Deutsche Wirtschaft: Blutige Geschäfte

Erstveröffentlicht: 
07.04.2014

Der Nah- und Mittelost-Verein (NUMOV) veranstaltet am 8. April die Deutsch-Iranische Business Conference. Vor dem Hintergrund der gelockerten Sanktionen hoffen deutsche Unternehmen auf Bombengeschäfte.


Von Jan-Niklas Kniewel


Am 20. Januar trat die vorübergehende Lockerung und teilweise Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran in Kraft, so wie die fünf UN-Vetomächte USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland (P 5 + 1) das mit den iranischen Machthabern, als Gegenleistung für ein Entgegenkommen im Atomstreit, abgemacht hatten.

 

Auch unter den meisten deutschen Linken wurde dieses Abkommen positiv rezipiert. Ein Sieg der Diplomatie, hieß es. Doch tatsächlich war es ein Sieg ökonomischer Interessen über Prinzipien und Ideale. Und ein Sieg Hassan Ruhanis, der hierzulande in nahezu allen politischen Lagern als ‘moderat’ oder gar ‘Hoffnungsträger’ hofiert wurde.

 

Selbst losgelöst vom eigentlichen Zankapfel, dem Atomprogramm, hätte eine sich als progressiv verstehende Linke opponieren müssen. Unter Ruhani nahmen die Hinrichtungen stark zu. Mindestens 369 Menschen (die Dunkelziffer ist hoch und die reale Zahl wird von Menschenrechtlern weitaus höher geschätzt) wurden 2013 exekutiert. Nach China und vermutlich Nordkorea (für beide Länder gibt es keine gesicherten Daten) die höchste Hinrichtungszahl der Welt.

 

Zuckerbrot nach Europa traf auf Peitsche nach innen und gen der arabischen Welt. Sein neuer Justizminister Mostafa Pourmohammadi war 1988 am Massenmord an iranischen Häftlingen beteiligt, das Regime unterstützt weiter Assads Krieg gegen die syrische Bevölkerung und natürlich auch die antisemitische Hisbollah im Libanon, sowie die Hamas in Gaza. Am 5. März 2014 brachte die Israelische Armee (IDF) ein iranisches Schiff mit 40 Langstreckenraketen des Typs M-302, 181 Mörsergranaten und 400.000 Kugeln Munition im Roten Meer auf – offenkundig bestimmt für die Hamas. Wären Lieferungen dieser Art nach Israel gegangen, so hätte es einen Aufschrei in der deutschen Linken gegeben. Im Falle dieser Lieferungen für eine Terrororganisation ohne Achtung vor menschlichem Leben, blieb sie – mit wenigen Ausnahmen – stumm.

 

Stattdessen stehen internationale Großkonzerne in Teheran Schlange um von den aufgeweichten Sanktionen zu profitieren. „Auch deutsche und europäische Firmen haben die Möglichkeit, wieder in dieses Land zu investieren. Im Rahmen der Ganztagsveranstaltung werden hochrangige Persönlichkeiten aus Iran vortragen, die einen direkten Einblick in die Lage des Landes liefern“, verkündet NUMOV in der Veranstaltungsankündigung. Zu Gast sollen unter anderem der iranische Industrieminister Mohammad Reza Nematzadeh und Ruhanis Berater Akbar Turkan sein.

 

Im Beirat der NUMOV sitzen zahlreiche ehemalige Botschafter der Bundesrepublik und ein Vorstandsmitglied der Siemens AG. Im Vorstand finden sich anderem hochrangige Funktionäre der Deutschen Bank, Bilfinger, Rheinmetall und der OMV. Letztgenannter Konzern, ein international tätiges österreichisches Gas- und Ölunternehmen, musste 2008 aufgrund internationaler Kritik und Sanktionierung einen Iran-Deal über 22 Milliarden Euro auf Eis legen. Sie alle hoffen nun ihre Geschäfte fortsetzen zu können – dabei interessiert es sie offenkundig herzlich wenig, wenn ein hochrangiger iranischer General der Revolutionsgarden die Bereitschaft äußert das „zionistische Regime zu zerstören“, die geistigen Führer den Holocaust relativieren, in Syrien die Massen sterben und Waffen an die Hamas geliefert werden. Dass die Geschäftspartner Antisemiten sind, das lässt die deutsche Industrie kalt.

 

Noch dazu war Siemens lange ein wichtiger Partner Teherans. Die Jerusalem Post ging 2008 von einem jährlichen Handelsvolumen von über 500 Mio. Dollar aus. Darunter Überwachungstechnologie und Industriesteueranlagen für Nuklearwerke. Am Beispiel des Irans zeigt die deutsche Wirtschaft die ganze Obszönität zu der sie fähig ist.

 

Fast 70 Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft und der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee kann man offensichtlich schonmal vergessen, dass das eigene Unternehmen an der Vernichtung der europäischen Juden nicht ganz unbeteiligt gewesen war. Denn nur so ist es zu erklären, dass beispielsweise ein Vorstandsvorsitzender von Rheinmetall auch im Vorstand der NUMOV sitzt. Rheinmetall missbrauchte während dem NS jüdische Zwangsarbeiter im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Auch Siemens’ Geschäfte während der 30er und 40er Jahren sind altbekannt.

 

Die Kampagne STOP THE BOMB wird am 8. April 2014 um 9:30 Uhr vor dem Berliner NUMOV-Sitz in der Jägerstraße 63d gegen die Business Conference protestieren.