibehaltung sprächen.

Es bleibt abzuwarten, mit welchen Forderungen der Strafverteidigertag in der Politik und auch der Justiz Gehör finden wird.


Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtl.)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
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http://www.freedom-for-thomas.de