Bombenbastler-Urteil lässt wichtige Fragen offen
Acht Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes einer Kriegswaffe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, dazu 100 Euro Geldbuße wegen illegalen Tragens von Kampfmessern – dazu ist der frühere „Stützpunktleiter“ der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) in Südbaden am Donnerstag vom Amtsgericht Lörrach verurteilt worden. Der damals 22 Jahre alte Altenpfleger in Ausbildung war am 26. August 2009 in Lörrach festgenommen worden, nachdem die Staatsanwaltschaft Hinweise darauf bekommen hatte, dass der Neonazi im großen Umfang Chemikalien horte und einen Anschlag plane. Zwei Messer trug er bei sich, bei der Durchsuchung des Elternhauses in Weil am Rhein beschlagnahmte die Polizei rund 22 Kilogramm chemische Substanzen, Zünder, Rohrmantel, eine Anleitung zum Bau von Rohrbomben, ein weiteres Messer, Munition, Schreckschusswaffen, eine Pistole und ein Sturmgewehr mit Bajonett.
Zwei Jahre vor Bekanntwerden der Blutspur im Osten durch den „Nationalsozialistischen Untergrund“ schockierte die von der Freiburger autonomen Antifa-Gruppe aufgedeckte Aufrüstung eines jungen Neonazis die Öffentlichkeit. Innerhalb kurzer Zeit wäre mit den legal zusammengekauften Substanzen eine Bombe mit verheerender Wirkung machbar gewesen. Und hätte das automatische Sturmgewehr Verschluss und Munition gehabt, hätte er eine hochgefährliche Waffe in der Hand gehabt. Der bei der Bundeswehr in einer Spezialeinheit ausgebildete Altenpfleger hatte einen einschlägigen Kreis von Kameraden, zumindest einer war beim Kauf der Substanzen behilflich. Die abgefangenen E-Mails sprachen dafür, dass die braune Szene das linke KTS-Zentrum in Freiburg ausforschen und „in die Offensive“ gehen wollte.
Alles keine Belege für einen „hinreichenden Tatverdacht“, befand das Landgericht Freiburg und lehnte am 28. März 2011 die Einleitung des Verfahrens wegen eines Sprengstoffverbrechens ab, das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die Beschwerde der Lörracher Staatsanwaltschaft zurück. Die oberen Richter stützen sich auf alte Urteile aus den 1970er Jahren, die eine „konkrete Bestimmtheit“ für das Anschlagsziel verlangen. Im Klartext: Der Bombenbastler hätte sagen sollen, wo er die Bombe zünden wollte. Eine lebens- und weltfremde und vielleicht auch gefährliche Fixierung auf eine längst überholte Rechtsposition. Sprengstoff kann heutzutage leicht selbst gebastelt werden, wer schlau genug ist, nichts Schriftliches über den Anwendungszweck zu verbreiten, ist auf der sicheren Seite. Eine schöne Ermutigung für Feierabendterroristen.
Dem Lörracher Amtsrichter blieb lediglich, dies kopfschüttelnd als „Gesetzeslücke“ zu bedauern. Immerhin folgte er dem Staatsanwalt, der keinen simplen „Waffensammler aus Liebhaberei“, sondern einen offenbar Gewaltbereiten angeklagt hatte. Ein höheres Urteil war nicht möglich, denn beim Sturmgewehr fehlte der Verschluss. Weshalb die Verteidigung verharmlosend von einem „Rohr“ sprach, mit dem man bestenfalls hätte schlagen können. Aufklärung, wo und wozu er die Knarre besorgt hatte, verweigerte der ungerührt rechtsextrem aktive Verurteilte. Zeichen der Einsicht, Strafbares getan zu haben, blieben aus.
HEINZ SIEBOLD