Nachtrag: Noch im Laufe des Tages hat Udo Voigt gegenüber der TAZ erklärt, an seinem Posten festhalten zu wollen und erneut um den Parteivorsitz zu kandidieren. In den Parteimedien steht dazu noch nichts. Auf der Website der Bundes-NPD wurde Voigts vorige Erklärung zum Ausgang der Berlin-Wahl – ein offenes Eingeständnis der Niederlage – stillschweigend entfernt und durch eine optimistischere Einschätzung (“…Wahlkampf […], den Berlin von der NPD in dieser Stärke noch nicht gesehen hat”) aus der Feder Uwe Meenens ersetzt.
Der Posten des NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt wackelt: Beim kommenden Bundesparteitag, der vermutlich am 15. und 16. Oktober in Dessau stattfinden wird, will der sächsische Landesvorsitzende Holger Apfel um den Chefposten kandidieren (GAMMA berichtete zuerst und mehrfach).
Nach der für die NPD enttäuschenden Berlin-Wahl mit 2,1 Prozent der Zweitstimmen und Mandatsverlusten in den Bezirksversammlungen werfen nun immer mehr Funktionäre ihre Stimme in Apfels Waagschale. Er selbst präsentiert sich als Hoffnungsträger, ihm fehlt jedoch ein klares Programm.
Nur einen Tag nach der Wahl bestätigte der sächsische NPD-Landesverband in einer offiziellen Mitteilung die Kandidatur Apfels. Während des Berlin-Wahlkampfes herrschte in der Partei noch ein Burgfrieden, aber der Personalwechsel ist von langer Hand geplant. In der sächsischen Erklärung heißt es, dass Udo Pastörs für den Stellvertreterposten zur Verfügung stünde. Keinen Bezug genommen wird auf die versehentlich bekannt gewordene “Wunschliste” Apfels mit 16 Namen, gewissermaßen eine Schattenregierung für neu zu besetzende Führungsposten.
Apfels wirbt mit zweifelhaftem “Erfolgsweg”
Indes empfiehlt sich Apfel in einem Interview mit der faschistischen Monatszeitschrift “Zuerst” (ehemals “Nation + Europa”), das auf der Website “Deutschland Echo” vorab veröffentlicht wurde, als legitimer Thronfolger. Ohne Führungswechsel drohe der Partei “ein Stillstand, in dem die NPD nur noch verwaltet wird und junge Idealisten von der Fahne gehen.” Apfel wolle daher“den Erfolgsweg aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auch auf andere Parlamente aller Ebenen ausdehnen” und dafür die “öffentliche Wahrnehmung deutlich verändern.”
Das ist eine Anspielung auf die klaren NS-Bezüge im Berlin-Wahlkampf, etwa das “Gas geben”-Plakat samt Konterfei Voigts oder eine Wahlkampfzeitschrift mit einem Kreuzworträtsel, dessen Lösungswort “Adolf” lautet. Apfel verurteilt dies als aussichtslosen “Nostalgie- und reinen Provokationswahlkampf”, der nur auf“Tabubrüche” aufbaue. Doch bekanntlich waren die größten Kritiker der Elche früher selber welche – auch die sächsische NPD unter Apfel ist vor allem wegen ihrer Tabubrüche bekannt geworden. Man denke an Apfels Gerede vom “Bombenholocaust”; und man denke an einen sächsischen NPD-Abgeordneten, der mit Pistole in den Landtag kamen.
Auf die Frage, wie die Parteiarbeit künftig erfolgreicher gestaltet werden könne, antwortet Apfel entsprechend unkonkret. Er verspricht unter seiner Führung “die Professionalisierung unserer Arbeit, die Modernisierung unseres Erscheinungsbildes und die Nachwuchsgewinnung über qualifizierte Bildungsarbeit”. Strategisch solle die NPD sich auf den “Kampf gegen die EU”und die Europawahl 2014 konzentrieren. Allerdings ist bereits die von Apfel mitgetragene Anti-Euro-Kampagne schnell verpufft, aus der angedachtenKampagnen-Kundgebung am 20. August in Leipzig wurde nichts.
Rückendeckung durch Funktionäre
Apfel erhält auch Unterstützung aus der bisherigen Führungsriege der Partei: Das Vorstandsmitglied Eckart Bräuniger hat sich in einem Interview für “Altermedia” auf Apfels Seite gestellt – nur zwei Tage nach der Berlin-Wahl. Bräuniger leitet den “Deutsche Stimme”-Verlag, gilt als Cheforganisator und ist auch bei vielen Kameradschaftern und NPD-Kritikern wohl gelitten. Seine Meinung ist gewiss ein Pfund, unser seiner Meinung nach charakterisiere die jetzige Parteiführung “Konzeptlosigkeit, mangelnde Fähigkeit zu strategischem Denken, einseitige Erfolgsprognosen und schwache Fehleranalyse”. Apfel könne dagegen “als einziger ein klares Konzept” vorweisen und mit der “Unterstützung durch die erfolgreichen Landesverbände” Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern rechnen.
Bräuniger wirft dem Noch-Vorsitzenden Voigt unter anderem einen“verantwortlungslosen” Umgang mit den kriminellen Finanzschiebereien der Partei vor. Außerdem vermisst Bräuniger – nach eigenen Worten “im Bereich eines rassisch vorgemerkten Nationalismus anzusiedeln” – bei seinem Chef die nötige Radikalität: “Ein Neger gilt bei ihm als Deutscher, die Juden als reine Religionsgemeinschaft, ein zersetzender Araber sollte gegen der Willen der Berliner NPD als Mitglied aufgenommen werden.”
Apfel weise dagegen eine “seriöse Radikalität” auf, auch wenn hier wieder im Dunkeln bleibt, worin das “klare Konzept” des Führungs-Kandidaten (abgesehen von der Ausländerfeindlichkeit) besteht. Offenbar nicht in seiner Anti-EU-Kampagne, die selbst laut Bräuniger aus nicht mehr als einem “Transparent an der Fassade der Berliner-Zentrale und zwei bis drei Flugblätter[n]/Aufklebern”bestanden hätte. Das spricht eben nicht für Apfel. Aber Bräuniger vergisst nicht, sich bei ihm für einen Führungsposten im neuen Parteivorstand zu empfehlen. Auf Apfels “Wunschliste” (siehe oben) steht er bereits.
Der Fisch stinkt vom Kopf her
Eindeutig für Apfel hat sich auch der hessische Landesvorsitzende Jörg Krebs positioniert. Noch am Berliner Wahlabend kommentierte Krebs bei “Deutschland Echo”, dass es “hohe Zeit” sei, “an der obersten Spitze der Partei für umfangreiche personelle Veränderungen zu sorgen”, denn “der Fisch stinkt vom Kopfe ab”. Mit diesem Kommentar war der Burgfrieden gebrochen und eine Schlammschlacht eröffnet.
Der bayrische NPD-Chef Ralf Ollert beteiligte sich daran in einer Facebook-Diskussion und empfahl seinen Kameraden, der “neu zu wählenden Führungsspitze der Partei zu folgen und die Erneuerung der NPD nach dem Vorbild Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns voranzutreiben”. Und neben Voigt habe auch sein Vertrauter und Chef des Berliner Landesverbandes, Uwe Meenen, zurückzutreten.
Dem Vernehmen nach sind auch die Parteitags-Delegierten aus Baden-Württemberg und Thüringen mehrheitlich Apfel-freundlich gesonnen. Der bisher einzige “prominente” Voigt-Unterstützer ist das aktuelle Vorstandsmitglied Thorsten Heise. Für ihn hat Apfel laut der besagten Vorschlagsliste aber sowieso keine weitere Verwendung.
Bisher keine Reaktion von “oben”
Noch keine Stellungnahme gibt es von Udo Voigt. Zuletzt hatte er in einer Mitteilung der Bundespartei die von ihm als Spitzenkandidat forcierte Berlin-Wahl zur “Niederlage” erklärt, ohne freilich Konsequenzen anzukündigen. Parallel dazu ist die sächsische Mitteilung zu Apfels Kandidatur auch auf der Website der Bundespartei abrufbar. Unwahrscheinlich also, dass sich Voigt nicht doch noch zu Wort meldet. In Neonazi-Foren wird gar spekuliert, Voigt könnte kurz vor dem Parteitag seinen freiwilligen Rücktritt bekanntgeben, um einer Kampfabstimmung und einem Bruch in der Partei vorzubeugen.
Andererseits wirkt auch deren Pro-Apfel-Fraktion weniger einheitlich und überzeugend, als es durch konzertierte Stellungnahmen den Eindruck macht. Obwohl Apfel nunmehr als Wahlkampf-Kompetenz in Person hingestellt wird, kann beispielsweise der neben Pastörs als Apfel-Stellvertreter vorgesehene Frank Franz im Saarland weder eine agile Parteiarbeit, noch einen gelungenen Wahlkampf vorweisen. 2009 bekam die NPD im Saarland nur 1,5 Prozent, am 23. Oktober will Franz dennoch Oberbürgermeister in Saarbrücken werden. In Apfels Masterplan steckt ein Hauch von Größenwahn.