Das Berliner Bündnis 18. März ruft zu einer Demonstration für die Freiheit der politischen Gefangenen am 18.3. durch den Kiez in Berlin-Friedrichshain zum Frauenknast Lichtenberg auf. Das Bündnis, in dem die Berliner Ortsgruppe der Roten Hilfe e.V. beteiligt ist, fordert unter anderem die Abschaffung der Paragraphen 129, da diese als "Gesinnungsstrafrecht" eingesetzt werden. Im Frauengefängnis in Lichtenberg (JVA- Berlin Lichtenberg, Alfredstr. 11, U5 -Magdalenenstr.) sitzt derzeit - teils unter strenger Isolierung - die türkische Aktivistin Gülaferit Ünsal ein. Auftakt der Demo ist um 15 Uhr am U-Bhf. Samariterstr.
Sonntag 18. März 2012
15 Uhr – U-Bahnhof Samariterstraße
Berlin – Friedrichshain
Aufruf zur Demonstration am 18. März unter dem Motto
"Weg mit den § 129 - Freiheit für Gülaferit Ünsal"
Am 18. März 2012 werden wir für die Freiheit aller politischen Gefangenen auf die Straße gehen.
An diesem Tag 1871 bewaffneten sich die Pariser Arbeiter_innen,
verjagten die französische Regierung und bildeten 72 Tage lang eine
Räterepublik. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. 30 000
Menschen starben, 38 000 wurden verhaftet. Seitdem wird am 18. März den
politischen Gefangenen gedacht.
Seit über 140 Jahren fordern weltweit fortschrittliche Kräfte die
Überwindung der bestehenden Verhältnisse und kämpfen für ein System in
welchem es weder soziale noch politische Gefangene geben wird.
1922 wurde dann auf dem IV. Weltkongress der kommunistischen
Internationale die Internationale Rote Hilfe (IRH) gegründet und die
Durchführung eines internationalen Tages der politischen Gefangenen
beschlossen, der am 18. März 1923 erstmals ausgerufen werden konnte.
Das vergangene Jahr 2011 war geprägt von weltweiten Aufständen und
Revolten. Von dem Sturz der Diktatoren in Ägypten und Tunesien, über die
Bildungsproteste in Chile und Kolumbien, der streikenden Arbeiter_innen
in den Fabriken Chinas, der Occupy-Bewegung in den USA bis nach London,
wo 2011 sozial benachteiligte Jugendliche revoltierten entsteht neuer
Widerstand. Die kapitalistischen Staaten antworten mit
Massenverhaftungen, Folter, Mord und umfangreicher Ausforschung
kritischer Menschen.
In den USA werden in der Folge des deklarierten „Kampfs gegen den
Terror“ nach dem 11. September 2001 die verschärften Überwachungen,
Misshandlungen und Gefängnisstrafen legitimiert durch den sogenannten
"Patriot Act". Europaweit wurden die Anti-Terrorgesetze ausgebaut.
Auch in Deutschland werden kritische Aktivist_innen verfolgt und
eingesperrt. Besonders krass in ihren Konsequenzen sind die Paragrafen
129, 129a und 129b. Es handelt sich um ein Gesinnungsstrafrecht, das
bevorzugt gegen tatsächlich existierende oder konstruierte linke
Zusammenhänge eingesetzt wird um diese auszuforschen und zu
kriminalisieren.
Im Jahre 2004 gab es ein Verfahren nach dem §129a gegen Magdeburger
Antifaschisten. 2009 wurden Axel, Olli und Florian wegen der Vorwürfe
Bundeswehrfahrzeuge in Brand gesetzt zu haben und Mitgliedschaft in
einer kriminelle Vereinigung (die „militante gruppe“ nach dem §129
angeklagt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Der 2003 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführte §129b
ermöglicht es nun auch Straftaten, welche außerhalb der BRD angeblich
begangen wurden oder die nach dem deutschen Strafrecht oft gar nicht
strafbar wären, wie zum Beispiel die Solidaritätsarbeit für politische
Gefangene, hier verfolgen zu können. Dabei findet eine enge
Zusammenarbeit mit den folternden Justizorganen dieser Staaten, wie zum
Beispiel der Türkei, statt und Abschiebungen werden im Fall von
Aussageverweigerung angedroht und umgesetzt.
Seit 2008 kam es zu mehreren Anklagen und Verurteilungen linker
kurdischer und türkischer Aktivist_innen nach dem §129b. Ihnen wird
vorgeworfen Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. der
Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) gewesen zu sein.
Faruk Ereren wurde mit Hilfe von Aussagen, die unter Folter zu Stande
kamen, Ende September 2011 zu lebenslänglicher Haft verurteilt, nachdem
er eine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verweigerte, die ihm
im Gegenzug dafür zuvor eine lediglich 4,5 jährige Haft angeboten hatte.
Aktuell befindet sich im Frauengefängnis Berlin-Lichtenberg Gülaferit
Ünsal in Isolationshaft. Sie wurde am 21. September 2011 mithilfe des
europäischen Haftbefehls von Griechenland nach Deutschland ausgeliefert.
Als Begründung diente der Vorwurf Spenden gesammelt und Zeitschriften
verkauft zu haben. Voraussichtlich im Frühsommer 2012 ist mit einem
Prozess gegen sie und einer Anklage nach dem §129b zu rechnen. In
Hamburg befindet sich der kurdische Genosse Ali Ishan Kitay in
Isolationshaft und wartet auf einen §129b Prozess.
Isolationshaft bedeutet den weitgehenden Entzug aller Umwelteinflüsse
und die völlige Vereinzelung des Menschen. Der Körper reagiert darauf
mit extremen Symptomen. Seit 1970 kam sie unter anderem gegen die
Gefangenen der RAF zu Einsatz. Diese Foltermethode wurde maßgeblich in
Deutschland wissenschaftlich erforscht, und anschliesend weltweit bspw.
in die Türkei exportiert, wo sie in den F-Typ Gefängnissen als Teil
einer EU Norm angewandt wird.
Die alltägliche Repression nimmt hierbei auch in Deutschland immer
einschränkendere Züge an und wird entsprechend der technischen und
politischen Möglichkeiten weiter ausgeweitet. Nach den Autobränden in
Berlin und der darauf folgenden Panikmache um einen vermeintlichen
„neuen linken Terror“ wurden in Berlin-Friedrichshain 2011 4,2 Millionen
Handyverbindungsdaten gespeichert und ausgewertet –・von jedem Menschen,
der sein Handy im Bereich um einen Autobrand an hatte!
Während erfolgreicher Blockaden des Naziaufmarsches in Dresden 2011 hat
eine weiträumige Überwachung stattgefunden. An einem Tag wurden mehr als
eine Million Handydaten erfasst und gespeichert. Aufgrund
antifaschistischer Aktivitäten in Dresden und Umgebung im Laufe des
Jahres 2011, wurde gegen zahlreiche Aktivist_innen ein
Ermittlungsverfahren nach §129 eingeleitet. In Sachsen, Stuttgart,
Berlin und Brandenburg fanden in diesem Zusammenhang Hausdurchsuchungen
statt.
Antifaschistischer Widerstand wird kriminalisiert, während BRD
Geheimdienste, in diesem Fall der Verfassungsschutz, den
„Nationalsozialistischen Untergrund“ mit aufbaute, welcher zahlreiche
Menschen ermordete.
Rassismus herrscht in besonderem Maße auch innerhalb der deutschen
Polizei, die sich immer offener als selbsternannte Richter und Henker in
einem verhalten. Ihre Einschüchterung richtet sich, wie die Morde an
Dennis J., Slieman Hamade und Oury Jalloh zeigen, gezielt gegen
gesellschaftliche Minderheiten.
Auch politisch aktive Menschen mit einer langen Widerstandsgeschichte
werden aktuell bedroht. Sonja Suder und Christian Gauger wurden im
September 2011 von Frankreich nach Deutschland ausgeliefert. Aktuell
erwarten sie ein Strafverfahren nach §129a, da ihnen vorgeworfen wird
Mitglieder der revolutionären Zellen (RZ) gewesen zu sein. So sollen sie
u.a. Anschläge im Rahmen einer antimilitaristischen, sowie einer
gentrifizierungskritischen Kampagne verübt haben. Beide verweigern trotz
ihres Alters von 70 und 79 Jahren und jahrzehntelanger Illegalität jede
Kooperation mit den staatlichen Repressionsorganen.
In spanischen und französischen Gefängnissen befinden sich nach dem
Verbot mehrerer politischer Parteien und Jugendorganisationen, sowie der
Verfolgung fast jeglicher Ansätze des baskischen Befreiungskampfes, 700
baskische Gefangene. Politische Gefangene in Spanien werden vor
Sondergerichten verurteilt und befinden sich in den ersten 5 Tagen ihrer
Haft in einer Incommunicadohaft genannten Kontaktsperre, während der
sie sehr häufig Folter ausgesetzt sind. Dies betrifft auch die aktuell
52 Gefangenen der PCE (r), einer revolutionären Partei, sowie der Grapo,
einer antifaschistischen Widerstandsorganisation.
Politische Repression in den USA zeigt sich am deutlichsten an den seit
Jahrzehnten festgehaltenen politischen Gefangenen, die stellvertretend
für ganze Bewegungen mit lebenslänglichen Haftstrafen oder sogar der
Todesstrafe überzogen wurden. Wie bei so vielen anderen politischen
Gefangenen wurden dem indigenen Aktivisten Leonard Peltier und den
afroamerikanischen Journalisten und ehemaligen Black Panther Mumia
Abu-Jamal Polizistenmorde ohne jegliche Beweise untergeschoben. Peltier
kämpft seit 1976 um ein neues Verfahren. Gesundheitlich schwer
angeschlagen befindet er sich seit Jahren auf einer Odyssee durch
Bundesgefängnisse, oft in Isolation. Mumia wurde 1981 sogar zum Tode
verurteilt, obwohl die Manipulation seines Verfahrens weltweit bekannt
wurde. Im Dezember 2011 musste die Justiz ihre Forderung nach
Hinrichtung endgültig aufgeben. Im April 2012 wird es international zu
Protesten und Aktionen für Mumias Freilassung kommen.
Die hier genannte weltweite Politik ist Teil eines staatlichen
Mechanismus um die bestehenden kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse
zu sichern. Dies soll allen die sie anzweifeln eine massive staatliche
Macht signalisieren und ihnen mit Repressionen drohen, um sie davon
abzuhalten, sich für menschlichere Alternativen zu diesem
Gesellschaftssystem einzusetzen.
Alle Teile der fortschrittlichen und revolutionären Widerstandsbewegung
müssen sich zusammenschließen, um sich mit den politischen und sozialen
Gefangenen zu solidarisieren und linke Politik zu verteidigen!
Weg mit den §§ 129, 129a und 129b!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Hoch die internationale Solidarität!