Am 30. April wird in Wedding, im Rahmen der Antikapitalistischen Walpurgisnacht wieder eine berlinweite Demonstration gegen steigende Mieten, Rassismus und soziale Ausgrenzung stattfinden, so wie eine lange Nacht der linken Locations im Wedding am 19. April.
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 19. April | Weddinger Nächte sind lang | Veranstaltungen gegen 
Rassismus und soziale Ausgrenzung- für eine solidarische Gesellschaft!
[Infos: HWVW-Blog]
# 30. April 2013, S.-U.-Bhf. Gesundbrunnen | 16 Uhr, Kundgebung | 20.30 Uhr, Demonstration
[Aufruf | Material]
Das Bündnis "Hände weg vom Wedding!"
 hat zur Situation im Bezirk eine Broschüre erstellt, die sich mit 
Mietsteigerung, der Rolle der Quartiersmanagements, staatlichem 
Rassismus und weiteren Themen befasst. Auf Indymedia werden in den 
Wochen vor dem 30. April als inhaltliche Begleitung veröffentlicht.
# Teil 2: "Alltag im Amt"
Gastbeitrag der Erwerbslosenhilfe Basta
Eigentlich hatte ich meinen Antrag auf Hartz IV rechtzeitig abgegeben. 
Trotzdem herrscht auf meinem Konto gähnende Leere und auch einen 
Bescheid vom Amt habe ich nicht bekommen. Weder wurde mein Antrag 
abgelehnt noch kam eine Zusage. Im Übrigen bin ich mir ziemlich sicher, 
dass ich Geld bekommen werde, schließlich hab ich ja im Moment nichts, 
nicht einmal eine Idee, wovon ich meine Miete bezahlen soll.
Also
 ab zum Jobcenter, einen „Vorschuss beantragen wegen Mittellosigkeit“, 
so nennen sie das dort. Ein komischer Ausdruck, „Vorschuss am 8. des 
folgenden Monats der Antragsstellung“. Von Geld, das vorab zur Verfügung
 steht, kann wohl keine Rede sein. Ich frage Freunde, ob sie Zeit haben 
mitzukommen. Der Gang zum Amt kann eine ganze Weile dauern und 
andererseits ist mir auch unwohl bei dem Gedanken, allein in der langen 
Schlange und den sterilen Warteräumen zu stehen und mich den 
Mitarbeiter_innen des Jobcenters erklären zu müssen, so als ob ich mit 
einer Bitte an sie herantreten würde.
Bei meinem ersten Termin 
wurde ich genötigt, sofort eine Eingliederungsvereinbarung zu 
unterschreiben. Mir kam das komisch vor. Die Sachberarbeiterin hat aus 
vorgefertigten Textbausteinen diesen Vertrag gebastelt, den hätte ich zu
 unterschreiben, sonst könne ich kein Geld bekommen. Diese Vereinbarung 
sei individuell auf mich zugeschnitten, dabei kennt sie mich gar nicht, 
weiß nichts außer Zahlen über mich. Dennoch sollte ich eine 
„Vereinbarung“ eingehen, an der ich nicht mitzureden hatte. Um dem 
vorzubeugen, dass ich „auf Kosten des Steuerzahlers“ leben würde, müsste
 ich unterschreiben. Das war sie dann also, meine „individuelle“ 
(har-har-har) Begrüßung als Kundin im Jobcenter.
Nach diesem 
ersten Erlebnis hatte ich mir fest vorgenommen, nicht mehr alleine auf 
dem Amt aufzutauchen. Einen Vertrag kann ich dort keinesfalls 
unterschreiben, weil nicht mal die Sachbearbeiter_innen glauben, dass 
„ein Kunde“ auf den Vertrag Einfluss habe. Wut macht aber auch 
erfinderisch. Sicher fällt mir gemeinsam mit anderen etwas ein, um den 
Beschäftigungsträger_innen der 1-Euro-Jobs zu entgehen, die sich vom 
Jobcenter unbezahlte Lohnarbeit abholen. Ich bin nicht bereit, am 
inhaltsleeren Bewerbungstraining teilzunehmen und mit meiner schlecht 
entlohnten Arbeit irgendwelchen Firmen Geld in die Kasse zu spülen. Das 
alles steht in der sogenannten Eingliederungsvereinbarung, diesem 
sogenannten Vertrag.
Aber jetzt erstmal her mit der Kohle, um mir
 etwas zu essen besorgen zu können. Mit einer Freundin stehe ich in der 
Warteschlange im Eingangsbereich des Jobcenters. Es ist ein besseres 
Gefühl, gemeinsam mit einer vertrauten Person hier
 zu sein, die auf meiner Seite steht. Außerdem kann sie auch die 
Gespräche protokollieren, um im schlechtesten Fall als Zeugin aussagen 
zu können.
Der Eingangsbereich im Jobcenter ist der 
Anmeldebereich für Menschen, die keinen Termin haben, und er ist gleich 
zu Beginn richtig verdrießlich. Dort muss mensch schon mal mehrere 
Stunden in Reih und Glied stehend zubringen, es gibt keine Sitzplätze, 
kein Wasser und erst recht keine Rücksicht auf Handicaps oder die 
Bedürfnisse von Kindern. Bereits an dieser Stelle, die so unwirtlich, 
ungastlich und unbehaglich gestaltet ist, sollen wir wohl 
verinnerlichen, dass wir nicht erwünscht sind. Wir lassen uns aber nicht
 abschrecken!
Nach etwas über einer Stunde Warten bin ich dann am
 Schalter und erkläre mein Anliegen. Nach Vorlage meines Ausweises 
erhalte ich eine Wartenummer: Nr. 23 - da sind noch einige vor mir dran.
 Auch im Warteraum für diejenigen mit Nummer sind alle Plätze besetzt, 
es ist stickig und ziemlich still. Nur das Umschalten der 
Nummernanzeigetafel unterbricht die Ruhe. Auch hier bin ich froh, dass 
ich nicht alleine herumsitzen muss, die Zeit vergeht gemeinsam 
schneller.
Irgendwann sind wir dran, zu Platz 12 sollen wir 
gehen. Die Frau hinterm Schreibtisch fragt nach der BG 
(Bedarfsgemeinschaft-) Nummer, meiner Wartenummer und, wen wundert es, 
meinem Ausweis. Diese Masche, du bist nicht mehr als eine Wartenummer, 
ein Ausweis, eine BG-Nr., soll der Sachbearbeiterin helfen, dich nicht 
als Mensch wahrzunehmen, um effektiver – das heißt unsozialer für die 
Betroffenen – arbeiten zu können. Es ist wie Lotto spielen, so viele 
Zahlen sind hier im Spiel.
„Ich habe einen Antrag auf ALG II gestellt und bis heute kein Geld bekommen“, sage ich. Sie fragt mich, ob ich momentan arbeiten würde. „Nein, ich bin erwerbslos.“
„Sehr gut, dann können Sie noch heute anfangen.“
 Sie erklärt mir, dass sie eine Firma anrufen könnte, bei der ich ab 
heute drei Tage lang für Bargeld arbeiten könnte, das mir am Abend 
ausgezahlt werde. Mir wird etwas mulmig, denn Termine habe ich auch ohne
 Erwerbsarbeit. Vertrauen zu einer ominösen „jederzeit-Arbeits-Firma“ 
hab ich erst recht nicht. Ich sage ehrlich, dass ich mir das nicht 
vorstellen kann und ich doch nichts dafür kann, dass mein Antrag bis 
jetzt nicht bearbeitet worden ist. Ich habe ihn doch rechtzeitig 
abgegeben. Es ist nicht meine Schuld, dass ich gerade auf dem Trockenen 
sitze. Die Jobcenter-Angestellte vermittelt mir allerdings etwas 
anderes: „Sie müssen, so wie alle anderen auch, etwas für Ihr Geld leisten.“
Aha,
 wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Diesen Spruch hat sich das 
Jobcenter wohl sehr zu Herzen genommen, denn wer in der heutigen Welt 
kein Geld hat, muss hungern.
Schließlich schreitet meine 
Begleitung ein und fragt mich, ob ich nicht noch diesen Arzttermin am 
Nachmittag hätte. „Ach, ja, das hätte ich fast vergessen. Gut, dass du 
mich daran erinnerst!“ Ich atme erleichtert auf bei dem Gedanken, aus 
dieser Nummer herausgekommen zu sein. Die Frau glaubt uns 
augenscheinlich nicht und sagt etwas mürrisch: „Gut, dann gehen Sie zur 
Leistungsabteilung, dort werden sie mit Namen aufgerufen. Aber immer 
kommen Sie so nicht durch.“ Ich denke, wir haben bisher alles richtig 
gemacht. Selbstbestimmung ist auch als Hartz-IV-Empfänger_in etwas, auf 
das mensch sich berufen muss.
Mittlerweile sind drei Stunden 
vergangen, seit wir im Jobcenter angekommen sind. Auf dem Weg zur 
Leistungsabteilung muss ich an „Das Haus, das verrückt macht“ bei 
Asterix und Obelix denken. Dort sitzen erneut mehr Leute, als Plätze 
vorhanden sind. Einige schlafen, andere lesen und manche sehen aufgeregt
 oder ärgerlich aus. Viele sitzen schon mehrere Stunden da, ohne dass 
irgendjemand ihnen Auskunft darüber gegeben hätte, wie lange sich das 
Prozedere noch hinziehen kann. „Die sind arbeitslos und tun nichts, die haben ja Zeit“,
 scheint die gängige Annahme zu sein. Eine Person mit Kleinkind erzählt 
uns, dass sie sofort zu Beginn der Öffnungszeit des Jobcenters gekommen 
sei und seitdem einfach nicht aufgerufen wurde. Als sie nachfragte, 
sagte der Sachbearbeiter, dass sie ein „komplexer Fall“ sei und deswegen
 hinten angestellt würde. „Erst kommen die dran, bei denen es schnell geht.“
Eine
 andere Person sagt, dass sie bis vor kurzem noch zur „Ausländerbehörde“
 hätte gehen müssen und sich freute, als sie zum Jobcenter wechseln 
durfte. Doch die Freude war kurz. Ein Sprachkurs in der „falschen“ 
Sprachstufe wurde ihr vorgeschrieben und bei Nicht-Teilnahme 
Leistungskürzungen angedroht. Das geschah, obwohl sie sich einen 
geeigneten Kurs gesucht und sogar eine Sprachprüfung abgelegt hatte. Die
 Vorurteile und Unkenntnisse, die Migrant_innen im Jobcenter 
entgegenschlagen, nehmen sich laut ihrer Aussage wenig im Vergleich zur 
„Ausländerbehörde“. Eigenständiges Denken und Handeln wird sanktioniert,
 ganz gleich, wie sinnvoll es in Wirklichkeit ist.
Oh, mein Name 
wurde aufgerufen. Zum dritten Mal schildere ich heute meine finanzielle 
Lage einem fremden Menschen, der dann darüber entscheidet, ob ich 
„bedürftig“ bin. Gruselig, sich das so vor Augen zu führen. Dieser 
Mitarbeiter spricht mir einen „Vorschuss“ in Höhe von 150 Euro zu. Das 
ist doch schon mal was, trotzdem reicht es bei weitem nicht. „Wovon soll ich meine Miete bezahlen?“ „Da kann ich nichts machen“, ist die Antwort, „dafür gibt es keine Vorauszahlungen, sondern nur für Nahrungsmittel und vielleicht mal eine Fahrkarte.“
Aha,
 vielen Dank auch, mal sehen was der Vermieter dazu sagt. Die fehlende 
Mietzahlung führt zu keiner akuten Notlage, argumentiert das Jobcenter. 
Immerhin gehe ich jetzt mit etwas Bargeld nach Hause.
Bis hierher 
sind die geschilderten Erlebnisse täglich für tausende Menschen 
ähnliche. Es handelt sich nicht um besonders schlecht ausgebildete 
Sachbearbeiter_innen. Das Verhalten gegenüber Hartz-IV Empfänger_innen 
hat System und dient der Abschreckung sowie der Aufrechterhaltung von 
Herrschaft und Vorurteilen über erwerbslose Menschen.
Nur durch eine gemeinsame solidarische Praxis können wir diese alltäglichen Diskriminierungen verändern.
Solidarisiert euch! Begleitet euch gegenseitig zum Amt und bietet den Sachbearbeiter_innen Paroli.
Infokasten: Deine Armut ist nicht deine Schuld!
Die
 politischen und ökonomischen Eliten predigen es jeden Tag: wer sich 
anstrenge, werde es schon schaffen. Ob Thilo Sarrazin, Guido Westerwelle
 oder Horst Seehofer – sie und die deutsche Mehrheitsgesellschaft 
predigen den Spruch “Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied”. Von 
wegen! Was Jahrhunderte lang den lohnabhängigen Massen eingetrichtert 
wurde, zahlt sich nun aus. Lohnkonkurrenz, Niedriglohnjobs und die 
Verwendung des Begriffs “Schuld” bei Arbeitslosigkeit sind Folgen eines 
auf Leistung und Verwertung ausgerichteten Systems, das Menschen 
auseinanderreißt und Solidarität unter den Betroffenen verhindern will. 
Vor diesem Hintergrund wird Armut als persönliches Versagen bezeichnet. 
Dies soll verschleiern, dass Armut in vielen Fällen politisch gewollt 
ist, unabhängig von der konkreten Situation des Arbeitsverhältnisses.
Armut
 ist damit bereits in den Strukturen der herrschenden Verhältnisse 
angelegt. Mittels der Kürzungen in sozialen Einrichtungen, den 
Sozialleistungen und der Einführung von Hartz IV wurde eine ganze 
staatlich verwaltete Elendsmaschinerie aufgebaut. Der Staat präsentiert 
sich nicht als “Gönner”, sondern vielmehr als Verwaltungsapparat, 
welcher die Lebensverhältnisse der Menschen so regelt und reglementiert,
 dass diese ihre Arbeitskraft zu immer niedrigeren Löhnen auf dem 
Arbeitsmarkt verkaufen müssen. Die Repressalien auf dem Jobcenter sind 
daher ein Spiegelbild dieser Verhältnisse, in denen “Arbeit” als 
höchstes Gut der Menschheit angepriesen und gewaltvoll durchgesetzt 
werden soll. Leistungskürzungen und andere Druckmittel seitens der 
Behörden sollen vermitteln, dass die gesellschaftliche Ordnung 
naturgegeben und alternativlos sei. Die gefühlte Ohnmacht vor den 
Maßnahmen der Behörden ist Mittel zum Zweck. Arbeitsagentur und 
Jobcenter sind Institutionen staatlicher Macht, welche Menschen direkt 
für das Funktionieren im Kapitalismus disziplinieren sollen.
Die 
soziale Schere zwischen “Arm” und “Reich” klappt immer weiter und weiter
 auf. Obwohl es alle bemerken und selbst die rechten unter den 
bürgerlichen Medien darüber berichten, soll diese soziale Ungleichheit 
durchgesetzt und akzeptiert werden. Während die Exportwirtschaft 
Deutschlands Rekordgewinne zu Lasten sämtlicher europäischer 
Volkswirtschaften einfährt, sollen die Menschen vor Ort mit ihren 
Forderungen nicht die Dividenden der Aktionär_innen und die 
Geschäftsbilanzen gefährden. Durch Nationalismus wird zudem der Mythos 
eines “erfolgreichen Kollektivs” geschaffen, mit dessen Hilfe sich 
Arbeitskraft noch besser ausbeuten lässt. Denn wer an dieses 
“Deutschland” glaubt, darf mitfeiern, wenn verbal auf angeblich “faule 
Griech_innen und Spanier_innen” eingeschlagen wird. Dass sie aber 
jederzeit ebenso ihren Job, ihre soziale Identität verlieren könnten, 
vergessen sie nur allzu gerne in dieser nationalistsichen Nestwärme.
Armut ist schlussendlich keine Folge des einzelnen Missgeschicks, sondern das Ergebnis der brutalen gesellschaftlichen Ordnung.
Gemeinsam statt einsam,
 Solidarität statt Lohnkonkurrenz. Durch gemeinsame Organisierung gegen 
die Zustände können wir eine solidarische Gesellschaft schaffen. Damit 
soziale Armut auf den Misthaufen der Geschichte gehört.
“Working for the rat race, you know you’re wasting your time”(The Specials: “Rat Race”)
regelmäßige Termine von „Basta“ in der Schererstraße 8
Montags 19 Uhr: Basta Plenum
Mittwochs 10-13 Uhr: Beratung und Absprachen zur Begleitung zum Amt
Mittwoch 13-14 Uhr: gemeinsames Mittagessen, umsonst
Donnerstags 15-18 Uhr: Beratung und Absprachen zur Begleitung zum Amt
Mehr Informationen unter: walpurgisnacht.blogsport.eu & haendewegvomwedding.blogsport.eu

