"Heute gelten wir als Exoten": Die Cartellversammlung der katholischen Studentenverbindungen bringt rund 2000 Aktive und Alte Herren nach Freiburg.
Traditionsgemäß beteiligen sich die katholischen Studentenverbindungen am Fronleichnamstag in ihren Farben an der Prozession durch die Altstadt. Doch bereits am Sonntag wird es einen zweiten öffentlichen Auftritt geben: Ein Festumzug führt vom Münster zum Augustinerplatz. Der Grund: Der Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen hält von Donnerstag an seine viertägige Cartellversammlung in Freiburg ab. Dazu werden bis zu 2000 Aktive und Alte Herren aus ganz Deutschland in Freiburg erwarten.
Erstmals seit 1988 ist Freiburg damit Gastgeber des wichtigsten
jährlichen Treffens des Cartellverbandes (CV). Zum Verband zählen 126
katholische Studentenverbindungen mit insgesamt rund 30 000 Mitgliedern.
Die katholischen Verbindungen sind einst Mitte des 19. Jahrhunderts als
Reaktion auf den Kulturkampf entstanden, als der preußische Staat
versuchte, den Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen.
Die Liste der prominenten Cartellbrüder, wie sich die Mitglieder selbst
nennen, ist lang. Sie wird angeführt von Papst Benedikt XVI., reicht
über Erzbischof Robert Zollitsch und Politiker wie die
CDU-Landespolitiker Willi Stächele, Peter Hauk und Gundolf Fleischer bis
hin zu Entertainer Thomas Gottschalk.
In Freiburg gehören sechs Verbindungen dem Verband an: Die 1873
gegründete Hercynia als älteste der katholischen Verbindungen, weiter
Ripuaria, Hohenstaufen, Arminia, Falkenstein und Wildenstein. Rund 2000
Mitglieder zählen diese sechs Freiburger Verbindungen. Tendenz steigend,
sagt Sebastian Knöchel, stellvertretender Vor-Ort-Präsident: Ein
Argument für eine Studentenverbindung sei immer der günstige Wohnraum,
der in den Verbindungshäusern angeboten werde. Aber es gehe um mehr, so
Knöchel: "Viele fühlen sich an der Universität allein gelassen", sagt
er. Durch die Verschulung des Studiums für Bachelor und Master bleibe
weniger Zeit als früher, um Kontakte zu knüpfen.
Die katholischen Studentenverbindungen tragen Farben, Couleurs genannt.
Schlagend sind sie jedoch nicht. Die Mensur wurde per päpstlichem Dekret
verboten. Mitglied werden kann jeder männliche katholische Student,
unabhängig von der Nationalität. "Gerade für viele ausländische
Studenten sind die Verbindungen interessant, weil sie so schnell Kontakt
bekommen", so Knöchel. Er selbst hat Germanistik, Geschichte und
Politikwissenschaft studiert und ist erst im fünften Semester zur
Verbindung gekommen. Für ihn hat das generationsübergreifende
Gemeinschaftsgefühl einen hohen Stellenwert. Die katholischen
Studentenverbindungen sind ein Lebensbund, in dem sich die früheren
Aktiven (Alte Herren) um die heutigen kümmern.
In der Öffentlichkeit müssen sich alle Verbindungen heute vielen
kritischen Fragen stellen. "Früher war es die Regel, in einer Verbindung
zu sein, heute gelten wir als Exoten", meint Georg Auer, Pressesprecher
des Ortskomitees Freiburg. Er beschreibt die Mitglieder als
wertekonservativ. Der Verband sei konfessionell geprägt und weltoffen.
Die katholischen Verbindungen grenzen sich in aller Deutlichkeit von der
Deutschen Burschenschaft ab. Die hat erst am Wochenende in Eisenach
durch die Flügelkämpfe von Rechtskonservativen und Rechtsextremen für
Schlagzeilen gesorgt: "Da kann man nur den Kopf schütteln, was für ein
Gedankengut es da gibt. Das ist erschütternd und beängstigend", sagt
Sebastian Knöchel.
1988, bei der letzten Cartellversammlung in Freiburg, hat es Proteste
aus der linken Szene gegeben. Die wollen die Veranstalter auch dieses
Mal nicht ausschließen, auch wenn es bislang noch keine Hinweise darauf
gibt. "Wenn jemand gegen uns protestieren will, ist es sein gutes Recht,
aber es wäre schade, wenn dieser Protest einen gewissen Rahmen
verlässt", sagt Georg Auer. Er wirbt für Toleranz. Erwartet werden auch
Vertreter von CV-Verbindungen aus Polen, Frankreich, Italien und
Kamerun.
Am Abend des Fronleichnamstag beginnt das Treffen mit einem Gottesdienst
in der Martinskirche am Rathausplatz. Es gibt neben den zwei Sitzungen
der Cartellversammlung einen Altherrentag und einen Studententag. Am
Freitag und Samstag werden Ausflüge nach Breisach, St. Blasien und St.
Peter angeboten, dazu in Freiburg Stadt- und Münsterführungen. Beim
Festkommers in der Messe Freiburg spricht am Freitagabend als Festredner
Willi Steul, der Intendant des Deutschlandradios. Am Samstagnachmittag
beim Akademischen Forum sprechen Heribert Weiland, der Direktor des
Arnold-Bergstraesser-Instituts Freiburg, und Udo Margedant, der
Präsident der CV-Akademie, über die Perspektiven der deutschen
Entwicklungspolitik. Am Samstagabend folgt ein Gesellschaftsabend im
Konzerthaus. Am Sonntag zelebriert dann Erzbischof Robert Zollitsch ein
Pontifikalamt im Münster, anschließend folgt der Festumzug über die
Kaiser-Joseph-Straße durch die Salzstraße zum Augustinerplatz. Dort
endet die Cartellversammlung dann in der Hausbrauerei Feierling mit
einem "couleursstudentischen Frühschoppen".
Am Wochenende in Freiburg noch eine zweite Veranstaltung einer
Studentenverbindung geben wird, die nichts mit dem Cartellverband zu tun
hat. Denn das Corps Rhenania feiert sein 200-jähriges Bestehen – die
Rhenania ist die älteste Studentenverbindung in Freiburg.