Prozessauftakt
Er soll auf einem Parkplatz bei Riegel in eine Menschengruppe gefahren sein – mit voller Absicht: Das wirft die Staatsanwaltschaft einem Rechtsextremen aus der Ortenau vor. Am Montag beginnt der Prozess.
Von Montag an muss sich ein polizeibekannter Neonazi aus der Ortenau vor
 dem Landgericht für einen Angriff auf einen jungen Gewerkschafter 
verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann versuchten Totschlag
 vor. Er soll im Oktober in Riegel mit voller Absicht in eine 
Menschengruppe gefahren sein.
Die Staatsanwaltschaft Freiburg wirft dem selbständigen 
Versicherungsvertreter Florian S. versuchten Totschlag in drei Fällen in
 Verbindung mit einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr und 
gefährlicher Körperverletzung vor. Er war am Abend des 1. Oktober 2011 
als eine Art "Schleuser" für auswärtige Teilnehmer einer geheimen Neonazi-Party am Kaiserstuhl
 auf dem Pendlerparkplatz nahe der Autobahn A5 postiert. Als sich ihm um
 19.15 Uhr auf der Straße vor dem Parkplatz eine Gruppe von fünf 
teilweise vermummten Menschen näherten, fuhr er mit Vollgas auf die als 
Gegner ausgemachte Gruppe zu. Ein Mann wurde von dem Pkw erfasst und 
schwer verletzt.
Drei geschädigte beziehungsweise bedrohte Antifaschisten treten als 
Nebenkläger auf, darunter der damals schwer Verletzte. Das Schwurgericht
 unter Vorsitz von Richterin Eva Kleine-Cosack hat neun 
Verhandlungstermine festgelegt und eine große Anzahl von Zeugen und 
Sachverständigen geladen. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten zunächst
 auch Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten jungen Leute aus dem 
Umfeld der "Antifaschistischen Linken" wegen Nötigung eingeleitet, diese
 wurden jedoch – zum Teil gegen Geldauflagen – eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft glaubt nach umfassenden Ermittlungen und 
Gutachten, dass der zur Tatzeit 29 Jahre alte Neonazi mit seinem Auto 
bewusst dazu angesetzt habe, Menschen zu verletzen. Er habe gar deren 
Tod in Kauf genommen. Es habe keine zwingende Notwehrsituation 
vorgelegen, der Angeklagte habe vorsätzlich die Konfrontation mit den 
ihm verhassten Gegnern gesucht.
Der jetzt in Freiburg Angeklagte hat mehrfach Zeugnisse von 
Gewaltbereitschaft abgelegt, er ist vom Amtsgericht Offenburg wegen 
gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und wegen übler 
Nachrede verurteilt worden. Die Tat in Riegel beging der erfolglose 
NPD-Landtagskandidat noch in der Bewährungszeit, zu der die 
siebenmonatige Freiheitsstrafe ausgesetzt war. Derzeit sind in Offenburg
 zwei weitere Verfahren gegen ihn anhängig wegen Volksverhetzung per 
Internet und erneuten Zeigens von Nazisymbolen. In einem Internetforum 
hatte er geäußert, er warte nur drauf, mal einen Angreifer "die Klinge 
fressen" zu lassen, in einem Hetzlied auf Youtube wollte er "den Jud’ 
vom Fahrrad" holen.
Der Prozess über die gefährliche Attacke in Riegel wird von der linken 
und antifaschistischen Szene mit Argwohn und Misstrauen verfolgt. Ein 
"Solibündnis Riegel" will am Sonntag in Freiburg unangemeldet 
demonstrieren und den Prozess "beobachten". Zudem werden unbewiesene 
Gerüchte gestreut, der beschuldigte wolle sich der Polizei andienen und 
in das Aussteigerprogramm aufgenommen werden. Inzwischen hat der 
Angeklagte seinen Anwalt gewechselt: Er wird nicht länger von der 
ehemaligen stellvertretenden NPD-Kreisvorsitzenden von Jena, Nicole 
Schneiders, vertreten – sondern von einem angesehenen Freiburger Anwalt 
als Pflichtverteidiger.
