Vom 1. Oktober an wird es ernst

Erstveröffentlicht: 
27.09.2012

Rund 20 Umweltaktivisten rüsten sich im vom Tagebau bedrohten Hambacher Forst für die kalte Jahreszeit. Dafür bauen sie ein Haus aus Strohballen und Holzbalken. Ihnen droht jedoch die Räumung des Waldes durch die Polizei. Von Wilfried Meisen

 

Kerpen/Elsdorf. 

Kurt (25) schüttelt gerade Sand in einem Sieb, Tanja (24) stampft daneben Lehm in einem Bottich mit den nackten Füßen weich.

 

Zusammen ergibt das einen guten Putz für das dreistöckige Haus aus Strohballen und Holzbalken, das die Waldbesetzer im Hambacher Forst errichten. Es soll winterfest gemacht werden und noch einen Ofen erhalten: Die rund 20 Umweltaktivisten rüsten sich für die kalte Jahreszeit – und für die ab Oktober drohende Räumung des Waldes durch die Polizei. Seit Mitte April haben sie den vom Tagebau Hambach bedrohten Wald bei Kerpen-Buir im Rhein-Erft-Kreis besetzt. Unter den Augen des Werksschutzes des bergbautreibenden RWE-Konzerns und der Polizei wurden am Boden und in den Baumkronen Häuser und Plattformen errichtet. Sie wollen so gegen die „klimaschädigende Braunkohleverstromung“ protestieren, „RWE stoppen“ und den uralten Hambacher Wald vor der Abholzung retten.

 

5500 Hektar Wald werden gerodet

 

Der Tagebau Hambach des RWE liegt im Kreis Düren und im Rhein-Erft-Kreis. Er ist mit einer Abbaufläche von rund 8500 Hektar der größte in Deutschland. Etwa 40 Millionen Tonnen Braunkohle werden dort im Jahr gefördert und dann zur Stromerzeugung verfeuert. Rund 5500 Hektar Wald müssen für ihn gerodet werden. Gegen den Tagebau gibt es seit Jahren Protest von Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen. (wm)

 

Vom 1. Oktober an wird es ernst: Dann läuft der Vogelschutz aus, es dürfen wieder Bäume gefällt werden. Will RWE den Tagebau weiter planmäßig fortführen, muss das besetzte Waldstück, das nur wenige hundert Meter von der Tagebaukante entfernt liegt, geräumt werden. Wann es so weit sein wird, ist noch offen. Die Polizei im Rhein-Erft-Kreis hat bislang noch keinen Räumungsantrag gestellt. Waldbesetzer Andreas aus Rostock scheint jedenfalls keine Angst vor einer Polizeiaktion zu haben: „Es kann jeden Tag passieren, wir haben unsere Vorkehrungen getroffen.“ So sind die fünf Plattformen und zwei Holzhäuser in den Bäumen über viele Meter wie im Klettergarten mit Seilen verbunden. In die Baumwipfel wollen die Waldbesetzer fliehen, wenn das erwartete Sonderkommando der Polizei kommt. Mit Hilfe der Seile können sie von Baum zu Baum wechseln und so die Räumung erschweren. Auch haben sie schon einen Graben vor dem Camp ausgehoben, damit keine Fahrzeuge mit Hebebühnen herangefahren werden können.

 

Kurt kommt aus München. Er hat von einem Freund von der Waldbesetzung gehört. „Da bin ich hierhergekommen“, erzählt der Heilerziehungspfleger mit den langen Dreadlocks. „Die nächsten Monate habe ich nichts vor.“ Tanja stammt aus Finnland. Sie erfuhr über das linke Internet-Portal „Indymedia“ von der Waldbesetzung, die „cool“ sei. Um dabei zu sein, hat sie ihr Studium der Sozial- und Kulturanthropologie in Helsinki unterbrochen. Doch für die nächsten Wochen und Monate erhoffen sich die Waldbesetzer via Internet noch mehr Unterstützung. Ab dem 1. Oktober startet die Kampagne „Hambacher Forst 180“ für die Zeit bis 31. März 2013, in der eine Rodung erlaubt ist. Die Waldbesetzer erfahren auch von organisierten Naturschützern Solidarität: So hat die BUND-Jugend ihr Landestreffen im Camp abgehalten.