Druckfrisch liegt nun seit Anfang Januar das Buch des seit Jahrzehnten im Umgang mit Gefangenen erfahrenen Sozialarbeiters und Bewährungshelfers Peter Asprion (Freiburg) vor. Auf knapp 200 Seiten, erschienen im Herder-Verlag, gibt der Autor den von Sicherungsverwahrung betroffenen Menschen ein Gesicht. Jedoch hat Asprion dabei insbesondere die aus der SV frei gelassenen „Altfälle“ im Blick und stellt exemplarisch zwei zur Zeit in Freiburg lebende Ex-Verwahrte vor, welche nach wie vor, also nach über einem Jahr in Freiheit, von der Polizei Tag und Nacht bewacht werden. Er entdämonisiert sie nachdrücklich.
Fast ist man ein wenig verwundert, dass ein Sozialarbeiter mit der Vita Asprions, der ganz offen mit den Ideen abolitionistischer Denker sympathisiert, es zwei Jahrzehnte in einem Gefängnis ausgehalten hat, bevor er dann in die Bewährungshilfe wechselte.
Wie einen roten Faden durchzieht das Buch der eindringliche Appell, die SV abzuschaffen und vor allem die Verwahrten und Ex-Verwahrten, wie überhaupt Straftäter nicht als Dämonen anzusehen. Auf Seite 32 schreibt Asprion: „Letztlich erscheint Dämonisierung als ein Versuch des Menschen, für das Übel, das Schlechte, das Böse einen ursächlichen Grund zu finden, den man ausmerzen kann“.
Dieser Satz beschreibt deutlich ein wesentliches Moment (nicht nur, aber auch) bundesdeutscher Kriminalpolitik, wie auch Presseberichterstattung.
Sich in die Niederungen der Akten begebend, weist der Autor nach, wie selbst Gutachter, die eine Erprobung der Betroffenen im Rahmen von Vollzugslockerungen einfordern, letztlich bei Vollzugsanstalten wie gegen eine Wand laufen, die nämlich nicht das geringste Risiko einzugehen gewillt sind.
Neben den zwei ausführlichen Portraits aus der SV Entlassener, finden sich in dem Buch alle relevanten Informationen über Historie und auch statistische Entwicklung im Bereich SV kurz und prägnant auf den Punkt gebracht. Peter Asprion nimmt sich jedoch auch des für die Diskussion so wichtigen Themas der Angst an; wie gehen „wir mit unserer Angst um?“, fragt er und gibt Antworten.
Interessant sind sicherlich gleichfalls die kurzen Einblicke in die Einstellungen jener Polizeibeamter, die die beiden Ex-Verwahrten bewachen. Und gegen Ende des Buches stellt Asprion ganz eindringlich die Rationalität der Behauptung, in der Sicherungsverwahrung säße angeblich der „harte Kern der gefährlichen Täter“, in Frage.
Abgerundet wird das Buch durch einen sehr lesenswerten und analysierenden Einblick in den Verlauf von Begegnungen einer ehrenamtlichen Betreuerin, mit einem der beiden porträtierten ehemaligen Sicherungsverwahrten.
Auch wenn die Abschaffung der SV nicht zu erwarten ist, so kann Asprions Buch doch wichtige Impulse, ob zur Versachlichung, wie auch zur Vermenschlichung der Diskussion geben. Für die Anti-Knast-Arbeit ist dieser Blick eines Insiders hinter die Kulissen gewiss auch nicht zu unterschätzen.
Andererseits darf man sicherlich die Wirkung des Buches nicht überschätzen, denn es gibt mittlerweile den sogenannten „üblichen Kreis der Verdächtigen“ von Juristen und Psychiatern, die gerne auch zu öffentlichen Anhörungen im Bundestag, dort im Rechtsausschuss, geladen werden, um sich sachverständig zu geplanten Gesetzesänderungen im Strafrecht zu äußern, jedoch letztlich nur noch die Rolle eines Feigenblattes inne haben. Denn ihre Rufe nach mehr Sachlichkeit, mehr Rationalität verhallen in Politik, Medien und weiten Teilen der Justiz ungehört und unbeachtet.
Nichtsdestotrotz ist Kritik und Widerstand unerlässlich. Hierzu kann das Buch seinen Beitrag unzweifelhaft leisten.
Biografische Angaben
Peter Asprion „Gefährliche Freiheit? Das Ende der Sicherungsverwahrung“
Herder Verlag (2012), ISBN 978-3-451-30533-7, Preis: 16,99 Euro
200 Seiten
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal