Zum Teufel mit dem Katholikentag! Es gibt ein Leben vor dem Tod!
Mehr oder weniger regelmäßig veranstaltet die katholische Kirche den so
genannten "Deutschen Katholikentag". Hier kommen zehntausende
katholische Gläubige zusammen und verwandeln eine Stadt ihrer Wahl in
einen internationalen religiösen Pilgerort. Die ganze Stadt wird zur
Massengebetsstätte, zur Propagandaarena hochrangiger Kirchenfunktionäre
und zur Partymeile junger Katholik_innen. Vom 16. bis 20. Mai 2012
trifft es nun Mannheim. Dies soll für uns Anlass sein, eine grundlegende
Kritik an der katholischen Kirche, aber auch an Religionen im
Allgemeinen zu formulieren und in die Öffentlichkeit zu tragen.
Katholikentag – Mannheim im Ausnahmezustand
Am Katholikentag gibt sich die katholische Kirche weltoffen und tolerant. Anstatt der üblichen altbackenen Kirchenveranstaltungen soll der Katholikentag einen Eventcharakter haben, der nicht zuletzt darauf abzielt, über scheinbar harmlose und poppige Themen vor allem jungen Leuten den Katholizismus nahe zu bringen. Unter dem Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“ sollen neben den obligatorischen Gottesdiensten auch zahlreiche Kultur- und Musikveranstaltungen stattfinden. Insgesamt wird es an den vier Tagen über 1200 (!) Veranstaltungen geben. Ein Blick in das Programm des Katholikentags offenbart dann auch das Spannungsverhältnis zwischen dem gewünschten Image und der Kirchenrealität: Neben Veranstaltungen wie „Mozart trifft Hip Hop“ oder Musicals für Kinder finden sich auch deutlich reaktionärere Themen wie etwa die wissenschaftsfeindliche Veranstaltung „Weißt du nur oder glaubst du schon?“. Trotz der offensichtlichen Fortschrittsfeindlichkeit der Kirche, gibt es kaum Organisationen die sich von diesem Event abgrenzen. Wie sehr der Katholikentag hofiert wird, zeigt auch ein Blick auf die Finanzierung.
Das „Großevent Katholikentag“ kostet 8 Millionen Euro und wird von der Stadt Mannheim mit 1,5 Millionen und vom Land Baden-Württemberg mit 1,6 Millionen Euro Steuergeldern unterstützt. Während etwa soziale Projekte und Einrichtungen aufgrund angeblich klammer Kassen stetig unter Legitimationsdruck stehen, wird für den Katholikentag ein Millionenbetrag aufgebracht, obwohl die Kirche durch ihre Steuer (die der Staat für sie erhebt) zahlungsfähig genug sein sollte, ein solches Event selbt zu finanzieren. Die Finanzspritzen von Stadt und Land zeigen wieder einmal, dass das Gerede der „Trennung von Kirche und Staat“ faktisch nichts als Augenwischerei ist.
Die katholische Kirche – Reaktionäre Ideologien im modernen Gewand
Ob Kreuzzüge, Missionierungen (u.a. während der Kolonialzeit), Hexenverfolgungen, oder die Kollaborationen mit den Faschisten Europas; die Liste der Verbrechen der katholischen Kirche ist genauso lang wie bekannt. Zu allen Zeiten hat die katholische Kirche ihre Ethik der weltlichen Machtausübung untergeordnet. Stets profitierte sie von den herrschenden Verhältnissen und behinderte aktiv gesellschaftliche Veränderungen um die eigene Stellung zu sichern. Gleichzeitig kontrollierte sie ihre Mitglieder, indem sie von ihnen verlangte, strengstens nach den ihnen auferlegten Regeln zu leben und das Elend, welches die Kirche mit geschaffen hatte, zu akzeptieren.
Obwohl sich die katholische Kirche an ihrem Kirchentag gerne modern und sozial präsentiert, sieht die tatsächliche Lage noch immer vollkommen anders aus: Auch heute herrscht in der katholischen Kirche ein reaktionäres Rollenbild und die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen ist an der Tagesordnung. Die Selbstdarstellung als soziale Institution zerfällt spätestens, wenn man die Arbeitsbedingungen der Angestellten in karitativen Einrichtungen oder den Umgang mit den wiederholten Missbrauchsfällen durch katholische Priester betrachtet. Ihre Politik fordert, vor allem im Hinblick auf Verhütungsmittel, täglich hunderte von Opfern. Sie befördert die Ausbreitung von HIV, ungewollten Schwangerschaften, und oft lebensbedrohlichen illegalen Abtreibungen und ist damit verantwortlich für Elend, Leid und Tod auf der ganzen Welt.
Dabei ist die Kirche aber nicht einfach nur eine Ansammlung von Reaktionären. Damals wie heute hat sie weltweit eine enorme gesellschaftliche Relevanz. An Schulen, als Arbeitgeberin, über Lobbygruppen, Gewerkschaften und Verlage versucht sie, als politische Akteurin ihr Weltbild (wieder) in Gesellschaft und Politik zu verankern und ihren rückwärtsgewandten Ansichten Einfluss zu verschaffen. Sie ist und bleibt im Gegensatz zu ihrer Darstellung ein autoritärer, ausbeuterischer und patriarchaler Unterdrückungsapparat.
Religion als Unterdrückung
Wenn wir anlässlich des Katholikentags exemplarisch eine Kritik an der katholischen Kirche formulieren, so soll das nicht davon ablenken, dass jede Form von Kirche und Religion notwendigerweise hinterfragt werden muss. Im Fokus unserer Kritik soll nicht alleine die katholische Kirche als institutionalisierte Form christlicher Religion stehen. Die Geschichte aller Kirchen und Religionen ist eine Geschichte von Unterdrückungsverhältnissen, eine Geschichte von Verfolgungen, Inquisitionen und Morden an denjenigen, die nicht in das jeweilige Weltbild passten.
Wenngleich die Kirchen mit der Herausbildung des Kapitalismus insgesamt an Macht verloren haben, so ist ihr Einfluss immer noch weitreichend. Noch immer haben alle Kirchen einen universalen Welterklärungsanspruch, mit klaren, hierarchischen Strukturen, die diesen vertreten dürfen. Was wahr und richtig ist, haben (im Sinne der Kirchen) Gläubige nicht selbst zu vertreten, sondern wird von den Kirchenoberen diktiert. Zwar nimmt mit der zunehmenden Vereinzelung der Menschen in modernen Gesellschaften auch die Anziehungskraft großer, kollektiver religiöser Institutionen ab, wodurch Glaube immer vielfältiger, aber auch immer individualisierter und privater wird. Eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse hingegen ist bisher ausgeblieben.
Wenn wir ernsthaft eine befreite Gesellschaft fordern, dann darf auch eine grundlegende Kritik an Religion und Glauben nicht zu kurz kommen. Denn: wir wollen keine „bessere“, gnädigere oder tolerantere Kirche, wir wollen eine Gesellschaft ohne Staat, Nation, Kapital und Kirche. Der Glaube an ein Jenseits oder ein „höheres Wesen“ aber steht uns bei dem Weg zu einer freien und selbstbestimmten Gesellschaft entgegen.
Für einen revolutionären Humanismus – Einen wirklichen Aufbruch wagen
Das Bedürfnis nach übernatürlichen Strukturen entspringt dem Elend, dem die Menschen in ihrem Lebensalltag ausgesetzt sind. Die Orientierung am Jenseits oder das Einordnen von Ereignissen in einen „göttlichen Plan“, geben dem Leid, das die Menschen erfahren, einen vermeintlichen Sinn und machen es damit ertragbar. Religion hindert die Menschen in diesem Zusammenhang aber auch daran, sich gegen Leid und Unterdrückung zur Wehr zu setzen. In einer Gesellschaft in der Selbstbestimmung, Freiheit und ein schönes Leben für alle weiterhin nicht vorgesehen sind, werden Widersprüche in der Gesellschaft durch Religionen legitimiert. Insofern zementiert Religion die Ungleichheitsverhältnisse des Kapitalismus, sie schafft ein verkehrtes Bewusstsein, in dem den gesellschaftlichen Verhältnissen das abstrakte Gegenbild einer irrealen, besseren Welt gegenübergestellt wird. Dieses falsche Bewusstsein kann nur mit der Umwälzung der kapitalistischen Verhältnisse, die immer neue Illusionen über sich produzieren, aufgehoben werden. Dem religiösen Wahn müssen wir unsere Kritik an den kapitalistischen Unterdrückungsverhältnissen entgegensetzen.
Wenn wir ernsthaft nach einer befreiten Gesellschaft streben, kann es für uns keine Perspektive sein, sich mit dem Glauben so lange zu betäuben bis die Widersprüche in der Gesellschaft unsichtbar werden. Statt dessen ist es um so wichtiger, dem Glauben seinen Schleier zu entreißen und die Verhältnisse zu bekämpfen, die das Bedürfnis nach Religionen erst entstehen lassen. Nur so kann eine Gesellschaft entstehen, in der es keine „höheren Wesen“ mehr gibt, unser Ziel muss es sein alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.
Vor und während des Katholikentags werden wir diese Kritik an Religion und Glaube in die Öffentlichkeit bringen. Als Teil eines breiten religionskritischen Bündnisses wollen wir unterschiedliche Fragen rund um Kirche und Religion aus einer emanzipatorischen und antikapitalistischen Perspektive beleuchten und Gegenpositionen zur Kirchenpropaganda bilden. Wir organisieren eine Reihe religionskritischer Veranstaltungen im Vorfeld und während des Katholikentags. Achtet auf die Ankündigungen und beteiligt euch!
Zum Teufel mit dem Katholikentag!
Es gibt ein Leben vor dem Tod!
Her mit dem schönen Leben hier und jetzt!
Für die soziale Revolution!
AK Antifa Mannheim, April 2012