Die nordfranzösische Hafenstadt Calais dient als Transitstation vieler Hundert Flüchtlinge, die sich quer durch Europa mit dem Ziel Großbritannien bewegen. Sie halten sich "illegal" in Europa auf und müssen sich deswegen durch das Sicherheitsnetz der britischen Grenzkontrollen schmuggeln. So schleichen sie sich Nacht für Nacht auf LKWs und Züge, in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden. Bis dieser Versuch jedoch gelingt vergehen oft mehrere Monate, während denen die Flüchtenden starker Polizeirepression ausgesetzt sind.
Seit zwei Tagen ist in Calais die Hölle los: Die Polizei räumt alle Plätze der Sans-Papiers und läßt sie auch nicht mehr zurückkommen. Es regnet ununterbrochen und die Sans-Papiers wissen nicht, wo sie unterkommen können.
Es werden dringend Decken und Zelte in Calais benötigt!
Am 25. September wurden die Menschen, die in der Essensausgabe geschlafen hatten um 6 Uhr morgens von der Polizei rausgeschmissen, in den Regen. Ungefähr 50 Personen wurden verhaftet. Die Schlafsäcke und Decken, welche erst zwei Tage vorher von Médécins du Monde ausgeteilt worden waren, wurden weggeschmissen. Die meisten Verhafteten wurden im Laufe des Tages wieder freigelassen, aber einige sind immer noch im Abschiebeknast.
Abends nach der Essensausgaben wurden neue Decken ausgeteilt. Danach wurde gemeinsam entschieden, gegen die Räumung am Morgen mit einer Straßenblockade zu protestieren. Um die Hundert Personen standen und saßen auf der Straße und blockierten den Verkehr, der zum Hafen führt. Mit Hilfe von Plastikplanen wurden auf die Schnelle Zelte auf der Straße aufgestellt. Auf Karton wurden Slogans wie „Wo sind unsere Menschenrechte?“ und „Wir sind nicht kriminell“ geschrieben. Die Atmosphäre während der Blockade glich einer Party. Es wurde getanzt und gesungen. Es war viel Polizei anwesend – Police Nationale, Police aux Frontières, BAC – doch sie standen nur da und beobachteten das Geschehen über Stunden hinweg aus der Ferne. Dann begann ein Gewitter mit sehr starkem Regen, doch auch der konnte die Menschen nicht von der Straße vertreiben. Erst als es komplett dunkel war, verteilten sich die Sans-Papiers auf der Suche nach einem Schlafplatz für die Nacht.
Am Morgen des 26.09. kam die Polizei erneut um 6:30 morgens mit einem riesigen Aufgebot. Sie räumten das gesamte Gelände in und um die Essensausgabe und nahmen alle Sans-Papiers fest. Die Schlafenden wurden dadurch aufgeweckt, dass die Zeltplanen über ihren Köpfen aufgeschnitten wurden. Es war ein sehr kalter Morgen und die Polizist*innen schienen sich darüber zu amüsieren, so viele zitternde, in Decken gewickelte Menschen vor sich zu haben.
Am Morgen des 27.09. besuchte die Polizeit das eritreische Squat (besetzte Haus), in dem 16 Menschen leben. Ihnen wurde mitgeteilt, dass sie das Haus mitsamt all ihren Sachen verlassen sollten, weil das Haus bald geschlossen werden soll. Somit wird auch hier eine Räumung in den nächsten Tagen erwartet.
Bei dem Versuch, einen Schlafplatz auf dem Gelände der Essensausgabe zu finden, trafen in der letzten Nacht alle auf Polizei, die auf dem gegenüberliegenden Parkplatz wartete. Viele Sans-Papiers konnten keinen Schlafplatz finden und liefen die ganze Nacht im Regen herum.
Im Moment befinden sich vier Kinder unter 10 Jahren in Calais auf der Straße. In den letzten Tagen wurden 16 Minderjährige verhaftet. Ein Minderjähriger befindet sich immernoch auf der Polizeistation, weil die Polizei nicht glauben möchte, dass er unter 18 ist. Der Abschiebeknast in Coquelle ist im Moment sehr voll. Bis zu fünf Personen teilen sich ein Zimmer. Die Inhaftieren klagen weiterhin über schlechte Bedingungen, schlechtes Essen und rassistisches Verhalten der Polizei.
Calais scheint momentan wie ein schlechter Witz – konstanter Regen und alltägliche Räumungen machen die Tage sehr lang und ungemütlich! Die Menschen wissen nicht wohin, nirgends ist es sicher, nirgends ist es trocken. Alle sind müde.
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