Am Samstagnachmittag feierten zahlreiche Umweltaktivisten im Hambacher Forst und demonstrierten gegen seine Abholzung. Der Wald gehört zum nächsten Abschnitt des sich unaufhaltsam vorkämpfenden Tagebaus Hambach.
Kerpen-Buir - Unter einer uralten Buche im diffusen Licht von Sonnenstrahlen stehend, die sich mühsam ihren Weg durch die mächtigen grünen Baumkronen bahnen, stimmen Klaus der Geiger und seine Musiker einen Protestsong an. Es geht um „die Bagger von Rheinbraun“, die ohne Rücksicht auf Menschen, Pflanzen und Tiere alles plattmachten, was sich ihnen in den Weg stelle. Solche Lieder hören die Anwesenden hier gern; der bekannte Straßenmusiker aus Köln bekommt prompt reichlich Beifall.
Der Schauplatz der Szenerie ist mit Bedacht gewählt: Genau jenen Bereich des Hambacher Forstes, wo Umweltaktivisten aus der Region am Samstagnachmittag noch fröhlich ein Waldfest feiern und sich gegenseitig zum Widerstand ermutigen konnten, wird es schon in wenigen Jahren wohl nicht mehr geben. Er gehört zum nächsten Abschnitt des sich unaufhaltsam von Nordwesten nach Südosten vorkämpfenden RWE-Braunkohletagebaus Hambach.
Geändertes Umweltbewusstsein
Unaufhaltsam? „So sicher ist das doch noch gar nicht“, meint Paul Kröfges. Während die zur Umsiedlung bereiten Menschen im nur zwei, drei Kilometer entfernten Manheim fast schon auf gepackten Koffern sitzen, gibt der zu den Waldfest-Gästen gehörende Landesvorsitzende der Umweltschutzorganisation BUND die Hoffnung nicht auf: „Frühere Klagen gegen den Tagebau haben wir verloren. Doch das war in den Neunzigern. Inzwischen haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen und das Bewusstsein für Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes geändert. Auch wenn es manchem völlig unrealistisch erscheint: Wir haben durchaus noch die Hoffnung, den Tagebau stoppen zu können, bevor er auch den letzten Rest dieses unschätzbar kostbaren Waldes vernichtet.“
Der Hambacher Forst, der in den vergangenen 30 Jahren schon von fast 6000 auf jetzt noch gut 1000 Hektar dies- und jenseits der Autobahn 4 bei Kerpen-Buir geschrumpft ist, spielt bei den neuen BUND-Beschwerden gegen die aktualisierten Tagebau-Betriebspläne eine entscheidende Rolle. Jahrhunderte alte Eichen- und Buchenbestände, die mehreren streng geschützten Specht- und Fledermausarten sowie rund 130 weiteren artenschutzrechtlich bedeutsamen Tierarten als Lebensraum dienen, leben hier. Die BUND-Argumentation: Da es durch den Ausbau der erneuerbaren Energien inzwischen Alternativen zur Braunkohleverstromung gebe und da die Zerstörung eines so kostbaren Waldes durch keinen noch so guten Ausgleichsplan auch nur annähernd wettgemacht werden könne, sei für eine Fortführung des Tagebaus Hambach heute kein „überwiegendes öffentliches Interesse“ mehr vorhanden.
Die rund 250 Umweltaktivisten, die am Samstag auf Einladung der BUND-Jugend, von Robin Wood, des Attac-Netzwerks, der Initiative „ausgeCO2hlt“ und anderer Organisationen unter dem Motto „Wald statt Kohle“ im Forst feierten, sehen das ähnlich und zeigen sich entschlossen, weiter gegen RWE im Allgemeinen und den Tagebau Hambach im Besonderen aufzubegehren. Dabei machte Jörg Vosen von der Elsdorfer Initiative Bergbaugeschädigter deutlich, dass der Schutz der Menschen am Tagebaurand mindestens ebenso wichtig sei wie die Rettung des Waldes. Vosen zeigte sich tief enttäuscht vor allem darüber, dass weder bei RWE noch bei den Aufsichtsbehörden Zahlen dazu zu erhalten seien, wie viel Feinstaub und auch Uran denn nun durch den Tagebau freigesetzt werden und was das für die Gesundheit der Anrainer bedeutet: „Wir Anwohner wollen nicht länger mit irgendwelchen schwer einzuordnenden Prozentzahlen abgespeist werden. Wir wollen endlich exakt wissen, wie viele Tonnen Feinstaub am Tag es sind.Im Raum schwebt eine offiziell nicht bestätigte Zahl von 134 Tonnen täglich. Wenn ich das höre, bekomme ich wirklich Angst um die Gesundheit meiner Familie. Wir leben schließlich ganz nah an der Abbaukante.“