Außergewöhnliche Solidaritätsaktion im Vorfeld des 23. Februar. Auch Justiz stellt sich auf eine mögliche Auseinandersetzung ein.
Draußen,
 entlang der Kiehnlestraße, stehen Streifenwagen und Zivilfahrzeuge mit 
Pforzheimer, Calwer, Heidelberger und Mannheimer Kennzeichen. Ein 
rot-weißes Band mahnt: Ab 10 Uhr gesperrt für Einsatzfahrzeuge.
Drinnen
 tagen fünf Dutzend Polizeibeamte der Führungsebene aus dem gesamten 
Regierungsbezirk, besprechen die Einsatztaktik für den 23. Februar. Über
 1000 Kollegen mehrerer Dienststellen, auch der Bereitschafts- und der 
Bundespolizei, werden im Einsatz sein, um Auseinandersetzungen zwischen 
Rechts- und Linksextremisten zu verhindern (die PZ berichtete mehrfach).
 Im Lehrsaal mit angeschlossener Küche wird es in der Mittagspause 
Fleischkäse und Holzofenbrot geben.
Ein paar Zimmer weiter stehen 
fünf Männer in einem der Dienstzimmer des Staatsschutzes: Christoph 
Grosse (Pax Christi), Wolfgang Schulz (Wir in Pforzheim), Alexander 
Clauss und Holger Egger (an diesem Tag nicht in seiner Funktion als 
Personalratsvorsitzender des Landratsamts Enzkreis, sondern 
Privatperson, worauf er Wert legt) und Fritz Mathes (Die Linke). Bevor 
sie ihre Personalien angeben, werden sie belehrt . und dann stellen sie 
Selbstanzeige. Sie bezichtigen sich dessen, was die Staatsanwaltschaft 
nach der Anzeige des Rechtsanwalts des .Freundeskreises Ein Herz für 
Deutschland. (FHD) den Sprechern der .Initiative gegen Rechts., Rüdiger 
Jungkind und Kai Hoffmann, vorwirft: Aufruf zu einer Straftat und 
geplante Verhinderung einer genehmigten Versammlung. Darauf steht 
Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.
.Es ist ein Akt 
der Solidarität., sagt Egger, von dem die Initiative ausging. Der zweite
 WiP-Stadtrat, Christof Weisenbacher, und vier weitere Pforzheimer 
werden sich der Selbstanzeige anschließen. Sie wollen juristisch geklärt
 wissen, was daran strafbar sein soll, wenn sie zu friedlichem 
Widerstand gegen die Fackel-.Mahnwache. von Neonazis am 23. Februar auf 
dem Wartberg aufrufen . vom FHD schon mal vorsorglich angemeldet bis 
2020.
Egger wundert sich, weshalb der Flyer mit der Überschrift .Wo 
immer Ihr auftretet, werden wir Euch im Wege stehen. . gerichtet von 
Bundespräsident Joachim Gauck am 16. August in Rostock an die Adresse 
von Rechtsextremisten ., den man am vergangenen Samstag in der 
Fußgängerzone verteilte, einkassiert wurde. Nicht aber beim 
Neujahrsempfang der Stadt vor dem CongressCentrum. .Da hat sich noch 
niemand daran gestört., sagt Egger, .erst nach der Anzeige der Nazis..
Was ist erlaubt?
Staatsanwaltschaft
 und Polizei argumentieren, die Versammlungsfreiheit gelte auch für 
Rechtsextremisten, der Aufmarsch sei ebenso wenig verboten wie das 
Entzünden von Fackeln. Auch wenn man es nicht gerne sehe: Das Recht auf 
Meinungsfreiheit der Rechtsextremen müsse in einer Demokratie ebenfalls 
geschützt werden. Dem hält Schulz entgegen: .Faschismus ist ein 
Verbrechen an der Würde des Menschen  und keine Meinungsfreiheit..
Er
 und seine Mitstreiter setzten klar auf friedlichen Protest und würden, 
käme es zu Gewalt seitens Autonomer, dies am Samstag umgehend der 
Polizei melden. Im übrigen versteht Schulz die Wortwahl des Flyers nicht
 als Aufruf zur Blockade . sondern nur als .Überlegungen. zur Form des 
.zivilen Ungehorsams..
Nicht nur die Polizei, auch die Justiz 
bereitet sich auf einen heißen Nachmittag und Abend vor: Christoph 
Reichert, der Leitende Oberstaatsanwalt, wird sich in der 
Einsatz-Zentrale der Polizei aufhalten, eine Kollegin wird sich in 
Bereitschaft halten. Andreas Witulski, in der Hauptsache Vorsitzender 
des Jugenschöffengerichts, wird als Haftrichter sein 
Bereitschaftsdienst-Ende von 22 Uhr wohl auf Mitternacht ausdehnen 
müssen; weitere Richter halten sich telefonisch bereit, falls die Lage 
eskalieren und es zu Festnahmen oder gar Haftbefehlsanträgen kommen 
sollte.
Bunt statt braun
Nach den linken 
Gruppierungen im ganzen Südwesten haben nun auch die Grünen in 
Rheinstetten bei Karlsruhe entdeckt, dass am Samstag in Pforzheim Ärger 
droht. Man werde nachmittags mit der Bahn nach Pforzheim fahren, um sich
 Neonazis .in den Weg zu stellen.. Unter dem Motto .bunt statt braun. 
unterstützten die Grünen Aktivitäten gegen Rechtsextremismus in ganz 
Deutschland. Nach einem Pressegespräch im WiP-Fraktionszimmer des Neuen 
Rathauses eilte Wolfgang Schulz erneut zur Polizei, um Anzeige zu 
erstatten . diesmal nicht gegen sich selbst, sondern gegen Unbekannt 
wegen Sachbeschädigung: Plakatständer der .Initiative gegen Rechts. 
waren in der Innenstadt umgeworfen, Plakate, die auf die Kundgebung am 
Samstag um 15.30 Uhr hinweisen, heruntergerissen und beschädigt worden.
Olaf Lorch-Gerstenmaier
