Im Rahmen der Vortragsreihe »Erziehung nach Auschwitz« findet am 30. Mai der dritte Vortrag im Insitut für Bildungswissenschaft (IBW) statt. Es spricht Detlev Claussen zum Thema »Neuer Antisemitismus, Artefakt Holocaust und massenmediale Konjunkturen«.
Ob
der Antisemitismus anwächst, ist ungewiß; aber sicher wird weltweit
über Antisemitismus, Holocaust und Auschwitz mehr geredet als je zuvor.
Der Antisemitismus ist widerlich. Ihn zu erkennen, bedarf es keines
großen intellektuellen Aufwands. Dennoch wächst die wissenschaftliche
Literatur über den Antisemitismus unaufhaltsam an.
Selten findet man bei eingehender Lektüre etwas Neues; aber immer „neue Ansätze“, Paradigmen etc. Das hat weniger mit den Veränderungen des Antisemitismus selbst zu tun als mit dem Zyklus akademischer Konjunkturen. Die massenmediale Kultur hat inzwischen Auschwitz assimiliert. Das zu begreifende Unbegreifliche ist in eine triviale Banalität verwandelt worden, aus der die Menschheit Lehren ziehen soll, deren Unverbindlichkeit sich kaum verheimlichen läßt. Die publikumswirksamen Produkte der Massenkultur erzeugen post crimen einen Sinn, der durch Auschwitz gerade dementiert worden ist.
Detlev Claussen, geboren 1948 in Hamburg, studierte Philosophie, Soziologie, Politik und Literaturwissenschaft in Frankfurt am Main; Habilitation 1965. Er lehrt Soziologie an der Universität Hannover.
Veröffentlichungen u.a.: »List der Gewalt. Soziale Revolutionen und ihre Theorien« (1982); »Mit steinernem Herzen. Politische Essays« (1989); »Unterm Konformitätszwang. Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Psychoanalyse« (1988); »Von Judenhass zum Antisemitismus. Materialien zu einer verleugneten Geschichte« (1988); »Aspekte der Alltagsreligion« (2000) sowie »Theodor W. Adorno. Ein letztes Genie« (2003).
30. Mai - 18:15 Uhr | Akademiestraße 3, 69117 Heidelberg
Hörsaal des Instituts für Bildungswissenschaft | Universität Heidelberg
Ankündigungstext der Reihe »Erziehung nach Auschwitz«:
Auschwitz
wird heute allernorts gedacht. So sehr gehört das Erinnern an das
Unsägliche zur demokratischen Selbstvergewisserung, dass es über das im
Bestehenden fortwirkende Vergangene nicht zu reflektieren vermag. Von
der Gesellschaft ehedem einkassiert, verkümmert die Erinnerung. In ihr
gerät zur Reife, was Auschwitz besiegelte.
Eine
»Erziehung nach Auschwitz« muss zu leisten imstande sein das
»zerstörerische Moment der Aufklärung« in sich aufzunehmen, das den
Rückfall in die Barbarei zeitigte.Ihr darf die Gesellschaft ebensowenig
äußerlich sein, wie dieser der Bruch den Auschwitz hinterließ. Eine
solche Erziehung kann heute nur als gesamtgesellschaftliches Projekt
begriffen und nicht allein der Pädagogik überantwortet werden.
Ansätze hierzu sollen die Vorträge verhandeln und im Tutorium besprochen werden.
Weitere Vorträge:
- 20. Juni - Silvio Peritore zu »Geteilte Verantwortung? Die "Lehren nach Auschwitz" und die Situation der Sinti und Roma heute«
- 27. Juni - Astrid Messerschmidt zu »Migrationsgesellschaftliche und geschlechterreflektierende Perspektiven auf Erinnerungsbildung zwischen Differenz und Ungleichheit«
Alle Vorträge beginnen um 18 Uhr c.t. und finden im Hörsaal des IBW statt.