Frontal draufgehalten

Erstveröffentlicht: 
19.11.2013

Prozess gegen Ex-NPDler

 

In Freiburg wird erneut über den Fall Florian S. verhandelt, der mit dem Auto ein Antifa-Mitglied anfuhr. Der BGH ließ einen Notwehr-Freispruch nicht gelten.

 

FREIBURG taz | War es Notwehr, ein Mordversuch oder kopflose Panik? Der südbadische Ex-NPDler Florian S. hat im Oktober 2011 mit seinem Auto einen Antifaschisten schwer verletzt. Wollte er sich verteidigen oder hat er die Gelegenheit genutzt, seine Mordfantasien auszuleben?

Darüber muss das Landgericht Freiburg schon zum zweiten Mal entscheiden. Der erste Prozess endete mit einem Freispruch für S. Im April forderte der Bundesgerichtshof eine neue Verhandlung.

S. war führendes Mitglied der Nazi-Kameradschaft „Freie Kräfte Ortenau“. Im März 2011 kandidierte er für die NPD bei der Landtagswahl. Inzwischen sei er aber aus der rechten Szene ausgestiegen, sagt S..

Im Oktober 2011 wartete S. in seinem Wagen auf einem Pendlerparkplatz bei Freiburg, um rechte Gesinnungsgenossen zu einem konspirativen Nazi-Konzert zu lotsen. Die Antifa hatte jedoch vom Treffpunkt erfahren und wollte S. dort stellen.

Als fünf Vermummte auf ihn zuliefen, startete S. seinen Wagen mit durchdrehenden Reifen und fuhr frontal auf die Gruppe zu. Die meisten konnten ausweichen, doch ein junger Mann wurde vom Wagen erfasst, kollidierte mit der Windschutzscheibe und blieb schwerverletzt auf der Straße liegen.

 

Richter werteten Panik als Freispruchsgrund

Im ersten Urteil 2012 nahm das Landgericht an, dass S. zwar von der Antifa angegriffen wurde, er aber zur anderen Seite hätte wegfahren können und müssen. Der Angegriffene müsse flüchten, so das Landgericht in seiner Begründung damals, wenn der Gegenangriff die Angreifer in Lebensgefahr bringt. Allerdings habe die Aussage von S., er sei nur aus Angst und Panik in diese Richtung gefahren, nicht widerlegt werden können. Das Landgericht wertete die Tat deshalb als entschuldigt und S. wurde freigesprochen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob den Freispruch jedoch bald wieder auf. Das Landgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob S. überhaupt mit Verteidigungswillen handelte. Denn wenige Tage vorher hatte S. in einer Facebook-Kommunikation davon geschwärmt, wie schön es wäre, eine „Zecke“ in Notwehr zu töten: „ich warte ja nur darauf, dass einer mal angreift! dann kann ich ihn endlich mal die Klinge fressen lassen!“ Der Bundesgerichtshof verlangte eine neue Verhandlung.

Die inzwischen veröffentlichte Begründung des BGH-Urteils enthält eine Vielzahl von Vorgaben für den neuen Prozess. So genüge es für eine Notwehr, wenn der Verteidigungswillen Teil eines Motivbündels sei. Notwehr sei nur dann ausgeschlossen, wenn andere Gründe (wie Hass auf Linke) dominant sind. Das dürfte schwer zu beweisen sein.

Jedenfalls konnte, so der BGH, von S. nicht verlangt werden, ohne Konfrontation zu flüchten. Wer angegriffen wird, dürfe sich verteidigen, auch wenn dies zu Lebensgefahr für die Angreifer führe. S. habe also mit dem Auto auf die Antifa-Leute zufahren dürfen. Prüfen müsse das Landgericht nun aber, ob S. dabei zu schnell fuhr, das heißt, ob ein langsameres Fahren den drohenden Angriff genauso gut verhindert hätte. Wenn nicht, wäre S. freizusprechen.


Hätte langsameres Fahren genügt?

Hätte ein langsameres Fahren genügt, so der BGH, läge ein grundsätzlich strafbarer Notwehrexzess vor. Dann käme es darauf an, ob S. tatsächlich in Panik handelte. Dagegen könnte sprechen, so der BGH, dass S. nach der Tat mit Polizisten recht rational seine Handlungsalternativen diskutierte.

Die Anklage lautet immer noch auf „versuchten Totschlag“. Nebenkläger-Anwalt Jens Janssen bat das Gericht, auch „versuchten Mord“ zu prüfen. „Hass auf politische Gegner ist auch ein niedriger Beweggrund“, so Janssen.

Erste Zeugen schilderten den Vorfall auf dem Pendlerparkplatz. „Das Auto ist mit durchdrehenden Reifen losgefahren“, sagte eine Krankenschwester, die auf ihre Kollegin gewartet hatte. „Ich hörte einen aufheulenden Motor“, sagte ein Lehrer, der mit dem Rad zufällig in der Nähe fuhr. Auch er sah den Crash. „Es wirkte wie ein Mordanschlag aus dem Gangsterfilm.“ Das Urteil wird Mitte Dezember erwartet.

 

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent