Diskussionsveranstaltung
Wir reden trotzdem!
40 Jahre Berufsverbote und kein Ende?
Betroffene berichten von den persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des sogenannten "Radikalenerlass"
Als ReferentInnen haben die vom Berufsverbot betroffenen KollegInnen
- Michael Csaszkóczy (GEW)
- Gerlinde Fronemann (GEW)
- Brigitte Kiechle (ver.di)
- Klaus Lipps (GEW)
zugesagt.
Mittwoch, den 28.
März 2012, 19.30 Uhr DGB-Haus,
Karlsruhe, Ettlingerstr.3a (Großer Saal)
Veranstaltet von
- Gewerkschaftlichen Zukunftsforum Karlsruhe
- GEW Kreis Karlsruhe
- GEW Nordbaden
- ver.di Mittelbaden-Nordschwarzwald
- DGB Nordbaden
Vor
40 Jahren, am 28. Januar 1972, beschloss die
Ministerpräsidentenkonferenz unter dem Vorsitz von Bundeskanzler
Willy Brandt den sogenannten „Radikalenerlass". Zur Abwehr
angeblicher Verfassungsfeinde sollten „ Personen, die nicht die
Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung einzutreten“, aus dem öffentlichen Dienst
ferngehalten bzw. entlassen werden. Mithilfe der „Regelanfrage“
wurden etwa 3,5 Millionen Bewerberinnen und Bewerber vom
„Verfassungsschutz“ auf ihre politische „Zuverlässigkeit“
durchleuchtet. In der Folge kam es zu 11 000 offiziellen
Berufsverbotsverfahren, 2 200 Disziplinarverfahren, 1 250
Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Formell richtete
sich der Erlass gegen „Links- und Rechtsextremisten“, in der
Praxis traf er vor allem Linke, darunter viele
Gewerkschaftsmitglieder.
Der „Radikalenerlass“ führte zum faktischen Berufsverbot für
Tausende von Menschen, die als Lehrerinnen und Lehrer, in der
Sozialarbeit, in der Briefzustellung, als Lokführer oder in der
Rechtspflege tätig waren oder sich auf solche Berufe vorbereiteten
und bewarben. Bis weit in die 80er Jahre vergiftete die staatlich
betriebene Jagd auf vermeintliche „Radikale“ das politische Klima.
Der „Radikalenerlass“ diente der Einschüchterung, nicht nur der
aktiven Linken. Die existentielle Bedrohung durch die Verweigerung
des erlernten oder bereits ausgeübten Berufes war eine Maßnahme
der Unterdrückung außerparlamentarischer Bewegungen insgesamt.
Statt Zivilcourage wurde Duckmäusertum gefördert.
Seit Ende der 80erJahre wurde der Radikalenerlass kaum mehr
angewandt. Heute gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
(AGG), das eine Diskriminierung wegen politischer Überzeugungen
verbietet. Damit wurde eine entsprechende EU-Richtlinie umgesetzt.
Die Bedrohung durch den „Radikalenerlass“ gehört aber auch 2012
keineswegs der Vergangenheit an: Im Jahr 2004 belegten die
Bundesländer Baden-Württemberg und Hessen den Heidelberger
Realschullehrer Michael Csaszkóczy mit Berufsverbot, weil er sich
in antifaschistischen Gruppen engagiert hatte. Erst 2007 wurde
seine Ablehnung für den Schuldienst durch die Gerichte endgültig
für unrechtmäßig erklärt. In Bayern wird von Bewerberinnen und
Bewerbern für den öffentlichen Dienst weiterhin formularmäßig die
Distanzierung von Organisationen verlangt, die vom
„Verfassungsschutz“ als „linksextremistisch“ diffamiert werden.
Und eine sogenannte „Extremismus“-Klausel, die sich auf die
Ideologie und mehr als fragwürdigen Einschätzungen des
„Verfassungsschutzes“ stützt, bedroht existenziell die wichtige
Arbeit antifaschistischer, antirassistischer und anderer
demokratischer Projekte.
Auch in unserer Region und in Karlsruhe waren etliche KollegInnen
von Berufsverboten betroffen.
Zu unserer Diskussionsveranstaltung haben wir u.a. die vom
Berufsverbot betroffenen KollegInnen
- Klaus Lipps (GEW)
- Michael Csaszkóczy (GEW)
- Brigitte Kiechle (ver.di)
- Gerlinde Fronemann
eingeladen.
Wir wollen mit ihnen über die Berufsverbote und die persönlichen
und politischen Auswirkungen diskutieren,
sowie über die Auswirkungen der Praxis der Berufsverbote auf das
gesellschaftliche Klima in Deutschland.
Kontakt: zukunftsforum-ka@web.de