Prozess-Auftakt: Neo-Nazi-Rädelsführer geben sich vor Gericht unschuldig

Prozess 26.4
Erstveröffentlicht: 
27.04.2012

DORTMUND Am Freitagmorgen hat vor dem Dortmunder Amtsgericht der mit Spannung erwartete Prozess gegen zwei führende Neo-Nazis begonnen, die den Überfall auf den Demonstrationszug des DGB am 1. Mai 2009 angezettelt haben sollen. Die Angeklagten gaben sich unschuldig.

Von Peter Bandermann und Martin von Braunschweig

 

Aktualisierung 17.32 Uhr


Am ersten Prozesstag wurde klar: In der Verhandlung kommt es entscheidend auf das Erinnerungsvermögen von Augenzeugen an. Die wichtigste Frage lautet: Haben die Angeklagten Dennis G. und Alexander D. – beides Rädelsführer und einflussreiche Köpfe der Dortmunder Neonazi-Szene – die Krawalle organisiert und sich damit strafbar gemacht?

Die Angeklagten schüttelten am Freitag heftig die Köpfe. Nein, sie wollen ja selbst völlig überrascht gewesen sein, als sich der Neonazi-Aufmarsch um kurz vor 11 Uhr plötzlich in Richtung Fußgängerzone in Bewegung setzte. Alexander D.: „Ich bin nur mitgegangen, um eventuell Schlimmeres zu verhindern. Aber ich hatte keinen Einfluss auf die Gruppe.“

Ganz anders sieht das der damalige Dienstgruppenführer der Polizei. Um 9 Uhr habe er Meldung davon erhalten, dass sich eine Gruppe Rechter auf dem Bahnhofsvorplatz sammeln würde. „Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl“, sagte der Beamte als Zeuge. Er habe befürchtet, dass die Neonazis nicht wie behauptet in den Zug nach Siegen steigen würden, sondern etwas ganz anderes im Schilde führten.

„Ich habe noch schnell versucht, so viel wie möglich Verstärkung zu organisieren“, sagte der Polizist. „Aber wir waren den Angreifern zahlenmäßig heillos unterlegen.“ 

Aktualisierung 9 Uhr:

Der Gerichtssaal ist nach Ausweiskontrollen bei allen Besuchern jetzt voll besetzt. Um kurz nach 9  Uhr hat die Verhandlung begonnen.


Aktualisierung 8.10 Uhr:

Etwa 50 Mitglieder der Grünen und des DGB sind vor dem Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft versammelt. Mit Transparenten erteilen sie Nazis eine Absage.

Der frühere DGB-Vorsitzende Eberhard Weber kritisierte erneut die Justiz, weil das Verfahren erst drei Jahre nach der Tat eröffnet wird. "Man muss den Eindruck haben, dass ein Stillstand der Rechtspflege eingetreten ist", so Weber. Er forderte das Justizministerium auf, die Amtsgerichte zu entlasten und wie das Innenministerium im Kampf gegen den Rechtsextremismus eindeutig Farbe zu bekennen.

Die beiden Angeklagten stehen ebenfalls vor dem Gerichtseingang. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Landfriedensbruch vor. Sie sollen am 1. Mai 2009 den Angriff von 400 Neonazis auf DGB-Demonstranten gesteuert haben.

 

Der ursprüngliche Bericht:

Der sogenannte "1.-Mai-Prozess" beginnt fast genau drei Jahre nach den Ereignissen am Tag der Arbeit. Dennis G. und Alexander D. werden Landfriedensbruch und ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen.
Sie sollen die Anstifter dazu gewesen sein, dass am 1. Mai 2009 mitten in der Innenstadt mehrere hundert Neonazis den Demonstrationszug des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB) angriffen. Bei den Zusammenstößen hatte es mehrere Verletzte gegeben. Die Polizei hatte zusätzliche Kräfte organisieren müssen, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Schwieriger Prozess

Der Vorfall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, weil er eine neue Qualität rechter Gewalt offenbarte. Eine friedliche Kundgebung wurde aus dem Nichts heraus zur Zielscheibe blinder Gewalt. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich bei dem Angriff durch die Rechtsextremisten jedoch keineswegs um eine spontane Idee, sondern um eine geplante und organisierte Tat. Initiatoren sollen Dennis G. und Alexander D. gewesen sein.

Das Amtsgericht richtet sich schon jetzt auf einen langen und schwierigen Prozess ein. Bisher sind sechs Verhandlungstage angesetzt.

Sorgen um Sicherheit

Besonderes Augenmerkt gilt der Sicherheit vor und im Gerichtssaal. Denn hier könnten Rechtsextremisten mit Anhängern des linken Spektrums zusammentreffen. Bei Demonstrationen auf der Straße muss die Polizei diese Gruppen aus Sicherheitsgründen strikt trennen – die Justiz steht vor der Aufgabe, auf engstem Raum für maximal 50 Zuschauer einen geordneten Ablauf zu organisieren. Die Sicherheitsvorkehrungen gehen deshalb über den Einsatz von Wachtmeistern und Polizei hinaus. 

Vor dem Gerichtsgebäude protestieren Vertreter der Grünen seit 7 Uhr mit einer Mahnwache gegen rechte Gewalt und gegen rechtes Gedankengut. Mit dabei ist auch die Grünen-Landesvorsitzende Monika Düker.