Bewohner eines GBW-Hochhauses Nürnberg machten mit einer Lichteraktion auf ihre Probleme aufmerksam
Nürnberg - Während viele Nürnberger voller Erwartungen ins neue Jahr blicken, tun das die Bewohner von mehr als 260 Wohnungen in der Schupfer Straße mit Bangen: Sie sollen die zweite Mieterhöhung innerhalb von vier Jahren hinnehmen. Am 31. Dezember lief ihre freiwillige Zustimmungsfrist zur höheren Miete ab. Und genau diesen Tag wählten die Mieter, um öffentlich gegen den 20-Prozent- Aufschlag für ihre Wohnungen zu protestieren.
Männer und Frauen haben vor dem Hauseingang am Hochhaus diese Worte mit Teelichtern geformt. Das könnte den Eigentümer freuen — ist es doch der Leitgedanke der GBW AG (Bayerische Wohnungs-Aktiengesellschaft). Diese Tochter der Bayerischen Landesbank verfügt in Nürnberg über insgesamt 3331 Mietwohnungen, darunter 268 im Stadtteil Laufamholz. Wie mehrfach berichtet, muss sich die Landesbank von den rund 33.000 GBW-Wohnung in Bayern trennen.
„Nur Flickschusterei“
Das Münchener Unternehmen versichert auf seinem Internetauftritt, dass es den Mietern „preiswerten und gleichzeitig qualitativ hochwertigen Wohnraum“ schaffen möchte. Solche Sätze nötigen den Mietern in der Schupfer Straße allerdings nur ein müdes Lächeln ab. Sylvia Kyei-Mensah zum Beispiel wohnt seit 1997 in der Siedlung. Sie arbeite als Friseurin und ergänzt sofort: „Das heißt Niedriglohnbereich“. Sie und ihre Familie hätten schon eine hohe Grundmiete. „Mich ärgert, dass in den Gebäuden nichts ausgebessert und saniert wird.“ Wenn etwas getan werde, dann sei das Flickschusterei „und nichts Grundlegendes“. Ihr erster Handgriff morgens sei das Lüften, schildert sie den Kampf gegen Schimmel in der Wohnung, gegen den auf Dauer auch keine teuren Schimmelmittel und -farben helfen würden.
„632 Euro“ hat Tanja Dreßel auf das Blatt geschrieben, das sie hochhält. So viel soll die 39-Jährige an neuer Miete zahlen, bekommt die GBW mit ihrer Forderung Recht. Als sie vor acht Jahren in eine der Wohnungen zog, habe sie für ihre knapp 67 Quadratmeter 354 Euro Miete gezahlt, momentan seien es 565,95 Euro. „Ich zahle nicht noch mehr, das sehe ich nicht ein“, so die Alleinerziehende, die sich mit Telefonverkäufen durchschlägt. Und sie erzählt die unglaubliche Geschichte, wie im Mai letzten Jahres in ihrem Schlafzimmer im Obergeschoss nachts die Decke runterkam — „zum Glück habe ich da ausnahmsweise im Wohnzimmer geschlafen“. Eine Woche Schmutz und Lärm habe sie in Kauf genommen, um überhaupt wieder einziehen zu können.
Laut Mieterinitiative leben hier viele Alleinerziehende, ausländische Familien und Rentner, oft auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Sie alle seien letztlich froh, in Nürnberg überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum zu finden und trauten sich nicht, neuen Mietforderungen zu widersprechen. Der ehemalige Vorsitzende des Bezirkserwerbslosenausschusses von ver.di Mittelfranken, Werner Schäfer, unterstützt die Mieter. Neben einigen SPD-Landtagsabgeordneten haben sie in Rechtsanwalt Thomas M. Schweizer einen erfahrenen Mietrechtler gefunden, der sie mit ihren Ängsten nicht alleinlässt.
„Gemessen an Zustand und Ausstattung der Wohnungen meine ich, dass die Mieterhöhung überzogen ist“, sagt er. Für ihn ist klar, dass die Mieten gezielt erhöht wurden, um den Verkaufswert zu steigern, „denn je höher der Mietertrag, desto höher der Kaufpreis.“ Schweizer fordert mieterschützende Vertragsergänzungen. Dass die GBW mit ihrer Erhöhung im gesetzlich erlaubten Bereich bleibe, davon sei auszugehen, so der Jurist. Allerdings sei der Mietspiegel nur ein Raster, das nach einfachem, normalem und gutem Standard der Wohnungen unterscheide und bis zu zwei Euro pro Quadratmeter Unterschied mache.
Bad aus dem Jahr 1969
Während die GBW den Zustand der Schupfer-Straßen-Wohnungen als „normal“ einschätze, halte er ihn bestenfalls für einfach. Das bestätigen Mieter an Beispielen: „Unser Bad stammt noch aus dem Jahr des Einzugs, 1969“, erzählt Karl-Heinz Ungerer. Zwischendurch habe es das Angebot eines neuen Wanneneinsatzes gegeben. Doch die hätten in den Nachbarhäusern zum Teil zu Überschwemmungen geführt, deshalb hätten er und seine Frau dann lieber die Finger davon gelassen.
Beim Treffen der Haussprecher sei über die schlechte Bausubstanz geklagt worden, von Stellen, an denen es hineinregnet, von nicht funktionierenden Pumpen und Heizungsanlagen, von einem kaputten Aufzug. „Wir sind nicht bereit, die Landesbank zu finanzieren“, so Ungerer kampflustig. „Wir wollen uns nicht alles gefallen lassen!“
Er ist einer von den Bewohnern, die nicht freiwillig für denselben Wohnraum mehr Miete bezahlen wollen. Die kann nun von der GBW eingeklagt werden. Das Gericht wiederum bestellt üblicherweise einen Gutachter — und hier sieht Anwalt Schweizer gute Chancen dafür, dass die Mieterhöhungen nicht so einfach durchgesetzt werden können. Zumindest für die rund 40 Teilnehmer an der Protestaktion ein Lichtblick für 2012.