Supermarkt statt Essenskisten

Erstveröffentlicht: 
03.06.2013

In zwölf Landkreisen dürfen sich Asylbewerber selber versorgen

Bargeld für Asylbewerber statt fertig gepackte Essenskisten - jahrelang haben Flüchtlingsverbände und Betroffene dafür gekämpft. Jetzt haben einige Landkreise umgestellt. Aber nicht alle machen mit.

 

Autor_in: JOACHIM SCHAIBLE, DPA

 

Stuttgart Zwei Stapel aus Plastikkisten stehen noch an der grauen Betonwand. Jahrelang kam in diesen Kisten das Essen zu den Asylbewerbern, die im schmucklosen Haus im Tübinger Ortsteil Weilheim leben. Meist zweimal wöchentlich wählten die Asylbewerber auf einer Liste Nahrungsmittel aus, die kamen dann fertig gepackt ins Haus.

 

Im Dezember hieß es dann: Von jetzt an gibt es nur noch Geld - nicht mehr bloß knapp 41 Euro Taschengeld im Monat. "Wir konnten ein Sparbuch eröffnen", sagt der 40-jährige Mazedonier Ismet, der damals schon mit seiner Frau Ilmie (38) und den beiden Töchtern seit mehr als einem Jahr in Tübingen lebte. Ihren Nachnamen wollen sie nicht in der Zeitung lesen. "Endlich in den Supermarkt zu gehen, fühlte sich normal an", sagt Ilmie. Organisationen wie der baden-württembergische Flüchtlingsrat fordern seit Jahren Geld statt Kisten. Regelmäßig suchen auch Betroffene die Öffentlichkeit, oft unterstützt von lokalen Gruppen.

 

Essenskisten, betont Ilmie, seien nicht schlimm. "Wir waren immer froh, versorgt zu werden", sagt sie, "aber jetzt kann man kaufen, was man will." Und ab und an habe es doch Probleme gegeben. Was auf der Liste fehlte, mussten sie vom Taschengeld kaufen - zusätzlich zu Busfahrkarten oder Tabletten.

Die Wünsche der Flüchtlinge sind den Behörden seit langem bekannt. Dass jetzt darauf reagiert wird, liege vor allem an der Landesregierung, sagt Karlheinz Neuscheler vom Tübinger Landratsamt. Im August 2012 veröffentlichte das Integrationsministerium Hinweise an die Kommunen, wie mit Asylbewerbern umzugehen sei. Denn auch wenn das Sachleistungsprinzip auf Bundesebene festgeschrieben ist, gibt es Spielraum. Baden-Württemberg nutzte den lange nicht.

 

In den aktuellen Hinweisen, die gelten, bis das neue Flüchtlingsaufnahmegesetz im Land erarbeitet ist, heißt es: Unterkunft, Strom und Heizung sei als Sachleistung zu gewähren. Zusätzlich könne eine Form gewählt werden, die "sachgerecht erscheint", Essenspakete, Shops, Gutscheine oder eben Geld. Eine Reihe von Landkreisen hat umgestellt. Die Evangelische Landeskirche hat ermittelt, dass es im März in zwölf von 44 Kreisen Geld und in 15 geldwerte Gutscheine gab. In anderen ist die Umstellung angekündigt.

 

In Freudenstadt bekommen Asylbewerber weiter Essenspakete. Der Kreis spare dadurch viel Geld, denn etliche Asylbewerber kämen selten in die Unterkünfte. bekommen, sagt Robert Bornhauser, Leiter des Sozialamts. "Diese Menschen bestellen oft keine Pakete, das Geld würde aber automatisch aufs Konto kommen." Außerdem gebe es in der Umgebung einiger Unterkünfte keine Einkaufsmöglichkeiten. Auch im Rhein-Neckar-Kreis werde es vorerst bei Essenspaketen bleiben, sagt Stefan Becker, Leiter des Ordnungsamts. "Wir glauben, dass es Aufgabe des Bundes wäre, das zu ändern."