Im März 2012 wurden beim Verwaltungsgericht Stuttgart mehrere Klagen gegen die Einkesselung und „Ingewahrsamnahme“ einiger hundert Demonstrantinnen und Demonstranten eingereicht. Sie wollten sich am 1. Mai 2011 an Protesten gegen Neonazis in Heilbronn beteiligen.
 Viele Bürgerinnen und Bürger folgten an diesem Tag den Aufrufen der Bündnisse „Heilbronn stellt sich quer“ und „Heilbronn sagt nein“,
 um an den Protestaktionen in der Stadt teilzunehmen. Die Ablehnung des 
Naziaufmarschs war auch ein Schwerpunkt der gewerkschaftlichen 
Maikundgebung. Doch für viele Angereiste endete der Protest am Bahnhof.
Während die Neonazis ungehindert durchs Bahnhofsviertel marschieren 
konnten, wurden mehrere hundert Bürgerinnen und Bürger zwischen 9 und 20
 Uhr von Polizeikräften eingekesselt und – wie ihnen später erklärt 
wurde – „in Gewahrsam genommen“.
Erst am 29.11.2010 hatte das Verwaltungsgericht Sigmaringen in zwei 
Entscheidungen einen ähnlichen Polizeikessel am 1. Mai 2009 beim Weinhof
 in Ulm für rechtswidrig erklärt. Dort waren mehrere hundert Personen an
 der Teilnahme an der DGB-Demonstration gehindert worden. Ähnliche 
Urteile gab es schon früher. Trotzdem wurde diese Polizeimaßnahme in 
Heilbronn erneut angewandt.
Statt die Angereisten an den Protesten teilnehmen zu lassen, wurden sie 
daran gehindert. Nicht nur diesen Demonstrantinnen und Demonstranten war
 bekannt, dass zwei Wochen zuvor Neonazis in Winterbach eine Hütte in 
Brand gesetzt hatten, nachdem sich Menschen, die vor ihnen flüchten 
mussten, dorthin gerettet hatten. Nicht zuletzt dagegen sollte ein 
Zeichen gesetzt werden.
„Darum klagen wir jetzt auch“, erklärte Thomas Trüten, der 
Anmelder einer Gegendemonstration in Heilbronn, die am Nachmittag 
stattfinden sollte, aber nicht zustande kam. Die vor dem Hauptbahnhof 
Eingekesselten konnten sich weder dorthin begeben noch zuvor zur 
Maikundgebung des DGB. „Genau diesen Feiertag, der laut 
Landesverfassung ‚dem Bekenntnis zu sozialer Gerechtigkeit, Frieden, 
Freiheit und Völkerverständigung’ dient, hatten die Neonazis gewählt, um
 ihre menschenverachtenden Parolen auf die Straße zu tragen“, so einer der Kläger, ein Funktionär der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
„Beim DGB Tübingen wurde beschlossen, eine Abordnung hin zu 
schicken. Mein mitgebrachtes Transparent mit den offiziellen 
DGB-Losungen konnte ich allerdings an diesem Tag nur vor dem Heilbronner
 Hauptbahnhof entfalten. Weiter kamen wir ja nicht.“
Mit den Klagen wird bezweckt, die Unrechtmäßigkeit dieses Polizeikessels vor Gericht festzustellen. „An die entsprechenden Urteile muss die Polizei sich endlich halten“,
 so Trüten. Der Strafverfolgung von Nazigegnern müsse Einhalt geboten 
werden – auch dies sei ein Ziel der Fortsetzungsfeststellungsklagen. 
Angesichts des „skandalösen Verhaltens der Behörden“ wird 
außerdem die Einstellung aller Verfahren gegen antifaschistische 
Gegendemonstrantinnen und Demonstranten vom 1. Mai 2011 gefordert.
Wie aktuell dieser Protest war und ist, wurde nach Meinung der Kläger 
deutlich, als bekannt wurde, dass die Bereitschaftspolizistin Michèle 
Kiesewetter in Heilbronn am 25.04.2007 vermutlich von einer nazistischen
 Terrorgruppe ermordet wurde.
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