Fahrzeug beschmiert
In Berlin-Kreuzberg wurde ein Bus attackiert, weil er mit Werbung für die Bundeswehr beklebt war. Vermummte beschmierten und beklebten ihn. Im Internet sind weitere Anschläge angekündigt.
Von Christina Brüning
Die Fahrgäste werden einen gehörigen Schrecken bekommen haben. Am Montagabend, planmäßig um kurz nach halb neun, hält ein Bus der Linie 140 an der Haltestelle Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg. Da springen plötzlich einige Vermummte auf die Fahrbahn.
Zwei von ihnen entrollen ein Plakat vor dem Bus und hindern ihn an der Weiterfahrt, sechs weitere beschmieren ihn mit Schriftzügen und bekleben die Seiten mit Flugblättern. "Keine Zukunft für Berufsmörder – Armee-Werbung stoppen" steht auf dem Plakat. Der Spuk dauert ein paar Minuten, dann flüchten die Maskierten zu Fuß.
Vermutlich haben die Fahrgäste gar nicht begreifen können, was vor sich geht. Die wenigsten Menschen nehmen wohl bewusst zur Kenntnis, mit welcher bunten Werbung das Fahrzeug bedruckt ist, in das sie gerade einsteigen.
Der Bus der Linie 140, der an diesem Abend zwischen Ostbahnhof und Tempelhof unterwegs ist, ist großflächig mit Werbung der Bundeswehr bedruckt. Mit dem Slogan "Karriere mit Zukunft – Alles andere ist Alltag" wirbt die Armee um Nachwuchs.
Seit der Aussetzung der Wehrpflicht vor gut zwei Jahren ist solche Werbung für den Arbeitgeber Bundeswehr häufiger zu sehen. Ebenfalls 2011 startete eine Kampagne gegen die Bundeswehr, zu der vermutlich auch die Aktion auf dem Mariannenplatz zählt. Jedenfalls legt das der Hinweis auf der Internetseite der Aktivisten auf den Flyern nahe, die bei der öffentlichkeitswirksamen Aktion am Bus hinterlassen wird. "Der Krieg beginnt hier. War starts here" ist das Motto der Kampagne, die suggerieren will, "der Krieg" beginne in Deutschland.
Polizei spricht von zielgerichteter und geplanter Aktion
Wegen des politischen Hintergrundes hat der Staatsschutz des Landeskriminalamts die Ermittlungen übernommen. "Man kann hier von einer zielgerichteten und geplanten Aktion ausgehen", sagt ein Polizeisprecher am Dienstag.
Auch wenn niemand zu Schaden gekommen ist, harmlos sei die Attacke nicht. "Da werden Fahrgäste in Panik versetzt, wenn plötzlich Vermummte ihren Bus belagern." Auf etwa 3000 Euro beziffert die BVG am Dienstag den Schaden. Der Bus ist mittlerweile mit Spezialmitteln von der Sprühfarbe gereinigt worden.
Bundeswehr immer wieder Ziel von Protestaktionen
Die Bundeswehr ist immer wieder Ziel von Protestaktionen und auch Attacken. Für besonderes Aufsehen sorgten Mitte April Studenten an der Humboldt-Universität, die Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) an einem Vortrag über die "Armee der Einheit" hinderten. Weniger friedlich waren Brandanschläge auf diverse Fahrzeuge im vergangenen Jahr, auf die der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums Bezug nimmt.
Der Bericht widmet sich im Kapitel "Antimilitarismus" auch der Kampagne "Der Krieg beginnt hier". Den Antimilitaristen wird unter anderem ein Brandanschlag auf Lastwagen einer Firma in Berlin zugeschrieben, die im militärischen Bereich tätig ist, ebenso ein Anschlag auf den Fuhrpark der Deutschen Bahn, der von den Extremisten laut Verfassungsschutz Zusammenarbeit mit der Bundeswehr vorgeworfen wird. Auch die Freie Universität wurde 2012 zum Ziel, es gab Sachbeschädigungen bei einem Sonderforschungsbereich, dem von den Extremisten vorgeworfen wird, "für den Krieg" zu forschen, wie es im Bericht heißt. Deutschlandweit gab es eine Reihe ähnlicher Aktionen.
Auch der Berliner Verfassungsschutz beobachtet das Geschehen. Die Attacke auf den Bus werten die Berliner als eine Art Werbeaktion für ein Protestcamp der Antimilitaristen im Juli in Sachsen-Anhalt. Als pauschal linksextremistisch könne man die Anti-Kriegs-Kampagnen nicht bewerten, so eine Sprecherin. "Es gibt eine Grauzone zwischen antimilitaristischen Protestaktionen wie Störungen von Bundeswehrveranstaltungen und linksextremistischen Attacken wie etwa Brandanschlägen."
Bei der Bundeswehr nimmt man die Aktionen zur Kenntnis, bleibt aber betont gelassen. "Wir stellen uns der Kritik, das gehört schließlich zu einem freiheitlich-demokratischen Land dazu", sagt eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums. Von Störungen und Protesten lasse man sich nicht irritieren. "Wir rufen aber dazu auf, bei den Protesten sachlich zu bleiben."
Auf 36 Seiten werden weitere Veranstaltungen angekündigt
Im Internet wird nun zu weiteren Aktionen gegen die Bundeswehr aufgerufen. Vor wenigen Tagen wurde auf der linksextremen Internetplattform Indymedia eine 36 Seiten umfassende Liste veröffentlicht, die genau Auskunft gibt über bevorstehende öffentliche Auftritte der Bundeswehr im ganzen Bundesgebiet, darunter etwa auch Schulen, Jobmessen und Freizeiteinrichtungen in Berlin, die Info-Veranstaltungen mit der Bundeswehr planen.
Bei der Berliner Polizei will man zu diesem konkreten Fall keine Auskunft geben. Generell nehme der Staatsschutz derartige Listen, wie sie jüngst etwa auch für potenzielle Anschlagsziele von Gentrifizierungsgegnern kursierten, zur Kenntnis und untersuche sie auf ihr Gefährdungspotenzial. "Je nachdem, welche Gefährdung vorliegt, suchen wir das Gespräch mit den Betroffenen und beraten", so ein Sprecher. Beim Bundesverteidigungsministerium heißt es am Dienstag, gerade Besuche an Schulen würden im Vorfeld mit den Verantwortlichen abgestimmt.