Protestaktion vor einem Messestand der Bundeswehr hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel. Ein Gespräch mit Anna Sander Interview: Michael Schulze von Glaßer
Anna Sander ist aktiv beim »Offenen Treffen gegen Krieg und Militarisierung« in Stuttgart. Sie steht jetzt vor Gericht, weil sie gegen die Bundeswehr demonstrierte
Im Februar vergangenen Jahres fand in Stuttgart die »didacta« statt – mit knapp 100000 Besuchern die größte Bildungsmesse Europas. Wie jedes Jahr gehörte auch die Bundeswehr zu den Ausstellern. Sie haben dagegen protestiert und wurden prompt festgenommen – jetzt steht der Gerichtsprozeß an. Weshalb eigentlich?
Mir und meinem Mitangeklagten wird vorgeworfen, bei unserer Aktion in drei Fällen Uniformen und den Teppich des Bundeswehr-Messestandes mit Ketchup verschmutzt zu haben. Wir haben uns auf den Boden vor dem Stand gelegt und wollten mit dem Ketchup das Blut von Kriegsopfern symbolisieren. Dazu haben wir über einen Lautsprecher auch noch Töne von Explosionen und Gewehrschüssen abgespielt. Der bei unserer Aktion entstandene Sachschaden durch die Ketchup-Flecken soll sich auf 100 Euro belaufen.
Wie hat die Bundeswehr denn auf die Aktion reagiert?
Im Raum Stuttgart kommt es auf Messen fast immer zu Aktionen gegen
Werbestände der Bundeswehr. Von daher war der Protest für deren
Offiziere sicher nicht ganz überraschend. Zudem schien es mir, daß die
Polizei schon bereitstand, sie war nämlich sehr schnell an Ort und
Stelle. Auch die Feldjäger haben sofort eingegriffen und versucht, die
Aktion zu unterbinden.
Die Bundeswehr kann mit Kritik nicht umgehen, deshalb muß sie wohl zu
solchen Mitteln greifen. Dennoch konnten wir auf der »didacta« einige
Zeit einen Gegenpol zur Armeepropaganda bilden. Unsere Gruppe hat aber
dann Hausverbot für den gesamten Bereich der Messe bekommen und sich
auch entfernt. Ich und eine weitere Person wurden aber von der Polizei
festgehalten und sogar zur erkennungsdienstlichen Behandlung mit auf die
Wache genommen – scheinbar suchten die Beamten irgend jemand, den sie
für diese Aktion verantwortlich machen können.
Genau das soll nun geschehen. Aber wollte das Gericht das Verfahren nicht schon einstellen?
Das ist richtig, das Amtsgericht hatte das Verfahren zunächst wegen Geringfügigkeit aufgehoben. Damit wollte sich die Staatsanwaltschaft aber nicht abfinden und hat sich an das Landgericht gewandt. Das wiederum hat den Beschluß des Amtsgerichts aufgehoben und den Prozeß zurückgegeben. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft möchte offenbar unbedingt ein Zeichen gegen kriegskritischen Protest setzen. Uns schreckt das aber nicht ab.
Wie hoch könnte die Strafe ausfallen?
Das wissen wir nicht. Sehr hoch wird sie aber wohl nicht sein. Bedrohlicher ist es momentan für uns, daß die Staatsanwaltschaft zu dem Verfahren sechs Zeugen geladen hat – unter anderem aus Witten und Köln in Nordrhein-Westfalen. Wenn wir den Prozeß verlieren, müßten wir mit einiger Sicherheit die Gerichtskosten zahlen, also auch die Anreise aller Zeugen und deren Unterbringung in Stuttgart. Die Kosten werden nicht gering sein und sollen uns aufgebürdet werden.
Was macht die deutsche Armee überhaupt auf einer Bildungsmesse?
Um Nachwuchs zu finden und ihre Kriege zu legitimieren, drängt die
Bundeswehr massiv in die Schulen. Die »didacta« wird fast ausschließlich
von Lehrkräften besucht, von denen viele noch sehr jung sind. Die
Bundeswehr will die Lehrer ansprechen, um danach von ihnen in den
Schulunterricht eingeladen zu werden. Dort halten dann Jugendoffiziere
Vorträge und erklären den Kindern und Jugendlichen, warum Deutschland
Krieg führen muß.
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden dabei mit »humanitären
Absichten« und der angeblichen »Stabilisierung« bestimmter Regionen
begründet. Daß es bei diesen Einsätzen, die meistens das genaue
Gegenteil von Humanität und Stabilisierung hervorbringen, eigentlich um
Ressourcensicherung und geostrategische Machtpolitik geht, wird
natürlich verschwiegen. Zudem versuchen die Wehrdienstberater, den Boden
dafür zu bereiten, daß sie an Schulen neue Rekruten werben dürfen. Die
»didacta« dient der Bundeswehr quasi als Kontaktbörse. Wir wehren uns
dagegen und wollen nicht, daß die Armee an Schulen Nachwuchs und
Zustimmung ködert.
Der Prozeß beginnt am Donnerstag, 19. April, um 10 Uhr im Amtsgericht Stuttgart (Hauffstraße 5) im Saal 107.