Im Fall der "Döner-Morde" prüft die Polizei Verbindungen zu ungeklärten Anschlägen. Die mutmaßlichen Täter sollen mindestens einen weiteren Komplizen gehabt haben.
Nach der überraschenden Wende in den Ermittlungen zum Heilbronner Polizistenmord und den sogenannten Döner-Morden untersuchen die Ermittler in ganz Deutschland Verbindungen zu bisher noch ungeklärten Anschlägen. Die Polizei prüft unter anderem mögliche Zusammenhänge mit Anschlägen in Nordrhein-Westfalen.
Nach Informationen der Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung geht es dabei um einen Nagelbombenanschlag in einer überwiegend von Türken bewohnten Straße in Köln im Jahr 2004 sowie um einen Anschlag auf jüdische Aussiedler an einer S-Bahn-Haltestelle in Düsseldorf im Jahr 2000. "Wir gehen allen Hinweisen nach", sagte ein Sprecher des nordrheinwestfälischen Innenministeriums zu dem Bericht.
Am Freitag war bekannt geworden, dass hinter dem Heilbronner Polizistenmord und den sogenannten Döner-Morden an acht türkischen und einem griechischen Kleinunternehmer vermutlich die gleiche Gruppe rechtsextremer Täter steckt. Ermittler hatten die Tatwaffe der sogenannten Döner-Morde bei dem Bankräuber-Trio aus Sachsen gefunden, das auch für den Mord an einer Polizistin in Heilbronn vor viereinhalb Jahren verantwortlich gemacht wird. Die zwei Männer des Trios sollen sich vor einer Woche selbst erschossen haben, ihre Komplizin stellte sich danach der Polizei.
Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Neben der Waffe entdeckten die Ermittler in dem Haus rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppe mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund und weisen auf die Döner-Morde hin. Nach den bisherigen Erkenntnissen hatten die Männer und ihre 36-jährige Gefährtin Beate Z. in den 1990er-Jahren Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz. 1998 verschwand das Trio dann aber vom Radar der Verfassungsschützer.
Die mutmaßlichen Täter hatten einem Medienbericht zufolge aber Unterstützung. Wie das Nachrichtenmagazin Focus berichtete, hatte ein 37-Jähriger aus Niedersachsen den Verdächtigen vor Jahren seinen Personalausweis überlassen. Damit soll das Wohnmobil angemietet worden sein, in dem sich die Männer am 4. November erschossen haben sollen. Mit dem Ausweis des Niedersachsen hatten die Männer dem Bericht zufolge auch 2007 ein Wohnmobil gemietet, mit dem sie unterwegs waren, als sich der Mord an der Heilbronner Polizistin ereignete.
Der Unterstützer aus Lauenau bei Hannover soll ebenso wie die Verdächtigen in Jena geboren und zumindest zeitweise Kontakte in die rechtsradikale Szene gehabt haben. Laut Focus wurde der Mann bereits wenige Stunden nach dem Fund der beiden Leichen von der Polizei in Gewahrsam genommen und verhört.
Angesichts der Mordserie hat der niedersächsische Verfassungsschutz vor einer völlig neuen Qualität rechter Gewalt gewarnt. "Wenn sich der Verdacht bestätigt, haben wir es mit dem schlimmsten Fall rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu tun", sagte Präsident Hans-Werner Wargel der Neuen Osnabrücker Zeitung. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) warnte vor "Rechtsterrorismus in Deutschland". "Wir müssen die Hintergründe sorgfältig aufklären, aber was wir bisher wissen, ist in seinem Ausmaß erschütternd", sagte Jäger den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. "Aus Rechtsextremisten sind Terroristen geworden."
Verfassungsschutzpräsident Wargel sagte, den Sicherheitsbehörden sei zwar bekannt gewesen, dass Rechtsextremisten gut mit Waffen und Sprengstoffen ausgerüstet seien. Konkrete Hinweise auf gezielte Morde habe es bislang aber nicht gegeben. "Angesichts dieser völlig neuen Qualität ist es durchaus gerechtfertigt, hier von rechtsterroristischen Taten zu sprechen", sagte Wargel.
Vergleiche mit dem Linksterrorismus der Roten Armee Fraktion RAF hält der Verfassungsschützer indes für verfehlt. "Wenn es Rechtsextremisten waren, haben sie ihre Motive bewusst verborgen. Ihnen ging es offenkundig nicht um eine Selbstbezichtigung, wie es für die RAF typisch war." Auch gebe es keine Hinweise auf einen ideologischen Überbau.
Auch die Süddeutsche Zeitung zitierte Sicherheitskreise mit der Aussage, es gebe bislang keinerlei Hinweise dafür, dass sich hierzulande Rechtsextreme nach dem Vorbild etwa der RAF zu ideologisch motivierten schweren Gewalttaten zusammengeschlossen hätten. So sei kein Fall bekannt, in der rechtsextremistische Gewalttäter beispielsweise mit Banküberfällen Geld verschafft hätten, um aus ideologischen Gründen zu morden. Die Zusammenhänge zwischen dem Mord an der Polizistin und den Dönerbuden-Morden seien bislang "absolut mysteriös".
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, warnte davor, bereits jetzt voreilig von einem Rechtsterrorismus in Deutschland zu sprechen. Anlass zur Kritik an den Sicherheitsbehörden sah Hartmann nicht. "Ich sehe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verfassungsschutz hier eine gefährliche Entwicklung verschlafen hat."