Erlebnisbericht Stammheim 2012

Silvesterspaziergang JVA Stuttgart Stammheim

Anfang Februar 2012 wurde der Stuttgarter Antifaschist und RASH Aktivist Smily verhaftet. Seitdem sitzt er in der JVA Stuttgart im Stadtteil Stammheim im Knast. Im Folgenden veröffentlichen wir einen von ihm verfassten Erlebnisbericht. Dieser wurde am 21.3. verfasst. Die späte Veröffentlichung ist auf die stringenten „Postkontrolle“ der JVA zurückzuführen. [solikreis]


Es war Mittwoch, der 8. Februar 2012 gegen 6:00 Uhr morgens, als das SEK zusammen mit den bekannten Staatsschützern Sitzler, Biel [Staatsanwalt] und Co. meine Wohnung stürmte. Mittels einer Ramme brach man unangekündigt die Tür auf, schrie lauthals „Polizei!“ und riss mich schon wenige Sekunden später von meinem Sofa in Unterwäsche auf den Boden, den sie mit ihren dreckig-nass triefenden Schuhen betreten hatten.

 

Einer der vermummten SEKler trug eine Art Kettenhemd, wie mir auffiel und aus nicht mehr als 20 cm Entfernung bellte mir ein Schäferhund ins Gesicht. So ließ man mich einige Sekunden fixiert liegen, bis ich dann aufstehen durfte und von Herrn Sitzler darüber belehrt wurde, dass gegen mich ein Haftbefehl vorliegt, weil ich angeblich Zeugen für die anstehende Verhandlung am 17.02.2012 bedroht haben soll.

 

„Schwachsinn!“ entgegne ich ihm, was mich nicht davor bewahren sollte ersteinmal in's Revier Hahnemannstr. 1 abtransportiert zu werden, während der Herr Sitzler dann mein Zimmer komplett durchsuchte, ohne dass meine Mitbewohnerin S., der ich noch ansah wie schockiert sie über diesen morgendlichen „Besuch“ war, daran teilhaben durfte, so wie es eigentlich gesetzlich verordnet ist. Man hat sie aus dem Zimmer entfernt, damit Sitzler in Ruhe das Zimmer durchsuchen konnte. Nachdem ich ca. 3 Stunden auf einer Zelle in der Hahnemannstr. verbringen durfte, holte mich ein Beamter aus selbiger und brachte mich zu Sitzler, der mir erklärte, dass ich zuvor genannte Zeugen angeblich via Facebook bedroht haben soll und dass aus diesem Grund eine Verdunkelungsgefahr bzgl. der anstehenden Gerichtsverhandlung, auf welcher ich angeklagt bin, besteht, und ich nun dem Haftrichter vorgeführt werden müsse. Des Weiteren sagte er mir, dass er mein Mobiltelefon und meinen Computer zur weiteren Ermittlung vorerst beschlagnahmt hätte, wogegen ich sofort Widerspruch einlegte. Äußern wollte ich mich hierbei zu gar nichts. So wurde ich wieder auf die Zelle gebracht, um auf einen Termin beim Haftrichter zu warten.

Der Haftbefehl selbst wurde mir ausgehändigt, so dass ich ihn zum ersten Mal genau genauer studieren konnte. Diesem konnte ich entnehmen, dass ich angeblich Zeugen über Facebook in „unlauter Weise“ bedroht haben solle. Der dementsprechende Eintrag sei jedoch nicht mehr auffindbar (…). Ich erinnerte mich zurück wie von „Grauzone Rock n Roll“ auf Facebook der Eintrag erschien „ich würde gern sein Gesicht sehen, wenn auf einmal 50 Grauzonisten vor seiner Haustür stehen,“ der gegen mich gerichtet war. Eigentlich wurde ich also „in unlauter Weise“ per Facebook bedroht. Auf den Eintrag reagierte ich, indem ich schrieb dass ich gern darauf warten werde, und ob uns die „50 Grauzonisten“ dann auch anzeigen würden, wenn wir mit ihnen fertig sind. So wie die knapp 10 Grauzonisten im Juni 2011 am Palast der Republik in Stuttgart, Janko L., Thilo S. (früher aktiver Neonazi) und Co., die mich dort lauthals beleidigten und mich in „unlauter Weise“ versuchten anzugreifen und ich mich dagegen wehrte. Genau deswegen war ich ja für den 17.02.2012 auch angeklagt. Aussagen der Grauzonis bei der Polizei, wie z.B. dass ich in der Stuttgarter Antifa-Szene sei, sollten hierbei schon ausreichen um den Staatsschutz heranzuziehen, wie ich der Akte und dem Aktenzeichen der Anklageschrift zuvor schon entnehmen konnte.

 

Es profitierten natürlich auch beide gegnerischen Parteien davon meinem Engagement gegen Rechts mit staatlicher Repression entgegenzuwirken. Der eine Teil, weil er sich zu Unrecht kritisiert fühlt, weil man anprangert, dass ihre Lieblingsbands - oder auch sie selbst - Kontakte nach Rechts pflegen und man sich auf Grund dessen von ihnen und ihren Lieblingsbands distanzieren will und der andere Teil sperrt Links sowieso lieber vorerst auch mal schneller ein, während er auf dem rechten Auge permanent blind zu sein scheint, auch wenn die Beweislage manchmal sogar weniger als nur schwammig ist. So lässt man Neonazis, die Antifaschisten vorsätzlich mit dem Auto anfahren und dabei billigend in Kauf nehmen, sie lebensgefährlich zu verletzen, dann doch erst einmal laufen, statt sie in U-Haft nach Stammheim zu stecken, wie es mir dann im späteren Verlauf ergehen sollte und auch schon einigen Genossen von mir erging. So ging die Grauzone mal wieder Hand in Hand mit dem Staat gegen ihre Widersacher vor, wie es schon oft der Fall war.

 

Nach weiteren 4 Stunden auf der Zelle wurde ich dann erneut von einem Beamten abgeholt, der mich wieder zu Sitzler und 2 weiteren seiner Kollegen brachte, um den Weg zum Haftrichter anzutreten, der am 17.02. dann auch mein Urteil in erster Instanz entscheiden sollte. Sitzler fragte mich als erstes ob wir beide nun ein Problem hätten, worauf ich ihn fragte warum er denn morgens nicht einfach geklingelt hat, um mir die „frohe Botschaft“ des Haftbefehls zu verkünden. Er entgegnete mir nur plump, dass wir wohl beide wüssten, dass ich auch anders kann und er nicht wusste wie ich derzeit aufgelegt sei (…). Bei der Haftrichterin, die gerade erst ihr 2. Staatsexamen hinter sich gebracht zu haben schien, angelangt, traf auch schon mein Rechtsanwalt ein, den meine Mitbewohnerin S. zum Glück gleich nach meinem Abtransport kontaktiert hatte. Gegen den Vollzug des Haftbefehls legte mein Verteidiger vor Ort Widerspruch ein, der allerdings rasch von Richterin N. aufgrund der angeblich weiterhin bestehenden Verdunkelungsgefahr durch einen nicht auffindbaren Facebookeintrag abgelehnt wurde.

 

So ging die Reise weiter nach Stammheim, wo ich dann noch bis zur Verhandlung verweilen sollte. In Stammheim angekommen, wurde ich von Anfang an als extrem gewalttätig eingeschätzt, weshalb man mich gleich darüber belehrte dass man hier schon jeden „kleingekriegt“ hat und man mich, sollte ich aus der Reihe tanzen, in den „Bunker“ stecken werde. Ohne Tageslicht soll man die Zeit dort wohl in einer Papierunterhose verbringen, mit nichts außer dem eigens ausgelöstem Schall, der einen wahnsinnig macht (…) Alternativ unterbreitete man mir auch die Variante der Medikamenteneinnahme, „zur Beruhigung“. Die Anstalt hätte diesbezüglich wohl „alles zu bieten.“ Wie willenlos und fernab von jeder Realität dort sogar gerade erst 17-jährige aufgrund der Medikamente ihren Knastalltag über sich ergehen lassen, sollte ich dann später noch sehen (…). Die ersten 1 ½ Wochen bis zur Verhandlung bekam ich schon jede Menge Post, sogar aus dem Ausland, die ich allerdings erst nach meiner Wiederkehr vom Gericht erhalten sollte.

 

Vor Gericht versuchte Frau N. dann von Anfang an den ganzen Fall zu entpolitisieren, obwohl er von Seiten der Staatsanwaltschaft durch den Einsatz vom Staatsschutz doch komischerweise als offensichtlich extrem linkspolitisch eingestuft wurde. Nicht zuletzt hat der Prozess auch tatsächlich einen erwähnenswerten politischen Hintergrund, der zu meiner Entlastung beigetragen hätte und nicht so einseitig ist, wie es Staatsanwältin und Richterin später darstellen wollten, die auf der Verhandlung leider das letzte Wort haben sollten. Der Sachverhalt wurde unter starker Gewichtung der Zeugen, die gleichzeitig Geschädigte und Freunde der Grauzone (Schnittstelle von unpolitisch und Rechts) sind, in etwa so dargestellt, dass ich einfach mal so aus Spaß einen nach dem anderen aus der Gruppe niederstreckte, währendem wohl immer wieder versucht wurde auf mich „einzureden“ um mich so von meinem Vorhaben abzubringen, statt seine“ „Froinde“ einfach gegen den üblen „Rotfaschisten“ zu verteidigen. Richterin N. erschien das bei einem Studenten, der noch dazu auf Bewährung war als völlig logisch. Dass ich selbst eine Beule am Hinterkopf davon trug und ein Kommilitone vor Gericht bestätigen konnte, dass ich mich vor Ort gegen tätliche Angriffe gewehrt hatte, tat dabei nichts zur Sache. Ebensowenig wie die von mir vorgelegten Screenshots vom Facebookeintrag von „Grauzone Rock n Roll“ der belegte, dass eigentlich ich in „unlauterer Weise“ bedroht wurde und der von Thilo S. mit einem „gefällt mir“ untermalt wurde, um seine Sympathie gegenüber der Drohung und der eigentlich eher als problematisch einzustufenden Graustufe selbst kundzutun.

 

So wurde ich aufgrund dessen von Richterin N. zu 10 Monaten ohne Bewährung verurteilt und wurde wieder zurück nach Stammheim gebracht. Meine anwesenden Unterstützer, Freunde und Genossen (ca. 100 Leute) protestierten hart im Gerichtssaal, was mir viel Kraft für den weiteren Verlauf meines Knastkampfes gab. Ich habe von den Genossen seit dem Tag meiner Inhaftierung sehr viel Solidarität erfahren, die von Anfang an vor dem Knastgebäude laut protestierten, was ich hier drin auch immer mitbekam, manchmal über Dritte. Selbst während meines Abtransportes vom Gerichtsgebäude flogen noch Gegenstände gegen den Transportbus!

Mittlerweile bin ich 43 Tage Gefangener der deutschen Justiz und habe auch hier drin schon einige Schikanen erfahren müssen. So bekam ich z.B. die ganze letzte Woche keine Post, was sehr ungewöhnlich ist. Normalerweise erhalte ich mindestens 3, 4 Briefe pro Tag, manchmal auch 10. Besuchstermine sind derzeit auch keine eingetragen. Stattdessen sagte mir Ende der Woche ein Beamter, dass nun wohl ein Ermittlungsverfahren gegen mich eingeleitet wurde, wegen einer angeblichen gefährlichen Körperverletzung auf einer vergangenen Demonstration in Leonberg. Die zuständigen Beamten seien schon da und ich könne mich sofort äußern (…) Für mich war schon klar, dass man hier versucht mir etwas unterzuschieben, um womöglich einen negativen Ausgang meiner anstehenden Haftprüfung zu provozieren, oder auch durch die vorausgegangene Weichkocherei an diverse Infos zu kommen. Ich lehnte ein Gespräch mit den Beamten selbstverständlich ab, lehn' mich entspannt zurück und genieße den weiteren Verlauf dieser lächerlichen Show.

 

Brechen lasse ich mich jedenfalls nicht, denn schließlich sind das alles bekannte Spielchen, die sich ständig wiederholen und einfach zu offensichtlich sind.

 

So, let the struggle continue!

 

JVA Stuttgart Stammheim | 21.3.2012

 

Smily