Immer mehr Schmierereien an Haller Gebäuden

Erstveröffentlicht: 
07.09.2011

Farbattacken auf Wahlkreisbüros nur vorläufiger Höhepunkt eines Trends in Hall

Die Wahlkreisbüros politischer Parteien wurden in der Vorwoche Opfer von Farbattacken. Der vorläufige Höhepunkt einer bedenklichen Serie: Die Sachbeschädigungen durch Schmierereien steigen in Hall enorm.

 

Schwäbisch Hall. Besprühte Mauern, beschmierte Hausfassaden, verklebte Mülltonnen, Slogans auf Türen oder Fensterläden: Der optische Eindruck, der bei einem Spaziergang durch die Haller Innenstadt entsteht, täuscht nicht. Die Zahl der Sachbeschädigungen, vor allem durch Graffiti, geht in Schwäbisch Hall stark nach oben. Zählte die Polizei im Jahr 2009 noch 68 Fälle, waren es 2010 bereits 81. Das entspricht einem Zuwachs von 19 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung ist in Nachbarstädten nicht zu beobachten. Landkreisweit stagniert die Zahl der Sachbeschädigungen mit 978 im Jahr 2010 auf hohem Niveau.

 

Auffällig ist dabei in Hall der Anteil offensichtlich politisch motivierter Taten. In der Nacht zum Donnerstag vergangener Woche wurden die Wahlkreisbüros von SPD und FDP mit Farbe beschmiert. Bei den Grünen ging eine Fensterscheibe zu Bruch. Wie im Nachhinein bekannt wurde, ist auch das CDU-Büro in der Heimbacher Gasse heimgesucht worden. Dort landeten drei mit pinker Farbe gefüllte Behälter auf dem Dach und zerplatzten. Der Sachschaden geht insgesamt in die Tausende.

 

Die Organisatoren der Demonstration zum Antikriegstag am Donnerstag, 1. September (Motto: „Kein Frieden mit der Bundeswehr“), wollen mit den Farbattacken nicht in Verbindung gebracht werden. Entgegen der öffentlichen Ankündigung auf dem Marktplatz entschieden sich die Demonstranten während ihres Zuges durch die Stadt spontan, doch nicht zu den Wahlkreisbüros zu ziehen und dort zu demonstrieren. Heidi Scharf, Hauptrednerin, Erste Bevollmächtigte der IG Metall und Politikerin der Linken, schreibt in einer Mail an diese Zeitung: „Farbattacken sind nicht unser Mittel der politischen Auseinandersetzung“. Gegenüber Nikolaos Sakellariou (SPD) und Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) habe sie die Anschläge auch persönlich verurteilt.

 

Die Anschläge der Vorwoche sind indes nur der Höhepunkt einer ganzen Serie von Sachbeschädigungen, die einen politischen Hintergrund haben: Während der Europameisterschaft 2010 wird ein Privathaus im Hirschgraben mit grünen Farbbeuteln beworfen – der Eigentümer hatte die Fenster mit Deutschland-Fahnen geschmückt. Unbekannte suchen die Baustelle zur Westumgehung mehrmals heim. Im Juni 2008 und nochmals im August 2010 besprühen, beschmutzen und beschädigen sie Maschinen und Fahrzeuge. Im Kocherquartier sind Vandalen im November 2010 unterwegs. Sie beschmieren die Steinfassade mit Parolen. Der Kiosk am neuen Zentralen Omnibusbahnhof und die neue Treppe am Froschgraben werden im April diesen Jahres, kurz vor Eröffnung, Opfer eines Parolenschreibers. Im Mai 2011 werfen Unbekannte mit Farbe gefüllte Beutel gegen die Gebäude der Polizei in der Salinenstraße und der Staatsanwaltschaft in der Klosterstraße.

 

Nicht nur diese Beispiele halten die Polizei auf Trab. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagt Sprecher Hans Ulrich Stuiber. Auch wenn manche Straftat noch nicht aufgeklärt ist – die Quote von über 50 Prozent sei nicht schlecht und man habe einen langen Atem. Oft fallen der Polizei die Täter durch Fingerabdrücke oder DNA-Spuren in Zusammenhang mit anderen Vergehen in die Hände. Auch im Fall der Wahlkreisbüro-Anschläge werden die gefundenen Flaschen und Behälter „kriminaltechnisch untersucht“, wie Stuiber formuliert.

 

Für die Erwischten kann es teuer werden. Nicht nur, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt und Geldstrafen aussprechen kann. In der Regel belangen die Geschädigten die Täter privatrechtlich und fordern Schadensersatz. Dass ein Vandale seine Tat im Knast büßen muss, ist theoretisch möglich – „das habe ich persönlich aber noch nicht erlebt“, sagt Oberstaatsanwalt Peter Bracharz.