RWE betreibt mit dem Rheinischen Braunkohlerevier Europas größte CO2-Quelle – und das Ganze lange Zeit fernab jeder öffentlichen Wahrnehmung. Seit den 70er Jahren wird dort mit den größten Baggern der Welt Braunkohle im offenen Tagebau gefördert und noch bis mindestens 2045 sollen die Gruben das Weltklima zerstören. Seit der Streuobstwiesenbesetzung 2008 beim Tagebau Garzweiler II und den Klimacamps 2010 und 2011 bringen einige Initiativen frischen Wind in den Widerstand dagegen. Mit einer Frühjahresoffensive 2012 soll die Auseinandersetzung um die Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden in den Fokus der deutschsprachigen Umweltbewegung gebracht werden. Ein breites Bündnis aus Anwohner_innen und Umweltaktivist_innen ruft für den 14. April zu einem großen Kulturfest im Hambacher Forst auf. Dieser wird Jahr für Jahr ein Stückchen mehr durch den Tagebau zerstört, bis er in 10 Jahren vollständig abgeholzt sein wird. Zum Schutz des Waldes sollen bei dem Fest Baumpatenschaften verliehen werden. Vom 18. bis zum 19. April soll die RWE-Jahreshauptkonferenz blockiert werden. Dafür wird es ein zweitägiges Camp vor der Grugahalle in Essen geben. Im Sommer wird bereits das dritte Klimacamp in der Region gegen das Rheinische Braunkohlerevier statt finden, diesesmal organisiert von der neu gegründeten Kampagne „ausgeCO2hlt“.
Das Rheinische Braunkohlerevier | Waldfest | RWE unplugged | Klimacamp | ausgeCO2hlt-Kampagne | Perspektiven | Anti-Kohle-Proteste weltweit
Das Rheinische Braunkohlerevier
Das Rheinische Braunkohlerevier ist das mit Abstand größte der drei deutschen Braunkohlereviere, vor der Lausitz und dem Mitteldeutschen Braunkohlerevier. Jedes Jahr werden hier 100 Millionen Tonnen Braunkohle verfeuert, welche etwa die gleiche Menge CO2 freisetzen und 13 % des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes ausmachen. Die Infrastruktur des Rheinischen Braunkohlereviers besteht aus drei Tagebauen – Hambach, Garzweiler und Inden – und fünf Großkraftwerken. Die Ausmaße des gesamten Komplexes sind in jeder Hinsicht gigantisch, wie die Profite von RWE. Schaufelradbagger graben die größten Gruben Europas, die bis zu 450 Meter tief sind und mehrere Kilometer breit. Die Braunkohle wird von den Tagebauen direkt auf privaten Kohlebahntrassen in die naheliegenden Kohlekraftwerke Neurath I und II, Niederaußem, Weisweiler und Frimmersdorf gebracht und dort verbrannt. Regelmäßig werden ganze Dörfer umgesiedelt, Autobahnen und ICE-Trassen umgelegt und der Hambacher Forst, der größte Wald der Region, wird zerstört. Neben CO2 werden durch die Tagebaue und Kraftwerke auch radioaktive Stoffe und (Fein-)Staub freigesetzt, sowie die giftigen Stoffe Blei, Quecksilber, Arsen und Schwefel. RWE ist dabei fleißig weiter Braunkohlekraftwerke zu bauen, in Betrieb zu nehmen und zu planen. Unter dem Label „BoA-plus“ (Betrieb mit optimierter Anlagentechnik plus) und mit einem neuen Design wollen sie darüber hinwegtäuschen, dass es keine klimaverträgliche Braunkohleverbrennung gibt. Wenn jetzt – wie in Niederaußem – neue Kraftwerke geplant werden, so dauern deren Genehmigung und Fertigstellung etwa 10 Jahre und dann haben diese eine angepeilte Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren. Sie würden also bis in die 2060er Jahre hinein laufen müssen, um rentabel zu sein. Die Genehmigungen für den Abbau der beiden großen Kraftwerke Garzweiler und Hambach läuft aber nur bis 2040 bis 2045. Der kleinere Tagebau Inden sogar nur 10 Jahre kürzer. RWE scheint also neue Tagebaue zu planen. Soviel zum Thema „Brückentechnologie“...
Für den Braunkohleabbau im rheinischen Braunkohlerevier wird auch flächenweise Wald gerodet; der Hambacher Forst. Weil dies ein Ende finden muss, organisiert ein breites Bündnis an Aktiven ein Waldfest, auf dem Baumpatenschaften verliehen werden sollen.
Der Aufruf für das Waldfest lautet:
„Wald statt Kohle – Kulturfest zum Erhalt des Hambacher ForstesDer Hambacher Forst, einst der größte Wald in der gesamten Region fällt Jahr für Jahr ein Stückchen mehr Europas größtem Braunkohletagebau zum Opfer.
Er besteht immer noch aus mindestens 600.000 Bäumen, ist in seiner Struktur 12.000 Jahre alt und durch einen hohen Anteil an Totholz, Eichen, Winterlinden usw. ein ökologisch wertvoller Lebensraum für eine Fülle von bedrohten Pflanzen- und Tierarten.Gegen die Abholzung durch RWE sprechen weitere Gründe:
- Ein Naherholungsgebiet geht verloren
- Ein wichtiger Schutz gegen den Tagebau-Staub für die Orte Buir, Manheim und Morschenich verschwindet
- Das Abholzen des Waldes und die anschließende Verbrennung der Kohle machen das Rheinische Braunkohlerevier zur größten CO2-Quelle Europas. Das treibt den Klimawandel in unverantwortlichem Maße voran.
Aufgrund des Verlustes an Lebensqualität, den gesundheitlichen und ökologischen Folgen des Braunkohleabbaus regt sich vielfältiger Widerstand.
Auf dem Kulturfest am 14. April wollen wir, Anwohner_innen und Umweltaktive aus Nah und Fern, zusammenkommen und unsere gemeinsamen Stärken erkennen, um den Hambacher Forst zu erhalten. Alle Gruppen oder Einzelpersonen können eine Patenschaft für einen Baum übernehmen und diesen auf ihre Art und Weise schützen. Neben einer kleinen Kreativ- und Bastelecke vor Ort, kann eine Vorbereitung zu Hause mit Familie oder Nachbarschaft auch im Vorhinein schon stattfinden. Seid kreativ, die Vielfältigkeit der Methoden soll unsere Stärke sein!“
Anfahrt, Programm Kontakt und mehr ist zu finden unter: hambacherforst.blogsport.de
Gegen die Jahreshauptversammlung von RWE gibt es traditionell Proteste aus der Anti-Atom-Bewegung. Letztes Jahr mischten auch Anti-Kohle-Aktivist_innen mit. Ein Camp wurde errichtet und die Versammlung eine Zeit lang blockiert – teilweise mit Ankettvorrichtungen. Ähnliches ist auch dieses Jahr geplant – unter dem Kampagnen-Namen „unplugged“.
Hier der Aufruf dazu:
Für eine atom- und kohlefreie Energieversorgung – sozial, ökologisch, dezentral und selbstverwaltetIm Zuge der breiten Massenmobilisierungen nach Fukushima gab es letztes Jahr bunten und effektiven Widerstand gegen die Jahreshauptversammlung von RWE. Seit diesen Protesten und den darauf folgenden Atommoratorien der Bundesregierung musste der Konzern zwar sein Atomkraftwerk Biblis abschalten, ist jedoch von einem umwelt- und menschenfreundlichen Energiemix so weit entfernt wie eh und je.
Die Atomkraftwerke Emsland und Gundremmingen laufen noch und RWE plant unbeirrt weiter Atomkraftwerksneubauten im europäischen Ausland, unter anderem im niederländischen Borssele, wo der Konzern auch schon zu 30 % an einem weiteren Meiler beteiligt ist. Ebenso ist RWE immer noch Anteilseigner an der Urananreicherungsanlage in Gronau. Dort wird Uran für etwa 10 % aller weltweiten eingesetzten Brennelemente hergestellt. Gleichzeitig baut RWE neue Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Braunkohlerevier und plant noch weitere Kraftwerksneubauten wie das 1.100-MW-BoAplus-Kraftwerk in Niederaussem, obwohl das Revier schon jetzt die größte CO2-Quelle Europas darstellt. Wegen des Braunkohleabbaus wird Stück für Stück des ehemals 4500 ha großen Hambacher Forsts weiter abgeholzt und ganze Dörfer werden umgesiedelt. Zugleich ist RWE-Dea in Niedersachsen bei der unkonventionellen Erdgasförderung (Fracking) im Geschäft, wo es zu großflächigen Grundwasserverseuchungen mit krebserregendem Benzol gekommen ist. Dem gegenüber stehen die geradezu jämmerlichen Investitionen in die erneuerbaren Energien des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns, mit welchen er lediglich ein grünes Image vortäuscht. Knapp zusammengefasst: RWE ist der dreckigste Energiekonzern Europas.
Dazu passt dann auch dass der RWE-Manager Dr. Fritz Vahrenholt mit seinem klimaskeptischen Buch „Die kalte Sonne“ den Klimawandel in dem Maße relativiert, dass wir uns noch ruhig Zeit lassen können und die Bild titelt „Die CO2-Lüge. Stoppt den Wahnwitz mit Solar- und Windkraft“. Das Ziel dieser ideologischen Mobilmachung im wissenschaftlichen Deckmäntelchen ist es den Prozess der „Energiewende“ deutlich abzubremsen, um so Marktanteile für den Monopolisten RWE zu erhalten. So wie auch die fortschreitende Aushöhlung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes der Regierung einen Ausbau der Erneuerbaren massiv ausbremst. Dagegen hilft nur praktischer Widerstand, eine konsequentere Fortführung der Energiewende und die Abwicklung von RWE, bei der die Gesellschaft nicht auf den Kosten sitzen bleibt.Unsere Perspektive: Energiedemokratie
Der Kampf für eine gerechte Gesellschaft muss konkret werden und der Energiesektor ist das fossil-atomare Herz des Kapitalismus. Hier stehen die Energiekonzerne symptomatisch für ein wachstumsbasiertes und ressourcenverschwenderisches Gesellschaftmodell. Unser Ziel ist es die vier großen Energiekonzerne zu vergesellschaften. Energie gehört in Bürger_innenhand – sozial, ökologisch, dezentral und selbstverwaltet! Nur so lässt sich eine grundlegende und nachhaltige Energiewende und ein kompletter Atomausstieg wirklich umsetzen. Wir brauchen eine Gesellschaft in der nachhaltiges Wirtschaften und ein solidarischer Umgang belohnt wird und nicht Gewinne privatisiert und Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden.
Für eine Zusammenführung der Energiekämpfe
Der Widerstand gegen RWE nimmt weiter zu. Die Anti-Atom-Bewegung bleibt wachsam und wird den Widerstand unter anderem gegen die Uranfabrik in Gronau verstärken. Gleichzeitig wächst die Anti-Braunkohlebewegung und dehnt ihre Aktivitäten aus. Verschiedenste Aktivist_innen stricken an einer Vernetzung aller Energiekämpfe. Menschen aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland, aus Anti-Fracking-Initiativen, Bürger_inneninitiativen gegen die Folgen des Braunkohleabbaus, sowie Anti-Atom-, Klima- und Umweltinitiativen als auch aus der Occupy-Bewegung, anarchistischen und linken Gruppen werden sich vor der Jahreshauptversammlung von RWE treffen.
Der richtige Ort für Widerstand: die Jahreshauptversammlung
Die Jahreshauptversammlung ist der Ort, um vielfältigen Widerstand zu leisten und die verschiedenen Energiekämpfe zusammenzuführen. Die Anteilseigner_innen von RWE, die auf eine hohe Dividende setzen, sind mitverantwortlich an der zerstörerischen Energieproduktion des Konzerns. Es sind Kommunen, die großen Versicherungsgesellschaften wie die Allianzversicherung und Münchner Rück, aber auch viele Kleinanleger_innen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Unterstützung von RWE wegbricht, indem wir uns bei der Jahreshauptversammlung quer stellen! Wir werden dem Energieriesen den Stecker ziehen!
Was wir vorhaben:
Wir wollen vom 18. auf den 19. April 2012 ein Protestcamp vor der Grugahalle in Essen auf die Beine stellen und uns am 19. April 2012 effektiv und vielfältig bei der Jahreshauptversammlung quer stellen.
18.–19. April 2012: Protestcamp vor der Grugahalle in Essen
19. April ab 8 Uhr: Wir stellen uns bunt und vielfältig gegen die Jahreshauptversammlung quer!Energiewende bleibt Handarbeit!
Mehr Infos dazu gibt es auf der Seite: rweunplugged.blogsport.eu
Wie schon bereits in den letzten zwei Jahren, soll auch 2012 vom 3. bis 12. August ein Klimacamp im – und gegen das – rheinische Braunkohlerevier stattfinden. Ein Bildungsprogramm über Klimawandel, Kohleabbau, die Verknüpfung zwischen Klima und Flucht und mehr wird verbunden mit Aktionen gegen Kohleabbau und einem möglichst klimaneutralen Leben auf dem Camp als Experiment. Außerdem finden 2012 zwei weitere Klimacamps statt. Eines in der Lausitz (vom 11. bis zum 19. August) und eines bei Kassel. Alle drei Klimacamps richten sich gegen den Abbau und die Verbrennung von Braunkohle und ein gemeinsamer Aufruf ist geplant.
Aus dem Aufruf für das Klimacamp:
Auf dem Camp wollen wir versuchen, ressourcenschonend und basisdemokratisch zu leben. Bildung und Debatte stehen im Zentrum des Camp-Programms. Das Camp ist ein Ort des Austauschs, der Vernetzung und der positiven Gemeinschaft. Und vor allem kann es der ideale Ausgangspunkt für direkte Aktionen gegen die Braunkohleinfrastruktur und Blockaden von Kohlezügen sein.
Nach dem Klimacamp 2011 hat sich die Kampagne „ausgeCO2hlt“ gegründet, die neben der Organisierung der Klimacamps auch weitere Aktivitäten zu einer Kampagne zusammenfügen will.
Die Kampagne hat etwa monatliche Wochenendtreffen, zu der Menschen, die sich einbringen wollen, eingeladen sind. Die Kampagne will die Bandbreite des Protestes im rheinischen Braunkohlerevier erweitern. Neben den Bürgerinitiativen will sie den Aspekt der Klimazerstörung durch den Braunkohleabbau betonen und neben den Verbänden will sie auf soziale Bewegung, auf direkte Aktionen und zivilen Ungehorsam setzen, anstatt bloß auf rechtliche Auseinandersetzungen. Die Kampagne „ausgeCO2hlt“ sieht sich der politischen Klimabewegung zugehörig und will die sozialen und die ökologischen Folgen, sowie die Ursachen des Klimawandels thematisieren und bekämpfen.
Aus dem Selbstverständnis von ausgeCO2hlt:
Wir sind die Kampagne „ausgeCO2hlt“: ein buntes, breites, spektrenübergreifendes Bündnis für den sofortigen Braunkohleausstieg. Wir möchten die Klimabewegung in die Offensive bringen und gleichzeitig die verschiedenen Energiekämpfe zu Themen wie Atomkraft, Fracking oder Braunkohle zusammenführen. Dabei fühlen wir uns verschiedenen sozialen Bewegungen wie zum Beispiel der Anti-Rassismusbewegung oder den Krisenprotesten solidarisch verbunden.
Als größter Klimakiller Europas eignet sich das rheinische Braunkohlerevier gut als Kristallisationspunkt für die Klimakämpfe der Zukunft, die in ihren Analysen und Handlungsoptionen über die sogenannte „Verbraucher_innenmacht" hinausgehen müssen. Die oben genannten Aktivitäten und Kampagnen sind gute Gelegenheiten für Aktive aus verschiedenen Spektren, um zusammenzukommen und breiten Widerstand aufzubauen. Um die Kohlekraft zu überwinden, als ersten Schritt in eine postfossile Zukunft, brauchen wir eine breit aufgestellte Bewegung, ähnlich der Anti-Atom-Bewegung. Vielleicht sollten sich aber auch die verschiedenen Kämpfe gegen einzelne Energiesektoren zusammentun und einen gemeinsamen Kampf gegen den fossil-nuklearen Kapitalismus führen.
Der Kampf gegen Kohleabbau und -verstromung sollte sich innerhalb von Nationalstaatsgrenzen begrenzen, da auch die Kohleindustrie weltweit agiert. Ein großer Teil der in Deutschland verbrannten Kohle wird zum Beispiel importiert (größtenteils aus Kolumbien), trotz der gigantischen Mengen, die hier abgebaut werden. In Kolumbien, China, Bangladesh, Indien und anderen Abbauländern des globalen Südens, sind die betroffenen Menschen der Zerstörung durch den Abbau und der damit einhergehenden Repression viel unmittelbarer ausgeliefert als im globalen Norden. Auch deshalb spitzt sich der Widerstand in vielen dieser Ländern in den letzten Monaten und Jahren zu. Diese Kämpfe sollten beobachtet werden und solidarisch unterstützt werden. In vielen englischsprachigen Ländern, wie Schottland, USA, Australien, Neu-Seeland, England entwickelten sich in den letzten Jahren sehr direkte Aktionsformen gegen die Kohleindustrie. Auch hiervon kann gelernt werden.