KIEL. Der Kommunalwahlkampf von Schleswig-Holstein ist nicht länger friedlich: Die linke Szene verübt Anschläge auf die Kandidaten rechter Parteien. Sie hat sich zu bereits neun Farbattacken und Brandstiftungen bekannt. Auch ein Feuer, bei dem in Rendsburg zwei Unbeteiligte in Lebensgefahr gerieten, geht vermutlich auf das Konto der autonomen Täter, die eine "antifaschistische Offensive" ausgerufen haben. Der Staatsschutz im Landeskriminalamt ermittelt.
Das Symbol  der Gruppe ist ein brennender 
Müllcontainer - und offenbar ist dieses Symbol auch Programm.   Vor den 
Häusern von NPD-Politikern gingen bereits mehrfach Müllcontainer in 
Flammen auf - so im April bei Christoph B., einem Mitglied des NPD 
Kreisverbandes Lübeck-Ostholstein, der auch Kontakte zur 
Kameradschaftsszene pflegen soll. "Bei so vielen rechten Umtrieben ist 
es nicht verwunderlich, dass sein Müll unter ,leichter' Rauchentwicklung
 bis zum Himmel stank", heißt es in einem Bekennerschreiben, das  in 
einem Internetblog veröffentlicht wurde. 
Dort finden sich auch 
die Namen und Adressen aller Kandidaten, die für die NPD  oder rechte 
Wählervereinigungen kandidieren - nebst eines Aufrufs sich der Kampagne 
"Do it yourself" (DIY) anzuschließen: "Als autonome Bewegung setzen wir 
auf unabhängige und von unten getragene antifaschistische Initiativen 
und Strukturen, die Neonazi-Propaganda entlarven und den extrem rechten 
Wahlkampf sabotieren. Hierbei sind unserer Kreativität keine Grenzen 
gesetzt."
Dem Aufruf wird in Schleswig-Holstein rege Folge 
geleistet. Neben Brandstiftungen werden voller Stolz Farbanschläge auf 
Häuser und Autos vermeldet. So wurde der  Kieler NPD-Ratsherr Hermann 
Gutsche Anfang Mai offenbar Ziel der Gruppe. Man habe die 
"Gutsche-Kutsche grün umlackiert" und  "ein paar  luftige Zentimeter 
tiefergelegt", heißt es. Und weiter: "Solange er Nazi ist, wird er immer
 wieder auch unfreiwilliger Fußgänger sein."
Wer steckt hinter 
der "antifaschistischen Offensive" und ihrer DIY-Kampagene? "Es handelt 
sich um Teile der gewaltbereiten autonomen Szene", sagt der 
stellvertretende Leiter des Verfassungsschutzes in Kiel. Die Gruppe sei 
allerdings dezentral organisiert. "Im Internet werden Flyer und Plakate 
zur Verfügung gestellt. Örtliche Autonome können sich das Material 
downloaden, ausdrucken und unter dem Label der DIY-Kampagne Anschläge 
begehen." Uwe Keller, Sprecher des Landeskriminalamts (LKA), erklärt: 
"Ziel der Kampagne ist es, durch die Begehung von Straftaten Druck auf 
bestimmte Menschen aufzubauen und diese so zu verunsichern, dass sie 
sich aus dem Wahlkampf zurückziehen." Im Zusammenhang mit dem Slogan "Do
 it yourself" bestehe jedoch gerade bei Branddelikten die Gefahr, dass 
diese aus dem Ruder liefen und  nicht mehr zu kontrollieren seien. In 
Rendsburg ist das passiert, dort kostete ein mutmaßlicher "Do it 
yourself"-Anschlag beinahe Menschen das Leben. In der Innenstadt waren 
in der Nacht zu Donnerstag  zwei Müllcontainer angezündet worden. Einer 
stand in einem Durchgang, die  Flammen griffen auf das Gebäude über. Da 
der Durchgang auch der  einzige Fluchtweg aus dem Haus war, kamen die 
beiden Bewohner nicht mehr heraus. Die Feuerwehr rettete die Männer über
 eine Drehleiter. "Nur durch glückliche Umstände ist niemand zu Schaden 
gekommen", sagte Bürgermeister Pierre Gilgenast am Brandort. Dort und in
 der ganzen Innenstadt klebten Plakate der "antifaschistischen 
Offensive".  Was allerdings stutzig macht: Die linke Szene ist über die 
Adressen von Neonazis stets hervorragend informiert. "Doch weder die 
Tatorte in Rendsburg noch dort lebende oder arbeitende Personen können 
in Zusammenhang mit der rechten Szene gebracht werden", so Keller. Auch 
das typische Bekennerschreiben ist noch nicht veröffentlicht worden.  
Nun wird wegen schwerer Brandstiftung ermittelt. Die "antifaschistische 
Offensive" befindet sich bereits seit Wochen im Visier der 
Staatsschützer. "Gegenstand  ist der Verdacht der Aufforderung zu 
Straftaten  sowie der im Zusammenhang mit der DIY-Kampagne begangenen 
Straf- und Gewalttaten", erklärt LKA-Sprecher Keller. Obwohl es sich um 
eine dezentrale Struktur handele, sei das Vorgehen "planvoll, gezielt, 
teilweise koordiniert und arbeitsteilig". Dafür spricht auch, dass im 
Rahmen der Kampagne regelmäßig rechte Kandidaten "geoutet" werden. Das 
bedeutet: Nachbarn werden durch Flugblätter darüber informiert, dass 
Neonazis in ihrer Nähe wohnen.   Wie weit die Ermittlungen gegen die 
Gruppe vorangeschritten sind, sagen die Staatsschützer nicht. Der harte 
Kern autonomer Täter dürfte den Ermittlern allerdings bekannt sein - 
zumal ihnen der Verfassungsschutz alle seine Erkenntnisse übermittelt 
hat. Und nach dem jüngsten Anschlag dürfte das Tempo angezogen werden. 
Von allen Plakaten in Rendsburg wurden bereits Fingerabdrücke genommen. 
