Rumänien: Antisemitischer Politiker soll Verfassungsrichter werden

Erstveröffentlicht: 
14.12.2013

Von Keno Verseck.

Er ist bekannter Anwalt, Ultranationalist und Ex-Vizechef einer antisemitischen Partei. Jetzt soll Lucian Bolcas Verfassungsrichter im EU-Land Rumänien werden. Der Regierungschef will es so, der Staatspräsident protestiert entsetzt.

 

Rumänien hat einen neuen Antisemitismus-Skandal. Gerade erst hatte im Staatsfernsehen TVR3 ein Chor ein Lied gesungen, in dem die Judenvernichtung verherrlicht wird. "Verfluchter Jude, Gott will ihn weder im Himmel noch auf Erden dulden, nur im Schornstein als Rauch ist er gut, der Jud'", hieß es in der Live-Darbietung einer Volksmusik-Gruppe am Nikolaus-Tag.

 

Die neue Affäre nun betrifft die Regierung unter Ministerpräsident Victor Ponta. Denn die nominierte den bekannten Anwalt und Politiker Lucian Bolcas für den Posten eines Verfassungsrichters. Der 71-Jährige war jahrelang stellvertretender Vorsitzender der antisemitischen, ultranationalistischen "Groß-Rumänien"-Partei (PRM) und von 2000 bis 2008 ihr Parlamentsabgeordneter. 2010 wurde er nach internen Querelen mit dem damaligen Parteichef Corneliu Vadim Tudor, einem notorischen Antisemiten, ehemaligen Securitate-Mitarbeiter und Hofdichter des Ceauescu-Ehepaares, aus der PRM ausgeschlossen und trat daraufhin zur jetzt regierenden wendekommunistischen Sozialdemokratischen Partei (PSD) über.

In seiner politischen Publizistik beruft Bolcas sich häufig auf Nichifor Crainic, einen der führenden antisemitischen Ideologen der Zwischenkriegszeit, Politiker der christlich-orthodox-faschistischen Legionärsbewegung und Propagandaminister unter der Diktatur von Ion Antonescu, die von 1941 bis 1944 eigenverantwortlich die Ermordung von mehr als 300.000 rumänischen Juden organisierte, vor allem in den Todeslagern Transnistriens.

 

Der Staatspräsident protestiert gegen die Bolcas-Nominierung


Bolcas sprach sich wiederholt für den Erhalt von Antonescu-Statuen in Rumänien und für die Rehabilitierung ehemaliger Legionäre aus. 2006 unterzeichnete er zusammen mit Vadim Tudor und mehreren prominenten rumänischen Holocaust-Leugnern einen Appell gegen die Entfernung einer Antonescu-Statue aus einem Kirchhof in Bukarest. Dieser Appell wird in einem Bericht des rumänischen Holocaust-Forschungsinstituts "Elie Wiesel" über Antisemitismus in rumänischen Medien 2005/06 zitiert.

 

Bolcas ist außerdem der Anwalt des ehemaligen rumänischen Regierungschefs und führenden PSD-Politikers Adrian Nastase, der im Juni 2012 wegen illegaler Parteienfinanzierung für acht Monate ins Gefängnis musste. Wohl auch als Dank dafür wurde Bolcas nun von der Ponta-Regierung für den Posten eines Verfassungsrichters nominiert.

 

Rumäniens Staatspräsident Traian Basescu protestierte inzwischen gegen die Nominierung von Bolcas. Im Fernsehsender B1 sagte er, es sei inakzeptabel, jemanden als Verfassungsrichter einzusetzen, der eine "derartige Gesinnung" an den Tag lege und für den Rechtsstaat nur Verachtung übrig habe. Für den Fall von Bolcas' Wahl durch die Parlamentsmehrheit kündigte Basescu an, die Zeremonie der Amtseinführung werde nicht, wie sonst üblich, im Präsidentenpalast stattfinden. Regierungschef Ponta hingegen verteidigte die Nominierung mit den Worten, Bolcas habe eine "riesige juristische und parlamentarische Erfahrung".

 

Gegenüber SPIEGEL ONLINE wies Bolcas die Vorwürfe gegen ihn zurück. Er sei kein Antisemit, vielmehr sei er seit vielen Jahren unter anderem mit Aurel Vainer befreundet, dem Vorsitzenden der Föderation der jüdischen Gemeinden Rumäniens und Parlamentsabgeordneten für die jüdischen Gemeinden. Die Resolution gegen die Entfernung der Antonescu-Statue habe er "wahrscheinlich unterzeichnet", Antonescu sei eine "tragische Figur mit positiven und negativen Seiten" gewesen. Er bestreite nicht, dass in Transnistrien unter rumänischer Verwaltung Juden ermordet worden seien, wer dafür die Verantwortung trage, müssten jedoch Historiker entscheiden.

 

"Antisemitismus existiert in der rumänischen Gesellschaft"


Aurel Vainer sagte SPIEGEL ONLINE, er sei "natürlich nicht" mit Bolcas befreundet. Er habe im Parlament mit ihm einen "zivilisierten Umgang" gepflegt und persönlich keine antisemitischen Ausfälle erlebt. Die Nominierung als Verfassungsrichter kritisierte Vainer mit den Worten, man dürfe nicht vergessen, dass Bolcas lange Zeit führendes Mitglied einer antisemitischen, extremistischen Partei gewesen sei.

 

Die jetzigen Vorfälle sind nicht die einzigen antisemitischen Skandale unter der Ponta-Regierung und bei den wendekommunistischen Sozialdemokraten:

 

  • Im März 2012 leugnete der damalige PSD-Sprecher und heutige Infrastrukturminister Dan Sova den Holocaust in Rumänien mit den Worten, auf rumänischem Territorium sei Juden kein Leid widerfahren.
  • Sova leugnete auch das Pogrom in der nordostrumänischen Stadt Iasi, bei dem vom 27. bis 29. Juni 1941 13.000 Juden ermordet wurden.
  • Sovas Parteikollege Radu Mazare, der Bürgermeister der Schwarzmeer-Hafenstadt Constana, defilierte im Juli 2009 mit einer Nazi-Uniform auf einer Modenschau.
  • In diesem Jahr erklärten zwei rumänische Städte ehemalige Anführer der Legionäre zu Ehrenbürgern, im Februar bezeichnete ein Historiker den Holocaust an den Juden in Rumänien bei einem Vortrag vor der Rumänischen Akademie, dem höchsten Wissenschafts- und Kulturforum des Landes, als "kosmische Lüge".

Diese Vorfälle seien keine isolierten, vereinzelten Ereignisse, sagt der rumänisch-ungarische Menschenrechtsanwalt und Politiker der ungarischen Minderheitenpartei UDMR, Péter Eckstein-Kovács. "Sie zeigen leider, dass Antisemitismus in der rumänischen Gesellschaft existiert, einschließlich in den Reihen der ungarischen Minderheit."

 

Eckstein verweist unter anderem auf Vorfälle in der siebenbürgischen Bezirksstadt Miercurea Ciuc, in der vornehmlich Ungarn wohnen. Im April 2010 hatten örtliche Neonazis dort mit einem Plakat vor dem neu eröffneten Kaufland-Supermarkt demonstriert. Die Aufschrift: "Schäme dich, dass du wieder bei Juden eingekauft hast!" Im September dieses Jahres malten Neonazis in der Stadt Judensterne mit Pfeilen auf eine Straße, die zur Kaufland-Filiale führt.