Am Samstag den 19.11. sind wir, eine Gruppe überwiegend junger 
Antifaschist_innen aus verschiedenen politischen Zusammenhängen, durch 
die Kasseler Innenstadt gezogen.
Iwan Chutorskoi
Anlass
 war unter anderem der Todestag des von Faschisten ermordeten, 
russischen Antifaschisten Iwan Chutorskoi. Iwan wurde vor nun schon zwei
 Jahren, am 16. November 2009, in seinem Hauseingang in Moskau mit zwei 
Genickschüssen regelrecht hingerichtet, nachdem er in der Vergangenheit 
bereits mehrere Mordversuche überlebt hatte. Über mehrere Jahre hinweg 
organisierte er den Schutz für antifaschistische Konzerte und 
Selbstverteidigungskurse für Genoss*innen. Dieses Engagement und das 
Festhalten an seinen Idealen kostete ihn das Leben. Er wurde nur 26 
Jahre alt.
Fälle wie dieser sind - gerade in Russland - keine Seltenheit. Menschen,
 die sich antifaschistisch engagieren, organisieren und vermeintliche 
Migrant*innen werden immer wieder von russischen NationalistInnen 
angegriffen und oft sogar getötet. Verurteilt werden nur die wenigsten 
TäterInnen.
Doch auch direkt vor unserer Haustür finden wir Fälle wie diesen:
Silvio Meier
Am
 21. November jährt sich der Todestag des Hausbesetzers Silvio Meier zum
 18. mal. Silvio und einige seiner Freunde waren am Abend des 21. 
November 1992 in eine Auseinandersetzung mit mehreren Neonazis 
verwickelt. Als diese später erneut aufeinander trafen, zogen die 
Neonazis plötzlich Messer, stachen auf Silvio und zwei seiner 
Begleiter*innen ein und verletzten diese schwer. Silvio erlag seinen 
Verletzungen.
Faschistische Gewalt gibt es allerdings nicht nur 
in der Vergangenheit sondern jeden Tag. So wurde erst am 9.11. 2011, dem
 Jahrestag der Reichspogromnacht, ein Datum, das bestimmt nicht zufällig
 gewählt wurde, erneut ein Brandanschlag auf das Falken-Haus in Berlin 
Neukölln verübt. Das Gebäude, das als Raum für demokratische Kinder- und
 Jugendarbeit dient, wurde bereits am 27. Juni in Brand gesteckt, schwer
 beschädigt und sollte am 4. Dezember wieder eröffnet werden.
Obwohl
 einige von uns gern an diesem Wochenende nach Berlin gefahren wären, um
 die Genoss*innen auf der Demonstration zum Gedenken an Silvio zu 
unterstützen, haben wir uns dazu entschieden, zu Hause zu bleiben. Zu 
oft sahen wir uns in letzter Zeit nahezu ohnmächtig mit einen 
militärisch anmutenden Bullenaufmarsch konfrontiert. Auf derartige 
Schikanen haben wir einfach keinen Bock mehr. Wenn es unmöglich gemacht 
wird Großdemonstrationen angemessen durchzuführen, sparen wir uns die 
Fahrt und gehen dort auf die Straße, wo wir sowieso jeden Tag sind.
Kontinuität rechter Gewalt in Kassel
Ein
 weiterer Anlass für uns, auf die Straße zu gehen, ist die Kontinuität 
rechter Gewalt in Kassel. Bereits 1981 ließ Werner Kahl im Namen der 
"rassistischen Liga" zwei selbstgebaute Bomben unter Autos von 
nichtdeutschen Mitbürger*innen detonieren. Der von ihm gegründete Laden 
"Outfit Freizeit" am Stern befindet sich immernoch in Familienbesitz und
 bietet all das, was der erlebnisorientierte Neonazi für seinen rechten 
Lifestyle braucht.
Auch die scheinbare Verstrickung des 
Inlandsgeheimdienstes in die Mordserie des NSU (Nationalsozialistischer 
Untergrund) wirft Fragen auf. Der damals 21-jährige Halit Y. wurde am 6.
 April 2006 vom NSU in der Kasseler Nordstadt hingerichtet. Statt einem 
rassistischen Hintergrund der Tat nachzugehen, wurde in den bürgerlichen
 Medien auf der Suche nach einem Motiv die Nationalität des Opfers 
herangezogen, um dem Ermordeten eine Verbindung in die organisierte 
Kriminalität anzulasten. Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, der 
keinen Hehl aus seiner rechten Gesinnung machte, war an mindestens drei 
Tatorten des NSU zugegen, wollte jedoch keinerlei Erkenntnisse 
dahingehend aufzuweisen haben. Ermöglicht werden solche Morde durch den 
gesellschaftlichen Rassismus, der sich auch in der Berichterstattung 
niederschlägt, in der von "Dönermorden" berichtet wurde. Man stelle sich
 den Aufschrei in eben diesen Medien vor, wenn in einem anderen Land 
"Deutsche" ermordet würden und von "Sauerkraut-" oder "Kartoffelmorden" 
berichtet werden würde.
Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen von faschistischer und rassistischer Gewalt. Kein Vergeben, kein Vergessen!
Nazistrukturen zerschlagen in Kassel und überall!
Iwan, Silvio und alle anderen Opfer rechter Gewalt, auch wenn wir euch nie kennen lernen durften, werden wir euch nie vergessen.
In unseren Kämpfen lebt ihr weiter.
Video der Aktion bei Vimeo: http://vimeo.com/32395801




