Derzeit sind in der städtischen Wohnungssucherdatei 1332 Haushalte registriert – Tendenz steigend
Günstiger Wohnraum wird in Freiburg immer knapper: Im Jahr 2000 suchten 397 Haushalte eine Sozialwohnung, heute sind es mehr als drei Mal soviel. Aktuell sind in der städtischen Wohnungssucherdatei 1332 Haushalte registriert. "Tendenz steigend", sagt Werner Hein, Leiter des Amts für Wohnraumversorgung. Echte Notfälle, ohne Dach über dem Kopf, seien jedoch kaum darunter.
																	
								Notfallkartei, so hieß die städtische Wohnungssucherdatei 
früher. Aufgenommen wird, wer vom Gemeinderat definierte Kriterien 
erfüllt. Dazu gehört der Verlust der Wohnung. Etwa zehn Prozent, schätzt
 Hein, seien von Räumung und fristloser Kündigung bedroht und damit 
dringende Fälle. Schätzungsweise 40 Prozent landeten aufgrund zu hoher 
Mieten in der Datei (40 Prozent des Nettoverdienstes), andere, weil sie 
in einer zu kleinen Wohnung leben (bis 45 Quadratmeter für eine Person, 
bis 90 Quadratmeter für vier). Aufgenommen wird generell nur, wer 
mindestens zwei Jahre in Freiburg lebt.
So wie Ortrun Hackländer. Früher lebte sie mit Mann und Kindern in einem
 Haus in Herdern. Nach vielen Schwierigkeiten in der Ehe packte die 
55-Jährige vor etwa 1,5 Jahren zwei Koffer und ging. Seither lebte sie 
von Hartz IV – und in der Angst vor der Obdachlosigkeit. In einem 
möblierten WG-Zimmer in Weingarten kam sie nach langer Suche unter. Dann
 lag auch dort plötzlich die fristlose Kündigung auf dem Tisch.
				
Trotz Bewerbungen, Inseraten und Beratungsgesprächen im Amt für 
Wohnraumversorgung fand sich keine Wohnung. Hinzu kam, dass eine schwere
 Beinverletzung sie viele Monate an Bett und Rollstuhl fesselte. Es 
schien ihr, als ob es in Freiburg mit weniger Geld in der Tasche keinen 
Platz mehr für sie gebe. "Das tut so weh, das ist doch meine Stadt", 
sagt Hackländer. 463 Euro kalt dürfe ihre Wohnung kosten. "Da bekommt 
man nur eine Sozialwohnung."
13 000 geförderte Wohnungen gibt es in Freiburg, 2008 waren es 7000. Die
 Stadtverwaltung hat reagiert, doch es reicht nicht: "Es fehlt an 
bezahlbarem Wohnraum", sagt Hein. Ursache sei der Bevölkerungszuwachs, 
die Attraktivität Freiburgs und steigende Mieten. "Sehr schwierig" sei 
die Suche momentan, bestätigt Ralf Klausmann, Geschäftsführer der 
Freiburg Stadtbau. Mit etwa 8000 ist sie der größte Anbieter für 
Sozialwohnungen und hat sich verpflichtet, freie Wohnungen zuerst an 
Suchende der Notfallkartei zu vermieten.
Doch Leerstand gebe es kaum, nur auf Wohnungen für Zwischenlösungen, zum
 Beispiel im Sanierungsfall. Entspannung sei kaum in Sicht: "Die Leute 
ziehen nicht mehr um." Normalerweise liege die Fluktuationsquote bei 7 
bis 8 Prozent, dieses Jahr bei 5 Prozent. Klausmanns Hoffnung: ein neues
 Wohngebiet. Nach der Sommerpause steht im Gemeinderat das "Kommunale 
Handlungsprogramm Wohnen" auf der Tagesordnung, sagt Stadtsprecherin 
Martina Schickle. Ziel sei unter anderem, das Wohnungsangebot des 
bezahlbaren Wohnraums auszuweiten – durch einen neuen Stadtteils. "Neue 
Wohnungen beruhigen den Markt und sorgen für niedrigere Mieten", weiß 
Klausmann.
Das war beispielsweise auch Mitte der 90er Jahre so. Günstige Wohnungen 
wurden zur Mangelware, die Notfallkartei erreichte ihren Höchststand. Ab
 1996, mit dem Bezug der ersten fertigen Häuser im neuen Stadtteils 
Rieselfeld, entspannte sich die Lage – die Notfallkartei leerte sich. 
Doch seit 2000 steigen die Zahlen wieder, es gibt immer mehr 
Wohnungssuchende.
Seit 2008 erhalten sie beim Amt für Wohnraumversorgung Hilfe. Ortrun 
Hackländer war oft dort, eine Wohnung gab es aber zunächst nicht. In 
Hochzeiten warte man lange, erklärt Werner Hein: Einpersonenhaushalte 
teilweise bis zu 15 Monate, fünfköpfige Familien sogar länger. Für 
Ortrun Hackländer ist das Warten wohl vorbei: Sie wird voraussichtlich 
noch im August in eine Zwei-Zimmer-Wohnung der Stadtbau in Haslach 
ziehen – dann ist auch Platz für ihren Sohn. Sie freut sich auf den 
Neustart: "Meine schlimmste Zeit ist überstanden."
GÜNSTIGER WOHNRAUM
																	
								In eine Sozialwohnung darf nur ziehen,
wer einen Wohnungsberechtigungsschein hat. Kriterien dafür sind das 
Bruttoeinkommen. Bei Alleinstehenden liegt die Grenze bei etwa 1600 Euro
 im Monat, bei einer vierköpfigen Familie bei etwa 3750 Euro. Auch 
Bezieher von Arbeitslosengeld II haben Anspruch auf einem 
Wohnberechtigungsschein, sie müssen ihn eigens beantragen.
