Dobrindts Populismus freut den Neonazi

Erstveröffentlicht: 
06.01.2012

Wenige Wochen lang gab es einen Konsens der Demokraten beim Thema Rechtsextremismus. Bis die CSU Linkspartei und NPD gleichsetzte. Ein Kommentar

 

Die Existenz der Neonazi-Zelle von Zwickau hatte genau einen guten Aspekt: Nach ihrer Enttarnung waren sich die meisten einig darin, den Rechtsextremismus künftig als eigenes Problem zu betrachten. Es schien, als sähen plötzlich auch die Konservativen seine spezielle Brutalität – die unterschiedslose Herabqualifizierung ganzer Menschengruppen wegen angeborener Merkmale.

Die Kanzlerin schien sogar Familienministerin Schröder den Mund verboten zu haben, die mit ihren unsäglichen Thesen von der Wesensgleichheit des Rechts- und Linksextremismus der provinziellen Kultur des Wegsehens den Stempel des Offiziellen verpasst hatte. Es schien, als ginge es endlich voran – nachdem in zwanzig Jahren 148 Menschen zum Todesopfer des Neonazi-Hasses wurden.

Und dann kam Dobrindt. Schon der Vorschlag des CSU-Generalsekretärs, nicht das Verfassungsgericht, sondern eine Bundestagsmehrheit solle einer Partei das Existenzrecht absprechen können, wäre Anlass gewesen, einmal in aller Ruhe über die Existenzberechtigung der CSU nachzudenken. Andererseits kann man so etwas auch ignorieren: Alexander Dobrindts Vorschlag wird nicht umgesetzt werden, sein Verschwinden dürfte keine Spuren hinterlassen. Wie ein flüchtiger Geruch.

 

Das Gleichsetzen half den Neonazis

Anders ist es mit seiner Idee, in einem Aufwasch mit einem Verbot der NPD auch eines der Linkspartei zu prüfen. Auch dieser Vorschlag hat (wohl) keine Chance, doch möglicherweise steht er für mehr: Für das Verlangen nämlich, nun wieder die alte Statik linksextrem gleich rechtsextrem herzustellen.

Gegen Rechtsextremisten mochte die Union bis zur Aufdeckung der Terrorzelle meist nur vorgehen, wenn sie in einem Atemzug mit linksextremen Hausbesetzern genannt wurden. Das führte oft genug dazu, dass in den gefährdeten Regionen des Ostens nur Linke gegen die Neonazis demonstrierten. Oder, dass in Sachsen Gegendemonstranten von den Behörden schärfer verfolgt wurden als feixende Holocaustverniedlicher.

Es war auch dieses behördlich sanktionierte Klima des Misstrauens gegenüber Linken, dass den Neonazis letztlich den oppositionsarmen Raum verschaffte, den sie brauchten, um ungestört Strukturen entwickeln zu können. Man kann das gut an ländlichen Regionen des Ostens beobachten.

Dieses Gleichsetzen entspringt einer lange gepflegten konservativen Paranoia vor einer Hegemonie der 68er im öffentlichen Diskurs. Dass tatsächlich wenige Argumente vorliegen, unterstreicht die Junge Union NRW besonders anschaulich auf einer eigens geschalteten Website namens Jeder-extremist-ist-mist.de. Kostprobe: "... haben politische Extremisten auch Gemeinsamkeiten in ihrer ideologisch geprägten Weltanschauung: Absolutheitsanspruch, Dogmatismus, Freund-Feind-Schemata, Verschwörungstheorien und Fanatismus." Man ertappt sich, dabei an Dobrindts CSU zu denken.

Im Ernst: Natürlich kann man politische Gruppen danach beurteilen, ob sie gegen die bestehenden Zustände sind. Nur: Welchen Sinn macht das? Ist es nicht ein Unterschied, eine rassistische Diktatur zu fordern oder eine Enteignung der Banken? Warum sollte, wer gegen Rassismus auf die Straße will, immer gleich auch gegen Autonome und Punks demonstrieren?

Wer wie Dobrindt die NPD, eine rassistische Partei mit Verbindungen ins militante Milieu, ernsthaft mit der Linkspartei vergleicht, beweist, dass er sich mit seinem Extremismus-Dogma längst selbst blindgeredet hat. Schlimmer: Der Vergleich verzwergt die Gefahr, die von der NPD ausgeht.

 

Die CSU genießt noch immer Welpenschutz

Dobrindts Aktion lässt vermuten, dass das populistische Potenzial des Alle-Chaoten-in-einen-Sack noch immer existiert. Dass die CSU das gern abschöpft, wundert nicht: In Bayern muss sie ihre Abwahl fürchten, zudem steht die Klausur von Wildbad Kreuth bevor. Also geht es nun gegen den linken Terror im Bundestag. Die CSU eben, denkt man.

Andererseits: Womit hat sich die CSU eigentlich ihren jahrzehntealten politischen Welpenschutz verdient? Wieso kann die Partei über eine Abschaffung der Gewaltenteilung fabulieren und einen mühsam erreichten, äußerst brüchigen Konsens über die Gefahren der Neonazis zerstören? Wenige Wochen hielt die Einigkeit, nun beendet die Dobrindt die Phase des gemeinsamen Schocks.

Das ist eine taktische Chance für die CSU und ein Ärgernis für die Opposition. Es ist aber vor allem ein schwerer Rückschlag für Engagierte, die wegen ihrer Arbeit gegen Neonazis dem Argwohn kleinbürgerlicher Mitbürger ausgesetzt sind. Soll man sich eigentlich wünschen, dass Dobrindt weiß, was er tut?