Wegen Volksverhetzung, Beleidigung und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener hat der Offenburger Rechtsanwalt Reinhard Kirpes Anzeige gegen die Organisatoren des ursprünglich in Offenburg angemeldeten Nazi-Aufmarschs Strafanzeige gestellt.
Vor der Presse fand der Strafrechtler auch deutliche Worte zum Verhalten der Verwaltungsspitze und der City-Partner: Aus dem Rathaus hätte er eine klare politische Positionierung gegen Rechts erwartet, von den Einzelhändlern mehr als nur die Sorge über Umsatzverluste durch die Demos.
Auf einer der Redaktion bekannten, inzwischen aber gesperrten
Internet-Seite, hatten die rechtsradikalen "Freien Kräfte Ortenau" noch
bis Ende September für ihren Aufmarsch in Offenburg geworben, der
inzwischen abgesagt und stattdessen in Emmendingen angemeldet wurde –
ebenfalls für den 22. Oktober. Auf der Seite wurde zum einen beklagt,
dass die Kundgebung "im Vorfeld von der Presse durch den Schmutz
gezogen" worden sei.
Weiter hieß es, offenkundig mit Bezug auf einen BZ-Bericht vom 20. September:
"Die kühnste Behauptung war in diesem Zusammenhang, wir würden
absichtlich am 70. Jahrestag der Deportation der badischen Juden ins
Lager Gurs aufmarschieren – um zu provozieren." Schließlich kündigen die
Rechtsradikalen an, "damit nun einen guten Grund zu haben, in jedem
Jahr an genau diesem Datum einen Aufmarsch zu organisieren."
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Allein durch diese Passage sieht Anwalt Kirpes den Straftatbestand der
Volksverhetzung eindeutig erfüllt. Schon diese Formulierung genüge, um
den öffentlichen Frieden zu stören. Zudem werde durch die Ankündigung
des Aufmarsches die Würde der Opfer des Holocaust verletzt.
Der Tatbestand der Beleidigung sei erfüllt durch die Art und Weise, wie
eine Missachtung beziehungsweise Nichtachtung des Schicksals der
überlebenden Juden zum Ausdruck gebracht werde. Dass zudem in der
Internet-Veröffentlichung die Gräueltaten der Nazis verherrlicht würden,
verstoße nicht nur gegen die Menschenwürde der getöteten Juden, sondern
auch gegen das Pietätsempfinden der Bevölkerung. Kirpes sieht somit
auch den Straftatbestand der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener
erfüllt.
Mit gestellt und unterstützt wird die gestern an die Staatsanwaltschaft
versandte Strafanzeige durch Dorothea Siegler-Wiegand, die ihre Mutter
durch die Nazis verloren hatte. Die heute 91-jährige Offenburgerin, die
im vergangenen Jahr auch zu den rund 1000 Teilnehmern der "Demo gegen
Rechts" gesprochen hatte, war Augenzeugin der furchtbaren Szenen am 22.
Oktober 1940. Damals wurden im Saal des Schiller-Gymnasiums die Juden
aus Offenburg für den Abtransport nach Gurs zusammengetrieben. Laut
Kirpes bedeuten die Aufmärsche in Offenburg ausgerechnet am 22. Oktober
"eine Re-Traumatisierung, die von den Veranstaltern nicht nur in Kauf
genommen, sondern willentlich und wissentlich provoziert werde".
Der Spitze der Offenburger Stadtverwaltung, hätte es, so Kirpes sehr gut
zu Gesicht gestanden, sich öffentlich nicht nur ordnungs- und
polizeirechtlich zu positionieren, sondern auch den geplanten Aufmarsch
in aller Eindeutigkeit umgehend politisch zu verurteilen: "Ein Wort der
Solidarität an Frau Siegler-Wiegand, die seit Tagen nicht mehr schläft
und die sich massiv mit den Gespenstern ihrer Lebensgeschichte
konfrontiert sieht, wäre eine mehr als notwendige Geste gewesen."
Gleiches gelte für die City-Partner: Anstatt sich in aller Deutlichkeit
vom Aufmarsch der Rechten zu distanzieren, hätten sie lediglich große
Sorge um Umsatzverluste durch Aufmarsch und Gegendemonstration zum
Ausdruck gebracht.
Für den Offenburger Strafrechtler ist es keine Frage, dass die Täter
namhaft gemacht werden können: Aus dem veröffentlichten Text ergebe sich
zweifelsfrei, "dass es diejenigen Personen sind, die den Aufmarsch am
22. Oktober bei der Stadt angemeldet haben." Erster Anmelder war, wie
berichtet, ein 29-Jähriger Offenburger. Der bekannte Wortführer der
rechten Szene, der in Offenburg auch als Redner der "Kameradschaft
Südsturm Baden" angekündigt war, hat Anfang Oktober mit seinem Auto
einen Antifaschisten über den Haufen gefahren und schwer verletzt – ob
aus Panik oder Vorsatz wird derzeit noch geprüft.