Sicherheit. In einer Veranstaltung der KZ-Gedenkstätteninitiative sieht Leonberg ein erhebliches Risiko. Von Arnold Einholz
Auch in diesem Jahr erinnert die KZ-Gedenkstätteninitiative in Leonberg (Kreis Böblingen) wieder am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz, an die Opfer des Nationalsozialismus. Auf einer öffentlichen Veranstaltung geht es um das Thema „Die extreme Rechte in Süddeutschland und wie der Verfassungsschutz mit ihr umgeht”. Darüber spricht Robert Andreasch am Freitag, 27. Januar, von 19 Uhr an in der Blosenbergkirche in Leonberg.
Bisher fanden diese Vorträge im Stadtmuseum statt, als gemeinsame Veranstaltung der Gedenkstätteninitiative und des städtischen Kulturamtes. „In diesem Jahre stimmte die Verwaltung, anders als früher, unserer Wahl des Referenten nicht zu”, heißt es in einer Mitteilung der Gedenkstätteninitiative, die die stellvertretende Vorsitzende Marei Drassdo und der Forscher und Autor Klaus Beer für den Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus unterzeichnet haben. Die Stadtverwaltung befürchte, dass der Vortrag rechtsextreme Demonstranten zu einem Aufmarsch in Leonberg anreizen könnte.
Robert Andreasch ist Journalist und beschäftigt sich mit dem Rechtsextremismus. Die Leonberger KZ-Gedenkstätteninitiative setzt mit ihm die Reihe ihrer Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag fort. So referierte vor vier Jahren Kurt Möller von der Fachhochschule Esslingen über die Verbreitung rechtsextremen Denkens auch in der Mitte in der Gesellschaft.
„Es geht uns nicht um die politische Aussage der Veranstaltung, sondern um die möglichen Begleitumstände, und diese können wir nicht akzeptieren”, begründet der Leonberger Sozial- und Finanzbürgermeister Ulrich Vonderheid den Entschluss der Stadt. Die antifaschistische Woche im September des vergangenen Jahres in den Räumen des Jugendhauses Beat-Baracke, bei der ebenfalls Andreasch referiert hatte, habe zu einer angemeldeten Kundgebung der Rechten geführt, die dann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Linksextremen beim Leonberger Bahnhof und in der S-Bahn bis nach Stuttgart geführt habe.
„Es bestehen Sicherheitsbedenken”, so Vonderheid, „und weil die Sicherheitslage nicht unserer Vorstellung entspricht, sind wir gehalten zu handeln.” Noch bevor sich die KZ-Gedenkstätteninitiative auf einen Referenten festgelegt habe, habe die Stadt einen kompetenten Fachmann für die Veranstaltung vorgeschlagen, so Vonderheid, deshalb verwundere es ihn, dass die Organisatoren denselben Redner nach so kurzer Zeit erneut eingeladen hätten. Nach den schlimmen Erfahrungen im September sei über das Thema auch im Gemeinderat diskutiert worden, so Vonderheid. In dem Gremium herrsche der Konsens, dass die Stadt keine Räume für Veranstaltungen zur Verfügung stellen werde, die gewaltbereite Extremisten anlockten. „Wir wollen uns die Wahl von Referenten und Themen auf keinen Fall von der Meinung rechtsextremer Gruppen vorschreiben lassen. Wir beharren auf der hochaktuellen Art und Weise der Gestaltung des Gedenktages”, sagen dagegen Marei Drassdo und Klaus Beer.
Kommentar: Falsches Signal aus dem Rathaus
Rechtsextremismus. Die Stadt macht einen verhängnisvollen Fehler: Wer wirklich gegen politische Randale ist, muss für Aufklärung sein. Von Thomas Durchdenwald
Auf den ersten Blick mag die Position der Stadt Leonberg verständlich sein. Weil es im vergangenen September am Rande einer antifaschistischen Woche zu regelrechten Jagdszenen zwischen linken und rechten Extremisten gekommen war, will das Rathaus aus Sicherheitsgründen mit einer neuerlichen Veranstaltung zu diesem Thema nichts zu tun haben und verbannt sie aus städtischen Räumen. Auf den zweiten Blick unterliegen die Verwaltung und der Gemeinderat aber verhängnisvollen Fehleinschätzungen.
Erstens: der Veranstalter, die KZ-Gedenkstätteninitiative, ist über jeden Zweifel erhaben, sie sollte von der Stadt gestützt und nicht behindert werden. Zweitens: in der Logik der Stadt könnte der rechtsextreme Mob allein mit der Ankündigung einer Demonstration jedwede Veranstaltung torpedieren. Drittens: wer Aufklärung über Rechtsextremismus verhindert, bereitet - auch ungewollt - den Boden des Wegschauens, auf dem extreme Positionen gedeihen.
Und schließlich ganz pragmatisch: zu Recht beharrt die Initiative auf der Veranstaltung und zieht in andere Räume um - die Stadt erreicht mit ihrer Weigerung also ihr Ziel gar nicht. Schon allein deshalb wäre es besser gewesen, die Stadt Leonberg hätte sich an die Spitze einer breiten Bewegung demokratischer Kräfte gesetzt, die für die Veranstaltung und gegen die Randale eintreten: Engagement statt Verhindern.