Randale beim Landkreis Celle - Verfassungsschutz beobachtet: Niedersachsen im Fokus militanter Tierschützer

Erstveröffentlicht: 
17.01.2013

Osnabrück. Jeder zweite beantragte Stallplatz in Deutschland für Schweine oder Masthähnchen ist in den vergangenen drei Jahren auf Niedersachsen entfallen. Doch nicht nur die Stallbauten boomen, auch der Protest dagegen wächst. Laut Verfassungsschutz stellt Niedersachsen einen der Schwerpunkte von Aktionen militanter Tierschützer dar.

 

Von Dirk Fisser und Fabian Löhe

 

Jüngstes Beispiel ist das Bauamt des Landkreises Celle . Dort randalierten jetzt selbst ernannte Tierbefreiungsaktivisten. Laut Amtsleiter Reinhard Toboll verteilten vier bis fünf Personen Tausende Papierschnipsel mit Aufdrucken wie „Hier wird lebenslange Gefangenschaft genehmigt“ auf den Fluren der Behörde. Der Hintergrund für den Protest: Im Kreis Celle liegt die Gemeinde Wietze, Standort des umstrittenen Megaschlachthofs der emsländischen Rothkötter-Gruppe . Seit Langem sieht sich die Verwaltung massiver Kritik wegen der Genehmigung des Baus ausgesetzt.

 

Auf einem Blog im Internet haben die Aktivisten die Tat im Bauamt dokumentiert. Sie werfen der Verwaltung vor, Gegner der Massentierhaltung zu kriminalisieren. Im Vorfeld waren in den Räumlichkeiten der Behörde Anhörungen zu Stallneubauten eskaliert. Eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs folgte.

Auf derselben Internetseite wird auch auf das Bekennerschreiben nach den Brandanschlägen auf drei leere Mastställe im emsländischen Klein Fullen verwiesen. Laut Polizeisprecher Achim van Remmerden haben die Ermittler trotz der Selbstbezichtigung noch keine Spur von den Tätern. Die Ställe waren in der Nacht zum 22. November in Flammen aufgegangen . Geschätzter Schaden: über eine Million Euro.

 

Mittlerweile stehen einzelne Gruppen aus dem Bereich der militanten Tierschützer unter Beobachtung des Verfassungsschutzes Niedersachsen. Präsident Hans-Werner Wargel erklärte unserer Zeitung: „Bei Teilen sind extremistische Bestrebungen zu erkennen.“ Der Verfassungsschutz beobachte Gruppierungen dann, wenn sie mit ihren Aktionen zugleich verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgten. Das sei in diesem Fall gegeben, denn nicht nur die Massentierhaltung, sondern das „gesamte System“ werde abgelehnt.

 

Nach Auskunft des Geheimdienstes stelle Niedersachsen in den vergangenen Jahren einen Schwerpunkt für Aktionen militanter Tierrechtler dar. Dies spiegele sich bei den Straftaten im Themenfeld Tierschutz, Tierrecht und Jagd wider. In den Jahren 2009 und 2010 sei je etwa ein Viertel aller dem Bundeskriminalamt gemeldeten Taten in Niedersachsen begangen worden.

 

Derweil liegen unserer Zeitungen Berechnungen der Grünen-Bundestagsfraktion vor, die zeigen: 49,1 Prozent der knapp 2,5 Millionen in Deutschland beantragten Schweineplätze und 55,7 Prozent der knapp 40 Millionen Masthähnchenplätze entfallen auf Niedersachsen.

 

Grünen-Bundestagsfraktionsvize Bärbel Höhn kritisierte: „Deutsches Billigfleisch verdrängt in Drittländern die heimische, lokale Produktion.“ Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Dorothea Steiner, sagte: „Wer Gülleseen, Antibiotikamissbrauch und die Ausbreitung gefährlicher multiresistenter Keime stoppen will, muss der Expansion von Tierfabriken ein Ende setzen.“