Karlsruher Initiative verlangt Aufarbeitung der gegen Flüchtlingstour gerichteten Polizeiübergriffe. Ein Gespräch mit Petra Schwarz. Petra Schwarz ist Sprecherin der “Libertären Gruppe Karlsruhe”. Diese hat gemeinsam mit der “Initiative Grenzenlos” die Bustour der Flüchtlingsaktivisten in Karlsruhe vorbereitet.
Bereits seit mehreren Monaten protestieren Flüchtlinge bundesweit für die Abschaffung der Residenzpflicht, gegen ihre Unterbringung in Sammellagern und für ein umfassendes Bleiberecht. Hat sich die Situation in Baden-Württemberg durch die neue Landesregierung von Bündnis 90/Die Grünen und SPD zum Positiven geändert?
Geändert hat sich leider nicht viel, aber das haben wir auch nicht anders erwartet. Die Residenzpflicht, die es Asylsuchenden und Geduldeten verbietet, einen bestimmten Landkreis oder Regierungsbezirk zu verlassen, wurde zwar unter anderem in Baden-Württemberg gelockert, geduldeten Flüchtlingen können die Ausländerbehörden die Bewegungsfreiheit dennoch auf einen Landkreis oder sogar eine Stadt beschränken. Zudem ist die Lockerung der Residenzpflicht erst nach dem Ende der Unterbringung in der Landesaufnahmestelle (LASt) zulässig, und es dürfen keine erheblichen Verstöße gegen “Mitwirkungspflichten” im Asylverfahren vorliegen. Bei der Auslegung der fehlenden “Mitwirkungspflichten” und der damit einhergehenden “Bestrafung” der Asylbewerber sind jedoch der Willkür der Sachbearbeiter Tür und Tor geöffnet. Auch unter der “grün-roten” Koalition existieren die rassistischen Sondergesetze für Asylsuchende. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist weiterhin für Abschiebungen und die rigorose und strikte Anwendung der Ausländergesetze zuständig. Die bestimmenden Personen sind dort wie im Innenministerium dieselben geblieben.
Anfang diesen Monats führten Flüchtlinge, die in Berlin-Kreuzberg seit Oktober ein Protestcamp durchführen, eine “Refugees Revolution Bustour” durch und informierten in verschiedenen Städten – unter anderem in Karlsruhe und Köln – über ihre Situation. Nicht nur in Ihrer Stadt ging die anwesende Polizei mit massiver Gewalt gegen die Protestierer vor …
Hier in Karlsruhe schlugen die Beamten mit Teleskopschlagstöcken auf 
die Menschen ein, setzten Hunde ohne Maulkorb ein und griffen Fotografen
 an. Aus dem Hintergrund feuerte der Polizeibeamte Heck seine Kollegen 
mit den Worten “Haut fett drauf, haut drauf!” an. Resultat des Einsatzes
 waren mehrere Verletzte, von denen zwei Personen zur Behandlung ins 
Krankenhaus mußten. Während des Einsatzes stürzte der Rentner Dietrich 
Schulze, VVN/BdA-Kreisvorstand aus Karlsruhe, durch den Schlag eines 
Beamten zu Boden und war einige Minuten bewußtlos. Dies dementierte 
Fritz Bachholz, Pressesprecher der Polizei, in einem Interview gegenüber
 dem freien “Radio Querfunk”. Ebenso wies er die Vorwürfe gegen seinen 
Kollegen Heck zurück, da er den Vorfall auf den Polizeivideos nicht habe
 sehen können.
Hier zeigt sich ein immer wiederkehrendes Muster im 
Umgang der Polizei mit der eigenen, oft unrechtmäßigen Gewaltanwendung. 
Gegen die eigenen Kollegen ermittelt man natürlich nicht so eifrig, wie 
dies eine unabhängige Institution machen würde. Aus diesem Grund werden 
die meisten Verfahren gegen Polizisten eingestellt oder Anzeigen 
womöglich gar nicht erst aufgenommen. Im Gegenzug reagiert die Polizei, 
wie auch das Beispiel der Proteste an der LASt in Karlsruhe zeigt, 
gegenüber Fotografen oftmals sehr empfindlich und versucht, mit 
aggressivem Vorgehen die Bilder oder Filmaufnahmen zu beschlagnahmen 
oder gleich zu verhindern. Ein interessantes Detail ist sicherlich auch,
 daß am Tag der Polizeiangriffe auf die “Refugees’ Revolution Bus Tour” 
in Karlsruhe die “Wochen gegen Rassismus” eröffnet wurden. Natürlich ist
 es den Behörden oft ein Dorn im Auge, wenn sich Menschen selbständig 
für ihre Interessen einsetzen, also abseits der vorgesehenen Rahmen. 
Außerdem handeln die Behörden für ein System, das auf Ausgrenzung 
basiert. Daher ist es nicht verwunderlich, daß gerade auf 
Personengruppen mit wenig Rückhalt in der Gesellschaft eingeprügelt 
wird.
Welche Schritte planen Sie vor Ort, damit die Attacken aufgeklärt werden?
Wichtig war uns, schnell auf die Ereignisse vor der LASt zu 
reagieren. Wir haben es gemeinsam mit der “Initiative Grenzenlos” 
geschafft, etwa 100 Menschen zu mobilisieren, die am nächsten Tag in der
 Karlsruher Innenstadt gegen Polizeigewalt und für Solidarität mit 
Flüchtlingen demonstriert haben, in Berlin gingen drei Tage später 300 
Menschen auf die Straße. Außerdem sind wir mit einem Anwalt in Kontakt 
und prüfen, ob Anzeigen oder Dienstaufsichtsbeschwerden gegen 
Polizeibeamte
folgen werden.
Das Interview führte Markus Bernhardt, erschienen in der jungen Welt vom 25.3.13, Seite 3
Auf der Homepage der Libertäre Gruppe Karlsruhe gibt es einen Pressespiegel über die Ereignisse in Karlsruhe, weitere Infos gibt es bei der Initiative Grenzenlos.

