Votum "gegen Masseneinwanderung": Schweizer stimmen für Abschottung

Erstveröffentlicht: 
09.02.2014

Die Eidgenossen votieren gegen mehr Zuwanderung: In der Schweiz hat eine knappe Mehrheit für die Initiative der rechtsgerichteten Schweizerischen Volkspartei gestimmt. Diese will die sogenannte Masseneinwanderung begrenzen.

 

Zürich - Die Schweizer haben sich am Sonntag mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, die Zuwanderung künftig zu begrenzen. Die Initiative "Gegen Masseneinwanderung" der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist mit 50,3 Prozent Ja-Stimmen knapp angenommen worden. Die Differenz zwischen Gegnern und Befürwortern beträgt lediglich rund 19.500 Stimmen.

 

Die SVP-Initiative sieht jährliche Höchstzahlen und Kontingente für die Zuwanderung von Ausländern vor. Bei der Besetzung von Stellen sollen Arbeitgeber Bewerbern mit Schweizer Pass den Vorzug geben.

Bürger der EU, die im Rahmen eines EU-Abkommens seit rund zehn Jahren problemlos in das Nicht-EU-Land Schweiz ziehen können, würden ebenfalls unter die Kontingentregelung fallen. Seit dem Inkrafttreten des Personenfreizügigkeitsabkommens im Jahr 2002 haben sich jährlich 80.000 EU-Bürger in der Schweiz niedergelassen - zehnmal so viele wie die Regierung in Bern prognostiziert hatte.

 

"Schlüsselmoment in der Schweizer Politik"


Die Befürworter der Initiative der rechtsgerichteten SVP hatten in Umfragen vor der Abstimmung lange Zeit unter der erforderlichen absoluten Mehrheit gelegen, allerdings in den letzten Tagen stark hinzugewonnen. Nach Ansicht von Experten konnte die SVP von einer für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlich hohen Wählermobilisierung profitieren: 56 Prozent gingen an die Urne.

 

Die Kantone Aargau, Schaffhausen, Graubünden, Glarus, St. Gallen, Solothurn, Thurgau, Basel-Landschaft, Luzern, Obwalden, Nidwalden, Uri, Schwyz, Tessin, Bern, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden stimmten mit Ja. Die Wähler in Genf, Zug, Freiburg, Waadt, Wallis, Neuenburg, Zürich, Basel-Stadt und Jura sagten nein zur Initiative. Demnach tut sich auch bei dieser Abstimmung der sogenannte Röschtigraben auf, der häufig in der Schweizer Politik eine Rolle spielt: Die Deutschschweizer Kantone stimmten mehrheitlich für die Abschottungsinitiative, die Romandie dagegen.

 

Der SVP-Nationalrat Luzi Stamm bedankte sich bereits bei der Bevölkerung. Die Schweizer Sozialdemokraten (SP) hingegen bedauern "die Annahme der SVP-Initiative zutiefst", wie sie in einer Mitteilung verlauten lassen. Die Schweiz stehe nun vor einem Experiment mit ungewissem Ausgang. "Der Weg der Öffnung, den die Schweiz seit gut zehn Jahren durchaus erfolgreich beschritten hat, kommt abrupt zu einem Ende." Die Schweiz stehe vor einem "politischen Scherbenhaufen".

 

 

"Bis heute hat man die wirtschaftlichen Vorteile immer höher gewichtet als die Nachteile", sagte der Wahlforscher Claude Longchamp vom Forschungsinstitut gfs.bern. "Das ist ein Schlüsselmoment in der Schweizer Politik." Was nach dem Ja der Schweizer nun allerdings genau geschieht, insbesondere im Verhältnis zur EU, ist derzeit noch unklar.

Der Politologe Thomas Milic wird auf vom Nachrichtenportal "20.min.ch" wie folgt zitiert: "So hat die SVP nicht festgeschrieben, wie hoch die Kontingente denn sein sollen. Auf jeden Fall kann die Regierung das Votum des Volkes nicht einfach ignorieren: Sie muss die Personenfreizügigkeit neu verhandeln. Und da ist die Unsicherheit naturgemäß sehr groß: Niemand kann heute sagen, wie die heterogenen EU-Mitgliedstaaten auf die Wünsche der Schweiz reagieren werden."

 

Ähnlich sieht es der Politikwissenschaftler Laurent Bernhard, den www.tagesanzeiger.ch nach seiner Einschätzung gefragt hat: "Vieles wird sich nun auf dem diplomatischen Parkett abspielen. Bereits im Vorfeld war klar, dass eine Annahme große Unsicherheiten zur Folge hätte. Ob die EU die Bilateralen Verträge mit der Schweiz tatsächlich einseitig aufkündigt, lässt sich mit dem heutigen Ja nicht sagen. Es gilt auch zu betonen, dass die konkrete Umsetzung der Initiative in den Sternen steht. Der Initiativtext lässt einen beträchtlichen Spielraum offen."

 

tdo/dpa