Ein Bundeswehr-Hauptmann soll das Attentat auf das Münchner Oktoberfest im Jahre 1980 organisiert haben – die Medien in Deutschland interessiert das wenig Von Peter Wolter
Geht das Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest im Jahr 1980 auf 
das Konto des Bundesnachrichtendienstes (BND)? Sind deusche 
Staatsbedienstete verantwortlich für 13 Tote und 211 Verletzte?
Schon damals hatten zahlreiche Spuren auf die Verwicklung geheimer 
NATO-Truppen in die Mordtat hingewiesen – vielleicht gibt es jetzt auch 
handfeste Beweise: Der Duisburger Historiker Andreas Kramer hat in 
dieser Woche vor dem Luxemburger Kriminalgericht unter Eid ausgesagt, 
sein Vater habe dieses und andere Attentate eingefädelt. Details dazu 
beschreibt Kramer in einem Exklusiv-Interview mit der jW.
Kramer senior – ein Bundeswehr-Hauptmann, der auch für den BND 
gearbeitet haben soll –, hat demnach den aus US-Beständen stammenden 
Sprengstoff mit Hilfe des niederländischen Militärgeheimdienstes 
beschafft. Er habe auch den Bau der Bombe überwacht und den Attentäter 
Gundolf Köhler angeworben, sagte Kramer. Er habe in Deutschland etwa 50 
geheime Waffenlager für die »Stay-behind«-Truppe der NATO angelegt und 
überwacht. Ihm hätten 350 Mann unterstanden, die vorwiegend in 
rechtextremen Kreisen rekrutiert worden seien.
Sein Vater sei im November gestorben, sagte Kramer weiter. Erst jetzt 
fühle er sich frei, sein Hintergrundwissen preiszugeben. Er werde dem 
Gericht Dokumente vorlegen, die seine Aussagen untermauern.
Auch bei den 18 Anschlägen, die es zwischen 1984 und 1986 in Luxemburg 
gab, sei sein Vater der Strippenzieher gewesen, sagte Kramer weiter. 
Wegen Beteiligung an dieser Bombenserie müssen sich zur Zeit zwei 
ehemalige Polizeibeamte vor dem Kriminalgericht verantworten. Kramer 
hatte davon erfahren und sich sofort als Zeuge zur Verfügung gestellt. 
Die Luxemburger Staatsanwaltschaft hat zusätzliche Kriminalisten 
angefordert, die den Vorwürfen nachgehen und auch den Nachlaß von Kramer
 senior sichten sollen.
Für Luxemburg ist das Verfahren vor dem Kriminalgericht so etwas wie ein
 Jahrhundertprozeß – die deutschen Medien haben ihn bislang allerdings 
ignoriert. Nicht zuletzt mit Blick auf den am Mittwoch in München 
beginnenden NSU-Prozeß wäre es angebracht, daß sich deutsche 
Ermittlungsbehörden einschalten. Laut Kramer stand sein Vater damals 
unter dem Befehl des deutschen NATO-Generals Leopold Chalupa.
Parlamentsausschüsse in Italien und Belgien hatten schon Anfang der 90er
 Jahre nachgewiesen, daß geheime NATO-Truppen in Mord- und 
Bombenanschläge in beiden Ländern verwickelt waren. Dazu gehörte die 
Explosion auf den Bahnhof der norditalienischen Stadt Bologna, bei der 
1980 85 Menschen getötet wurden. In der belgischen Provinz Brabant 
hatten zwischen 1982 und 1985 Vermummte wahllos in Supermärkte 
hineingeschossen und 28 Menschen umgebracht.
Wie der Schweizer Wissenschaftler Daniele Ganser herausfand, gab es 
ähnliche Aktionen auch in anderen NATO-Staaten – strategisches Ziel sei 
es gewesen, diese Anschläge Linken in die Schuhe zu schieben und so 
einen Rechtsruck zu befördern. Sollte diese Strategie beim 
Oktoberfest-Attentat eine Rolle gespielt haben, so ist sie gründlich 
daneben gegangen: Acht Tage danach wurde der 9. Bundestag gewählt – 
Unions-Spitzenkandidat Franz Josef Strauß (CSU) fiel durch, 
Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) wurde wiedergewählt.
