Aufrüstung der Polizei: Londoner streiten über deutsche Wasserwerfer

Erstveröffentlicht: 
27.01.2014

Britische Bobbys sind stolz darauf, unbewaffnet zu sein. Doch nun soll aufgerüstet werden: Die Londoner Polizei will erstmals Wasserwerfer anschaffen, weil sie weitere Unruhen wegen des Sparkurses fürchtet. Kritiker warnen vor einer Militarisierung. Von Carsten Volkery, London.

 

Was machen britische Polizisten, wenn sie Demonstranten den Weg versperren wollen? Sie fassen sich an den Händen und bilden eine Menschenkette. Es folgt ein Kräftemessen: Unter dem Ansturm der Menge bewegt sich die Beamtenmauer vor und zurück - doch sie hält in der Regel stand.

 

Die Bobbys sind stolz darauf, keine Waffen zu tragen und auch große Demonstrationen ausschließlich mit Hilfe von Pferden in Schach halten zu können. Das jedoch soll sich nach dem Willen der Londoner Polizeiführung bald ändern: Sie fordert die Anschaffung von Wasserwerfern.

 

In einer öffentlichen Bekanntmachung teilt Londons Bürgermeister Boris Johnson mit, man wolle bis zum Sommer drei gebrauchte Wasserwerfer von der deutschen Bundespolizei zum Stückpreis von 35.000 Pfund kaufen. Die Londoner sind aufgerufen, bis Ende Februar ihre Meinung kundzutun. Davon will Johnson die Entscheidung abhängig machen.

 

Der Plan ist umstritten. Bislang werden Wasserwerfer im Vereinigten Königreich nur in der früheren Bürgerkriegsprovinz Nordirland eingesetzt. In England, Schottland und Wales hingegen waren sie stets tabu. Die Hauptstadt London ist mit ihren engen Straßen kein natürliches Terrain für die Ungetüme. Und der Einsatz der panzerähnlichen Fahrzeuge gegen demonstrierende Bürger galt als unbritisch. Selbst frühere Scotland-Yard-Chefs lehnten Wasserwerfer daher ab.

 

"Der perfekte Weg, um Unruhen auszulösen"


Die Stimmung änderte sich jedoch nach den schweren Unruhen im August 2011, als die Ordnungshüter scheinbar hilflos zusehen mussten, wie Londoner Geschäfte geplündert und in Brand gesteckt wurden. Eine mögliche Wiederholung der "Riots" wird nun als Grund für den Wasserwerfer-Wunsch angeführt. Zwar gebe es keine Hinweise auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit schwerer Unruhen, heißt es in einem Bericht der Association of Chief Police Officers (ACPO). "Es ist jedoch anzunehmen, dass derzeitige und künftige Sparmaßnahmen zu weiteren Protesten führen werden."

 

Der ACPO-Bericht nennt vier Demonstrationen in den vergangenen zehn Jahren, bei denen Wasserwerfer hilfreich gewesen wären, darunter auch die Studentenproteste gegen die Studiengebühren im Jahr 2010. "Die bloße Präsenz eines Wasserwerfers kann einen Abschreckungseffekt haben", heißt es in dem Bericht. Der Wasserbeschuss aus der Distanz gebe Beamten eine Alternative zu Knüppeln oder Plastikgeschossen. Letztere sind bereits seit 2001 in England und Wales zugelassen und bergen laut Polizei eine höhere Verletzungsgefahr als der Wasserstrahl.

 

Innenministerin Theresa May müsste den Kauf der Wasserwerfer genehmigen. Sie zögert noch, vor allem weil sie fürchtet, auf den Folgekosten sitzenzubleiben. Bürgermeister Johnson hat nur angeboten, die Kosten für die drei gebrauchten Exemplare zu übernehmen. Doch langfristig sollen neue Modelle bestellt werden - und die können bis zu einer Million Pfund kosten.

 

Am Mittwoch wird die Londoner Stadtversammlung über den Plan des Bürgermeisters debattieren. Politiker und Kommentatoren aus dem linken Lager lehnen die Wasserwerfer strikt ab. Das Vorhaben zeige die Verachtung der Regierenden für Demonstranten, kommentierte der "Guardian". In Medienberichten wird das Beispiel des Stuttgarter Demonstranten angeführt, der bei Protesten gegen das Bahnhofprojekt S21 wegen eines Wasserwerfers beinahe vollständig sein Augenlicht verlor.

 

Es sei falsch, die Polizei wie das Militär auszurüsten, sagte die grüne Stadtratsabgeordnete Jenny Jones. "Es widerspricht unserer großartigen Tradition einer unbewaffneten Polizei." Shami Chakrabarti von der Bürgerrechtsorganisation Liberty hält Wasserwerfer zudem für kontraproduktiv: "Ein Wasserstrahl auf Demonstranten und Zuschauer ist der perfekte Weg, um Unruhen auszulösen, nicht um sie zu stoppen."