[B] Prozesserklärung der Besetzer_innen der Bevernstraße 2

Squat

Am 18.01. fand in Moabit der erste Prozesstag gegen Besetzer_innen der Bevernstraße 2 statt. Die Besetzer_innen hatten eine Prozesserklärung vorbereitet, die vorgelesen wurde. Im Folgenden erst einmal nur die Prozesserklärung. Nachdem es einen zweiten Prozesstag geben wird, werden wir erst danach einen Prozessbericht schreiben.


Der nächste Termin ist am Freitag, den 25.01.13 um 11:15 Uhr, Turmstraße 91, Raum 671.

Kommt gerne vorbei.  

 

Prozesserklärung:

Vom Leerstand, von Zwangsräumungen und warum es nach wie vor wichtig ist, Häuser zu besetzen

 

Ein dreiviertel Jahr ist es her, dass die Bevernstraße 2 das zweite Mal besetzt wurde. Die Besetzer_innen wollten damals ihre Aktion im Kontext einer Kampagne gegen die kapitalistische Stadtumstrukturierung sehen, eines breiten Widerstands gegen Gentrifizierung, steigende Mieten und Verdrängung, in welchem Besetzungen nur als eine Widerstandsform unter vielen anderen verstanden werden sollte.

 

Besonders deutlich wird die kapitalistische Stadtumstrukturierung am Beispiel der 23 Häuser, die im Jahr 1994 vom Bezirk Kreuzberg an die damals noch städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW übergeben wurden. Als Bedingung für diese quasi-Schenkung wurde lediglich festgelegt, dass die Häuser innerhalb von 10 Jahren instand gesetzt werden müssten und nicht an Dritte weiter verkauft werden dürften. Mit der Privatisierung der GSW hatte sich diese allerdings aller ihr vertraglich auferlegten Verpflichtungen entledigt. Die kapitalistische Konsequenz: einige Häuser wurden aus spekulativen Gründen verrotten gelassen. In Anderen fanden Entmietungen statt, um Luxusmodernisierungen und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen vorzubereiten. Wenn überhaupt Mietwohnungen übrig blieben, so nur unter horrenden Mietsteigerungen.

 

Bereits wenige Jahre nach ihrer Privatisierung begann die GSW die ihr mittels Einbringungsvertrag übertragenen Häuser- wider alle vertraglichen Vereinbarungen - zu verkaufen, darunter auch das Filetstück "mit Spreeblick", die Bevernstraße 2. Unter welch regelrecht mafiösen Strukturen sich das vollzog, hatte eine Erklärung zu Anschlägen von autonomen Gruppen im letzten Jahr aufgedeckt. In dieser Erklärung kam heraus, dass über eine sogenannte Vorratsgesellschaft, die eine langwierige GmbH-Gründung verkürzen sollte, der Kauf des Hauses praktisch über Nacht ermöglicht wurde. Denn: es musste schnell gehen, die Öffentlichkeit sollte erst Wind davon bekommen, wenn der Kauf nicht mehr rückgängig zu machen wäre. Die Spekulant_innen schienen frei nach dem Motto zu handeln: man kennt sich und ist sich gegenseitig beim Profitmachen behilflich.

Und schnell sollte es auch weitergehen: kaum hatte die Entwicklungsgesellschaft Bevern GmbH das Haus für einen Spottpreis erstanden, veröffentlichte sie im Internet die Pläne für die Modernisierung des Hauses nebst Neubau eines Vorderhauses, der nur mit der Verdrängung der Mieter_innen des Seitenflügels zu realisieren wäre. Die waren über den Coup auch gar nicht erst informiert worden, erfuhren von den Plänen der Eigentümer_innen aus dem Netz. Zwar gab es zu dieser Zeit noch nicht einmal eine Baugenehmigung; das hielt die Eigentümer_innen aber nicht davon ab, die Wohnungen im Netz zum Verkauf anzubieten und das bei einem m²-Preis zwischen 3200 und 4600 Eu. Laut Einbringungsvertrag hätte in der Bevernstraße 2 nicht luxusmodernisiert werden dürfen; laut Einbringungsvertrag hätten die Wohnungen ohne Einverständnis der Mieter_innen nicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen.

Nachdem eine erste Besetzung all dies aufgedeckt hatte, sprang das Bezirksamt Kreuzberg mit seinem Bürgermeister Schulz den in die Schlagzeilen geratenen Spekulant_innen helfend zur Seite und erteilte schleunigst eine Baugenehmigung, obwohl, wie gesagt, das Haus gar nicht hätte luxusmodernisiert, geschweige denn verkauft werden dürfen. Die Privatisierung der GSW aber hatte ja alles wieder ins kapitalistische Lot gebracht. Und so lässt sich sagen: alle Schweinereien waren vollkommen legal und das Bezirksamt nebst Schulz hatte brav mitgespielt.

Was die Besetzungen der Bevernstraße 2 aber auch aufgedeckt hatten, waren nicht nur die Schikanen, unter denen die Mieter_innen nach dem Verkauf des Hauses zu leiden hatten. Eine zentrale Forderung der Besetzer_innen an die Hauseigentümer_innen war vor allem, dass das Haus vom Schimmel befreit werden sollte, der mittlerweile lebensbedrohliche Auswüchse angenommen hatte. Erst letztes Jahr war ein älterer Mieter verstorben, dem aufgrund seiner Krebserkrankung von ärztlicher Seite angeraten worden war, sich schleunigst eine andere Wohnung zu suchen, da vom Schimmel in seiner Wohnung die Krankheit nur noch beschleunigt werden würde.

 

Über die Hälfte des Hauses Bevernstraße 2 stand in den letzten Jahren leer und da erging es dem Haus ähnlich wie anderen der 23 an die GSW verschenkten Häuser: der Manteuffelstraße 7 etwa, oder der Wiener Straße 13, der Schlesischen Straße 25 oder der Wilhelmstraße 7 etc.. Um die leeren Wohnungen einfach zu nutzen, waren immer wieder Wohnungen in diesen Häusern von Obdachlosen still besetzt worden; neben der Bevernstraße 2 auch in der Manteuffelstraße 7. Alle wurden sie polizeilich oder mit der Drohung, die Polizei zu holen geräumt. Das Widerwärtigste Beispiel an polizeilich durchgesetztem Hausfrieden ist die Schlesische Straße 25. Nach jahrelangem Leerstand fast des ganzen Hauses wurde es 2011 zweimal besetzt und zweimal von der Polizei, und dies teilweise aufs brutalste geräumt. Seither war es aus spekulativen Gründen zweimal verkauft worden: leer steht es aber immer noch, bis auf den Wachschutz, der bisweilen drin herumlungert und dafür bezahlt wird, dass das Haus auch auf jeden Fall leer bleibt und die teilweise wunderschönen Wohnungen nicht genutzt werden. Die vollmundigen Sprüche von Schulz, wiederholt bei mehreren sogenannten Runden Tischen im Wrangelkiez, er werde sich darum kümmern, zeigten doch nur seine Ohnmacht: das Haus verrottet weiter.

 

Sinnlos ist es für HartzIV-Bezieher_innen, und die verbliebenen Mieter_innen der Bevernstraße 2 sind HartzIV-Bezieher_innen, nach einer Wohnung in Kreuzberg und den umliegenden Bezirken zu suchen. Wenn tatsächlich und das ist fast ausgeschlossen, eine Wohnung gefunden wird, muss erst einmal vom Jobcenter die Genehmigung für den Umzug in die neue Wohnung eingeholt werden. Wenn dann die Genehmigung vorliegt, ist die Wohnung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weg. Drei der vier noch verbliebenen Mietparteien haben noch immer keine Wohnung, obwohl der Bau des Vorderhauses längst begonnen hat und sie auf der Mondlandschaft einer Baustelle hausen. Einer Mietpartei wurde eine Wohnung der GSW angeboten, aber eigentlich nicht direkt von der GSW, die hat das Haus, in das die Mieter_innen ende Januar einziehen, selber nur gemietet oder gepachtet. Das klingt nach einem neuen Trick der Wohnungsbaugesellschaft; denn einerseits haben die Mieter_innen einen unbefristeten Mietvertrag, andererseits braucht sich die GSW ja nur aus ihrem Vertrag mit der GAGFAH, der das Haus tatsächlich gehört zurückziehen oder aus Gefälligkeit von der GAGFAH verabschiedet zu werden und dann sitzen die Mieter_innen auf der Straße.

*So werden alle Mieter_innen der Bevernstraße 2, wenn sich nicht grundsätzlich etwas ändert, nicht mehr lange in Kreuzberg leben und wohnen können, weil sie die Mieten nicht bezahlen können oder das Amt die Mieten nicht übernimmt.

Die Besetzung der Bevernstraße 2 zeigte wieder einmal aufs Neue auf, dass der sogenannte Rechtsstaat der Politik nur Handlungsmöglichkeiten übrig lässt, die sich an der Verwertung und am Profit orientieren. Das heißt, dass wir uns auf keine Politik verlassen dürfen und keinem Gericht vertrauen sollten. Das heißt ganz praktisch: die Lösung unserer Probleme müssen wir schon selbst in die Hand nehmen. Ob auch bei dem Prozess heute vor dem Amtsgericht Tiergarten der Satz eines Mieters, der von einer Zwangsräumung bedroht ist, gilt „Nicht wir haben das Recht verlassen, sondern das Recht hat uns verlassen.“ wird sich zeigen.

 

Eines aber ist klar:

Solange es Privateigentum an Wohnraum gibt, wird es Zwangsräumungen geben.

Solange es Privateigentum an Wohnraum gibt, wird es Kämpfe um Aneignung von Wohnraum geben.

Solange es Privateigentum an Wohnraum gibt, muss es Haus- und Wohnungsbesetzungen geben.