[Wien] Bericht Silvester zum Häfn Demonstration

Sivester zum Knast

In Madrid, Seattle, Stuttgart, Helsinki, La Plata, Sydney, London, Nantes, Bergamo...  [1] gibt es jährlich zu Silvester Demonstrationen vor die Häfn, dieses Jahr seit langer Zeit auch wieder in Wien. Relativ abgelegen im 11. Wiener Gemeindebezirk befindet sich die Justizanstalt (JA) Simmering, zu der am Silvesterabend zu einer "Kundgebung mit Punsch, Essen, Lesung uvm." für 18 Uhr aufgerufen wurde. [2]

 

Die Stadt war übersät mit Plakaten, vor allem rund um den Häfn Simmering; auf Flyern an vielen Orten, bei einer Informationsveranstaltung, und des öfteren in Radiosendungen waren der Aufruf präsent.
Im Laufe des Abends vom 31.12. versammelten sich rund 60 Knastgegner_innen vor dem fünftgrößten Häfn in Österreich, um mit den Gefangenen den Silvesterabend zu verbringen und die Isolation dieser repressiven Häfnmaschinerie zu durchbrechen.

ANFANGS BEIM GELOCKERTEN VOLLZUG
Am Anfang sammelten sich Leute vor den Mauern des gelockerten Vollzugstraktes, es war Ihnen aufgrund der Nähe zum Versammlungsplatz relativ einfach möglich Kontakt mit einigen Eingesperrten aufzunehmen. "Wir sind da, um mit euch Silvester zu feiern" war von seiten der Kundgebungsteilnehmer_innen zu hören. Die Reaktionen der Häfnbrüder, in der JA Simmering sind seit der Gründung nur Männer inhaftiert, waren teils skeptisch bis euphorisch. Sie fragten nach Musik, maulten gemeinsam mit den vor den Mauern Anwesenden über die Kiwarei ("A.C.A.B. - All Cops...") - brachten aber auch einigen sexistischen Blödsinn vor. Die Stimmung unter den bis dahin wenigen Knast-Gegner_innen war anfangs noch etwas mau.
(Erwähnt sei das die Verbindung zum Simmeringer Häfn mit öffentlichen Verkehrsmitteln größtenteils katastrophal ist, die Fahrzeiten von manchen Bezirk über 2 Stunden beträgt, und wohl aufgrund dessen viele viel zu spät oder anscheinend auch überhaupt nicht zur Kundgebung kamen.)
Es wurde mit dem Lautsprecherwagen anfangs noch Richtung anliegendem Park herumgekurvt; teilweise waren schon Sprech-Chöre wie "Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen" und "Freiheit - für alle - für alle - Gefang-en-en" zu hören; es wurden emsig Böller geschossen, aber so richtig kämpferisch wurde es erst später, als gegen 19 Uhr die versammelte Menge anwuchs, die Verstärker-Anlage am Start war, die Gefangenen vom geschlossenen Vollzug von der Aktion Wind bekommen hatten und immer wieder imposant leuchtende Feuerwerks-Raketen über die Stacheldrahtmauern Richtung Häfn fliegen und explodieren sahen und hörten.

IM PARK VOR DER "GSCHLOSSENEN"
Im Gegensatz zum gelockerten Vollzugs liegt das 1994-1999 neu gebaute Gebäude des geschlossenen Vollzugs hinter höheren und weiter entfernteren Mauern mit Stacheldraht. Die Fenster haben Gitter, die Gefangenen dürfen sich innerhalb des Knast´s nur zur beschissen bezahlten Arbeit (~ 1€/h z.B. für das Einschlichten von "Jolly"-Filzstiften in Boxen) und zum Hofgang aus ihren Zellen bewegen, und verbüßen dort durchschnittlich Haftstrafen bis zu 10 Jahren; manchmal auch lebenslänglich, manchmal auch U-Haftstrafen. Wie üblich ist auch die JA Simmering mit ihren rund 500 Inhaftierten wie die meisten anderen österreichischen Gefängnisse mit ca. 115% chronisch überbelegt.
Mittlerweile gab es schon nichtalkoholischen Punsch, veganes Gulasch und einen zweiten Polizeiwagen der die Anti-Knast-Meute im Park unaufgeregt im Auge hielt. Dem Wunsch der Eingesperrten nach einem Megaphon konnte mit der Verstärkeranlage endlich entgegengekommen werden - über ihr wurden neben spontanen Solidaritätsbekundungen und Redebeiträgen kämpferische Anti-Knast-Lieder gespielt.

REAKTIONEN DER GEFANGENEN
Es konnten aufgrund der Entfernung und Dunkelheit nur schemenhaft die Gesichter der Leute hinter den Gittern erkannt werden, kommuniziert wurde über den Mikro-Lauti und beherzten Schreiaktionen.
Auf die Frage wie es Ihnen denn geht, kam von "Guat" bis "Oasch" unterschiedliches zurück.
Die im Park hängenden Transparente ("Freiheit für alle", "Der Staat ist die einzige kriminelle Organisation") waren für die Eingesperrten leider nicht besonders gut lesbar.
Nichts desto trotz kam immer bessere Stimmung auf, viele Leute öffneten die Fenster ihrer Zellen; meist interessiert, bestimmt aber neugierig um die Feuerwerke, Sprechchöre und die vor allem für sie verlesenen Texte hören zu können.
Nach einer Begrüßungsbotschaft, einigen Begrüßungssprechchören (wie "No justice, no peace - no prison, no police", "1 - 2 - 3, lasst die Leute frei, 4 - 5 - 6, sonst komm ma mit der Flex", "Gebt den Richtern die Knäste zurück - Stein für Stein, Stück für Stück", "Power durch die Mauer, bis jede Mauer fällt"), Begrüßungsfeuerwerken, Gejohle und Jubelgeschrei wurden mehr als ein halbes duzend Redebeiträge, vorwiegend Briefe von Gefangenen, verlesen.

AKTIONEN DER GEFANGENEN UND REDEBEITRÄGE
Es waren anfangs ein längerer anarchistischer Texte; Erlebnisberichte von Gefangenen - u.a. über verschiedene repressive und rassistische Polizei-Operationen (wie etwa die "Operation Spring") ; etwas zur Geschichte des Simmeringer Häfn´s, ein offener Briefwechsel zwischen Eingesperrten; ein mit einem Literaturpreis ausgezeichneter offener Brief aus dem Knast; deutsch- und auch englischsprachige Redebeiträge zu hören. Deren langes und leises Zuhören, folgten jeweils lauter Applaus und Jubel beiderseiten - drinnen wie draussen.
Zwischendurch, und am Ende der Kundgebung massiver, wurden Feuerwerkskörper, Rauchbomben und Bengalos gezündet, es waren immer wieder Jubelschreie von "drinnen" zu hören, winkende Hände zu sehen - und einige Male brannte Zeux das die Leute im Häfn vor ihren Fenstern anzündeten - und das die Fassade des Häfns zum leuchten brachte.


Gegen 20 Uhr 30 verabschiedete sich die durchwegs schwarz gekleidete Meute mit einer Spontantdemo um den Häfn, und u.a. mit der Parole "Heute ist nicht aller Tage, wir kommen wieder, keine Frage!"

 

Ergänzungen vor allem bezüglich der vorgebrachten Redebeiträge wären super!

 

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NACHSATZ

Etliche Meter von der Kundgebung im Park entfernt konnten einige Personen beobachtet werden, die zu einer anderen  Aussenfassade des Häfn´s hin über eine längeren Zeitraum hinweg Feuerwerkskörper zündeten, und so anscheinend ihre(n) Bekannten oder Verwandten hinter Gittern spüren haben lassen, das er/(sie) Silvester nicht isoliert verbringen muß.


Außer der Demonstration und dieser individuellen Aktion hinaus gibt es zahlreiche Möglichkeiten Solidarität mit Gefangenen zu zeigen, und für ein Ende aller Knäste und unterdrückenden Herrschaftsformen weltweit zu kämpfen!

(z.B. gibt es die Möglichkeit Gefangenen Briefe zu schreiben wenn Sie das wollen, eine ausführliche Anleitung "Wie schreibe ich Gefangenen" ist hier bei no-racism.net zu finden. Auf der Homepage des anarchistischen Anti-Knast-Kollektivs "Anarchist Black Cross Berlin" ist eine Liste von Gefangenen in Häfn an vielen Orten - Japan, Deutschland, Portugal, USA... - zu finden. /// Es gibt vielfältige Möglichkeiten sich über Häfn, (Staats-)Repression und dergleichen zu informieren und auszutauschen: "Sägeblatt – anarchistischer Newsletter zu Repression, Solidarität, Gefangenen und ihren Kämpfen"  , das Anti-Knast-Info Magazin "Entfesselt" , bei Informationsveranstaltungen in deiner Stadt; außerdem gibt es zahlreiche (Internet-) Projekte mit Webpräsenz - hier eine Linkliste von ABC Wien  /// Repression frisst viel Geld, Zeit und Energie von direkten Unterstützer_innen - organisiert Geldaufstell-Veranstaltungen für Anwält_innenkosten, macht Solidaritätsaktionen und -bekundungen um eure Unterstützung über Grenzen hinweg zu zeigen und engagiert euch nach Möglichkeit in lokalen Gruppen.)

 

[1] zwei unvollständige Listen zu Anti-Knast Aktionen und Demonstrationen zu Sylvester 2011 und 2012 sind hier und hier zu finden

 

[2] Ein Ausschnitt des Plakats und der Aufruftext auf der Homepage von ANARCHIST BLACK CROSS WIEN http://www.abc-wien.net/?p=563 sowie die Ankündigung auf linksunten mit dem Aufruftext der deutsch- und englischsprachigen Flyer hier