Kein Versagen der Berliner Polizei im Kampf gegen die Antifa

Erstveröffentlicht: 
18.11.2013

Bewegungskolumne

 

Mitte Oktober 2013, zu Besuch bei Genossen in einem linken Wohnprojekt, irgendwo im Heinz-Buschkowski-Distrikt. Kurz nach 6.00 Uhr weckt Sturmklingeln an der Tür. Genosse Trottel öffnet schlaftrunken. Er wird an die Wand geworfen und in Handschellen gelegt. Danach ungebetener Besuch von etwa zwölf Berliner Polizeibeamten.

 

»Wie heißen Sie! Wie heißen Sie!«, brüllt Bulle Müller dem Genossen Trottel ins Ohr. Der braucht eine Weile um sich zu sammeln und die Daten aus seinem Personalausweis kund zu tun. Derweil legen seine Kollegen noch zwei weitere Genossen im Bett in Handschellen. Nach wenigen Minuten hat sich für die Sicherheitskräfte alles beruhigt. Die Handschellen werden wieder abgenommen.

 

Misst man die Atmosphäre an der ebenfalls selbst erlebten Hausdurchsuchung im Herbst 1986 in Wackersdorf durch ein Sondereinsatzkommando, lässt sich hier sagen: fast kommod. Die bayrischen Spezialbullen hatten damals einem befreundeten AKW-Gegner erst mal den eisig kalten Lauf einer Walther PP auf die Stirn gesetzt, um danach weiter zu diskutieren.

 

So gehen die Einsatzkräfte der Berliner Polizei durchsuchend die Butze auf und ab und stehen auch einmal leicht ver- und bewundernd vor einem Regal mit gigantisch vielen Büchern. Der von den Sicherheitskräften gesuchte Genosse Auswärts ist nicht da. Vielleicht ist er bei seinem Kumpel, oder bei seiner Freundin und noch ganz gefangen von einer tollen Liebesnacht...

 

Auch der Besuch, Genosse Jack, hat sich mit seinem blauen Pass aus den Vereinigten Staaten den Polizeibeamten auszuweisen. »That looks greek to me!«, scheint dabei einem Polizeibeamten nach der Lektüre des Ausweisdokuments durch den Kopf geschossen zu sein. Denn da ihm dessen Nachname gleich spanisch vorkam, fragte er den in Texas Geborenen kurzerhand: »Wann gehen Sie zurück nach Griechenland?«

 

»Diese Deutschen haben einfach nichts gelernt!«, mag Jack geschmunzelt und dabei an seinen Vater gedacht haben. Der diente während des Zweiten Weltkrieges als GI in der US-Armee. Als er Ende 1944 mit einem Kettenfahrzeug nach Deutschland einreiste, brauchte er sich mit dummen Ansagen nicht lange aufzuhalten. Umständliche Grenzabfertigungsprozeduren gab es nicht. Wehrmachtssoldaten, die in direkten Kontakt mit ihm gerieten, sollten nicht lange überleben. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges führte Jacks Vater in der Justizvollzugsanstalt Landsberg noch eine ganze Reihe von deutschen Kriegsverbrechern zum Galgen, so hat er es seinem Sohn erzählt. Was für eine verdienstvolle Tätigkeit im Vorgriff auf eine bessere Welt!

 

Um was ging es eigentlich?

 

Dem schnell herbeitelefonierten Rechtsanwalt teilte die Einsatzleiterin mit, es werde gegen den Delinquenten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Raub und Erpressung geführt. Unser lieber Genosse – nur einer von so vielen schnöden Räubern und Erpressern? Kann das sein? Wir hatten ihn doch immer ganz anders erlebt.

 

Einen Tag später lesen wir auf dem offiziellen Hauptstadtportal berlin.de in der Rubrik »Politik, Verwaltung, Bürger« eine Pressemeldung. Siehe da: Wir waren nicht die einzigen, die in diesem Zusammenhang gerazzt wurden. Die Berliner Polizei mochte es sich nicht versagen, mal wieder den »Linksextremisten« Saures zu geben: »Gestern in den frühen Morgenstunden (wurden) sieben Wohnungen in Berlin und dem Berliner Umland« durchsucht. »Landfriedensbruch« und »unerlaubter Waffenbesitz« kamen noch als weitere Vorwürfe hinzu. Und dann wird man in diffuser Weise darüber informiert, dass es »im August (…) in Hellersdorf zu einem Vorfall gekommen« sein soll, »bei dem eine Gruppe von rund 15 Personen, darunter auch einige der nun Tatverdächtigen, eine Familie angegriffen hatte.«

 

Wie bitte? Nach der Lektüre des Durchsuchungsbeschlusses mutmaßte die Anwältin, dass der Genosse nur aus einem Grund beschuldigt werde: von einem Nazi einen ThorsHammer an einer Halskette beschlagnahmt zu haben.

 

Wenn das so stimmt, dann ist das weder »Raub« noch »Erpressung«, sondern ganz wunderbar. Eine solche selbsttätige antifaschistische Praxis kann sich sogar – wenn's denn sein muss – darauf berufen, dass selbst in den heiligen Hallen des Bundestages und im sächsischen Landtag das öffentliche Tragen solcher Nazi-Devotionalien seit Jahren untersagt ist.

 

Im Zusammenhang mit der Aufdeckung der NSU-Terrorzelle aus Zwickau sprachen zum Teil höchste Stellen von einem »Versagen« der deutschen Sicherheitsbehörden. Das mag sein oder auch nicht, eben dieses »Versagen« hat auch nicht einem einzigen mit der Angelegenheit befassten Polizisten die Beförderung oder gar den Posten gekostet. Der gleiche Befund gilt gerade auch für die Berliner Polizei. Wenigstens durch drei ihrer »Vertrauenspersonen«, darunter Thomas Starke, hat sie das Management des NSU vorangetrieben. Und der Neofaschist Starke war nun wirklich nicht irgendwer: Seine Kontaktdaten fanden sich schon in der 35 Leute umfassenden Adressenliste, die während der legendären Garagendurchsuchung in Jena am 26. Januar 1998 gleich neben den Bomben gefunden worden war. Während der Durchsuchung wurde Uwe Böhnhardt nicht in Handschellen gelegt, er durfte nach Rücksprache mit den Beamten vor Ort untertauchen. Danach hat die Berliner Polizei über ein Jahrzehnt mit Starke gut zusammengearbeitet.

 

Versagen hin oder her: Zumindest im Kampf der Berliner Polizei gegen die Antifa kann davon nicht die Rede sein. Irgendetwas läuft schief.

 

 


 

Markus Mohr wurde in der letzten Zeit immer mal wieder als alter Kommunist angesprochen, versteht sich aber in diesen Momenten als junger Autonomer. Er lebt von den Leistungen der Arbeitsagentur, die umgangssprachlich nach einem Straftäter benannt sind.