Offener Brief der Gruppe Tierbefreiung Hamburg an die Organisation Ärzte gegen Tierversuche - „Keine Bühne und kein Forum für Wolfgang Apel“
Liebe Ärzte gegen Tierversuche! Wie auch im letzten Jahr in Hamburg werden wir uns auch dieses Jahr in Bremen an der von euch organisierten Demonstration gegen Tierversuche beteiligen. Bereits im letzten Jahr haben wir unser Unbehagen in Bezug auf die Teilnahme diverser Tierschutzgruppen zum Ausdruck gebracht. Diese Kritik begründet sich durch den Reformismus, der dem Tierschutz immanent ist. Dieser drückt sich in der Forderung der Verbesserung der Ausbeutung der Tiere aus, wodurch diese lediglich 'verbessert' und infolgedessen legitimiert wird. Seit jeher hat der Tierschutz das Ziel verfolgt, die Umstände und Bedingungen der Tierausbeutung zu verbessern, nicht aber, die Tierausbeutung abzuschaffen. Auf Grund dessen entwickelte sich die (abolitionistische) Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung, die ein Ende der Tierausbeutung in jeder Form fordert und der wir uns zugehörig fühlen.
Wir mobilisieren zur Teilnahme an der Demonstration gegen Tierversuche, um aus unserer (abolitionistischen) Perspektive unseren deutlichen Protest gegen Tierversuche zum Ausdruck bringen wollen. Darüber hinaus wollen wir verdeutlichen, dass wir gewillt und entschlossen sind, jede Form der Nutzung und Ausbeutung von Tieren zu beenden. Unsere Teilnahme an der Demonstration in Hamburg verstanden wir daher auch als kritische Intervention mit dem Ziel, unsere Position zu diskutieren und Tierschutz offensiv, aber respektvoll zu kritisieren.
In
diesem Jahr sind wir jedoch gelinde gesagt tief enttäuscht darüber,
wem auf der Demonstration ein Podium geboten wird, denn Wolfgang Apel
ist in diesem Jahr als Redner geführt. Apel ist (nachdem er
jahrelang Leitungstätigkeiten ausgeübt hat) Ehrenpräsident des
Deutschen Tierschutzbundes. Der Deutsche Tierschutzbund gehört zu
den 'konservativsten' Vertreten des politischen Tierschutzes und
empfiehlt beispielsweise den Konsum von Fleisch, sofern die Tiere
'artgerecht gehalten' wurden [2]. Er will sogar ein Gütesiegel für
'tierschutzgerechtes Fleisch' entwickeln [3]! Doch es kommt noch
schlimmer: Apel selbst ist unmittelbar in die Fleischindustrie
involviert, da er Vorstandsvorsitzender von Neuland Fleisch ist. Das
bedeutet, dass Apel persönlich das massenhafte Töten von Tieren
legitimiert und bewirbt. Dass die 'Biohaltung' von Tieren
lediglich eine Strategie der Legitimation von Tierausbeutung ist und
dass auch die partielle 'Schonung' von Tieren vor der Tötung in
keiner Weise die Tötung von Tieren an sich rechtfertigen kann, steht
dabei außer Frage.
Wir halten es für einen politischen Skandal, dass mit Wolfgang Apel ein Vertreter der (Bio-)Fleischindustrie auf einer der größten Antitierversuchsdemonstrationen sprechen darf.
Es ist für uns unerheblich, ob Apel eingewilligt hat, sich nur zum Thema Tierversuche zu äußern. Ferner ist es für uns unerheblich, dass Apel eine gewisse politische Macht in der Bremer Tierschutzbewegung hat. Auch Apels Erfolge auf kommunaler Ebene nivellieren in keiner Weise seine Tätigkeit für die Fleischbranche. Die paradoxe Trennung, Gewalt im Kontext von Tierversuchen zu kritisieren, im Kontext von Fleischproduktion jedoch zu rechtfertigen, ist für uns absolut nicht nachvollziehbar und politisch unverantwortlich. Über seine Involviertheit in der Fleischindustrie zu schweigen bedeutet für uns ein Schweigen über die Gewalt, die den Tieren dort angetan wird und die Apel offensiv legitimiert. Dass die Demonstration das Thema Tierversuche fokussiert rechtfertigt für uns noch lange nicht, dezidierte Gegner der Tierrechtsbewegung als Redner einzuladen. Die Einladung ist ein offener Affront gegen die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung.
Wir sind uns der Stärke und des Vorteils pluralistischer Bündnispolitik bewusst, weshalb wir selbst uns an der Demonstration beteiligen, wenngleich wir mit vielen anderen teilnehmenden Organisationen zum Teil schwerwiegende politische Differenzen haben. Es gibt jedoch eine Grenze der Kooperation und die ist bei offiziellen VertreterInnen der Fleischindustrie maßlos überschritten! Dies ist auch der Grund warum wir uns entschieden haben, unsere Kritik an der Organisation der Demonstration öffentlich zu machen
Um es vorweg zu sagen und pauschalisierenden Befürchtungen den Wind aus den Segeln zu nehmen: Wir werden weder die Bühne stürmen, noch anderweitig die Rede aktiv verhindern. Wir halten es aber für unsere politische Pflicht, diesen offenen Brief auch während der Rede Apels zu verteilen, um den anderen DemonstrationsteilnehmerInnen die Möglichkeit zu geben, sich über Apels Doppelfunktion als Tierschützer und Vertreter der Fleischbranche zu informieren, da von eurer Seite aus hierzu nirgends ein Hinweis zu finden ist.
Wir
verbleiben mit solidarischen Grüßen und kämpfen weiter für die
Befreiung der Tiere!
Tierbefreiung-Hamburg
[1] http://www.tierbefreiung-hamburg.org/archives/820
[2] http://www.tierschutzbund.de/verbrauchertipps_fleisch.html
[4] http://www.neuland-fleisch.de/kontakt/impressum.html