"Kein Waffensammler aus Liebhaberei"

Erstveröffentlicht: 
20.04.2012

Acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung für Weiler Neonazi, der Bombenmaterial hortete.

 

LÖRRACH. Ein vor zweieinhalb Jahren zeitweise in Untersuchungshaft genommener Stützpunktleiter der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) in Südbaden ist am Donnerstag vom Amtsgericht Lörrach wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu acht Monaten Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 100 Euro verurteilt worden. Die Freiheitsstrafe wurde drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.


Der damals 22 Jahre alte Altenpfleger in Ausbildung Thomas B. war am 26. August 2009 in Lörrach festgenommen worden, nachdem die Staatsanwaltschaft Hinweise darauf bekommen hatte, der Neonazi würde im großen Umfang Chemikalien horten und einen Anschlag planen.

 

Bei der Verhaftung trug der Mann ein Messer am Gürtel und ein weiteres im Rucksack. Bei der Durchsuchung des Elternhauses in Weil am Rhein beschlagnahmte die Polizei rund 22 Kilogramm chemische Substanzen, Zünder und Rohrmantel, eine Anleitung zum Bau von Rohrbomben, ein weiteres Messer, Munition, Schreckschusswaffen, eine Pistole und ein schweizerisches Sturmgewehr mit Bajonett. Polizeiexperten bestätigten, dass mit den Chemikalien in wenigen Stunden ein Sprengkörper mit zerstörerischer Wirkung hätte gefertigt werden können. Emails mit Gesinnungsgenossen legten nahe, dass den Neonazis das linksautonome Freiburger Zentrum KTS ein Dorn im Auge war.

 

Dennoch lehnte das Landgericht Freiburg die Eröffnung eines Verfahrens wegen der Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens am 28. März 2011 ab, weil die "konkrete Bestimmtheit" im Anschlagsziel gefehlt habe. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte nach einer Beschwerde der Lörracher Staatsanwaltschaft diese Rechtsauffassung. Die Verhandlung vor dem Schöffengericht in Lörrach war nun der letzte Akt eines zwei Jahre und acht Monate dauernden Verfahrens. Der politische Hintergrund des unerlaubten Waffenbesitzes spielte nun fast keine Rolle mehr, allerdings wies Oberstaatsanwalt Otto Bürgelin darauf hin, dass der Angeklagte, "kein Waffensammler aus Liebhaberei" gewesen sei und durch das Mitführen von verbotenen Hieb- und Stichwaffen, den sogenannten Einhandmessern, eine gewisse Gewaltbereitschaft gezeigt habe. Dies müsse man in der Gesamtschau würdigen, eine Geldstrafe allein sei daher nicht ausreichend.

 

Auch Richter Harald Korn räumte ein, dass es möglicherweise eine Gesetzeslücke bei der Vorbereitung von Sprengstoffverbrechen gebe, über die man nachdenken sollte. Das Gericht folgte den Argumenten der Staatsanwaltschaft, blieb jedoch beim Strafmaß zwei Monate unter deren Antrag. Dass es sich um einen minder schweren Fall handelte, liegt auch daran, dass dem automatischen Schweizer Sturmgewehr Kaliber 7,5 Millimeter als wichtiges Funktionsteil der Verschluss fehlte. Dennoch ließ das Gericht eine Verharmlosung des Gewehrs als "Rohr" nicht gelten. Wo und wie schnell man einen Verschluss herbekommt, konnte oder wollte allerdings auch der Sachverständige des Landeskriminalamtes nicht erklären. Der Angeklagte selber schwieg und sagte nicht, wozu und wo er sich die Waffe besorgt hatte.

 

Ebenfalls keine Auskunft gab der mittlerweile in die Gegend von Ulm verzogene Verurteilte, welche Funktionen er jetzt genau in der rechtsextremen Szene ausübt. Zumindest zeitweise hatte er Arbeit in einer zum rechtsextremen Netzwerk gehörenden Druckerei. Zu einem "Aktionstag" in Göppingen und Esslingen Anfang April gegen "völkerfeindlichen Kapitalismus" war Thomas B. mit dem JN-Landesvorsitzenden Martin Krämer als Redner angekündigt, voriges Jahr auch für eine rechtsextreme Kundgebung in Emmendingen, die dann jedoch abgesagt wurde. Sein Verteidiger kündigte an, auf Rechtsmittel gegen das Urteil zu verzichten, falls dies auch die Staatsanwaltschaft unterlasse.