Alexandra Kurth, Expertin für Burschenschaften, meint, dass die Bundesregierung auf dem rechten Auge blind ist. Denn viele Burschenschaften vertreten ganz offen völkisch-rassistische Positionen.
Frau Kurth, wie kommen Sie als Frau dazu, über traditionelle Männerbünde zu promovieren?
 Ich habe in Marburg studiert, wo die Verbindungsszene groß und, anders als in Stuttgart, im Stadtbild sehr präsent ist. 
 
 Einige Bünde der Deutschen Burschenschaft sind ultrarechts. 
Christian Becker, der die Initiative Burschenschafter gegen Neonazis 
gegründet hat, schätzt, dass 1500 Mitglieder des Verbandes extrem rechts
 anzusiedeln sind. Wie realistisch ist diese Zahl?
 Das ist schwierig zu quantifizieren. Klar ist jedoch, dass die 42 Bünde
 der Deutschen Burschenschaft, die zugleich der Burschenschaftlichen 
Gemeinschaft angehören, den Kern der extrem Rechten bilden. Sie 
vertreten ganz offiziell völkisch-rassistische Positionen und besetzen 
viele wichtige Positionen im Dachverband. 
 
 Die Bundesregierung hält den Dachverband für eine „demokratische Studentenorganisation“. . . 
 Bei Feuerwehren oder Sportverbänden ist die Sensibilität mittlerweile 
groß, aber bei den Burschenschaften ist man auf dem rechten Auge blind –
 wahrscheinlich auch aus politischer Opportunität, weil zahlreiche 
Politiker Alte Herren sind. Aber wie viele Anhaltspunkte braucht man 
noch für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz? Seit der 
Satzungsänderung im Jahr 1971, als der volkstumsbezogene 
Vaterlandsbegriff in die Grundsätze verankert wurde, hat sich die 
Deutsche Burschenschaft kontinuierlich nach rechts entwickelt. 
 
 Warum verlassen die liberaleren Bünde nicht einfach den 
Verband? Sie könnten sich den ganzen Ärger mit dem rechten Rand doch 
sparen.
 Der Hauptgrund dürfte die Traditionsverbundenheit sein, unter dem 
jetzigen Namen besteht der Dachverband seit 100 Jahren. Viele Mitglieder
 haben auch kein Problem damit, wenn innerhalb des Verbandes 
rechtsextreme Positionen vertreten werden, solange das nicht an die 
Öffentlichkeit gelangt. Sie sehen das als Teil eines Pluralismus und als
 private Meinungsäußerung, was natürlich Blödsinn ist. Allerdings ist 
der öffentliche Druck nun so groß, dass die Mitglieder beim Burschentag 
in Stuttgart nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren können. 
 
 Eine zentrale Figur in der Auseinandersetzung ist der wegen 
rechtsextremer Ausfälle umstrittene Norbert Weidner, der in Eisenach als
 ‚Schriftleiter‘ der Burschenschaftlichen Blätter bestätigt wurde. Haben
 dabei persönliche Beziehungen den Ausschlag gegeben, wie manche 
Burschenschafter behaupten?
 Es handelt sich doch um kein Kaffeekränzchen, sondern eine politische 
Organisation! Insofern spiegelt das Abstimmungsergebnis schon das 
politische Kräfteverhältnis im Verband wider. Und die Personalie wird 
auch in Stuttgart eine große Rolle spielen, wenn es um die Zukunft des 
Verbandes geht. 
 
 Rechnen Sie mit einer Spaltung des Verbandes? 
 Schwer zu sagen. Die Burschenschaftliche Gemeinschaft appelliert 
einerseits an alle, die Einheit der burschenschaftlichen Bewegung zu 
erhalten, andererseits kritisiert sie die Reformer ganz direkt. 
