Sie nennen sich „Politically Incorrect“, sie kämpfen gegen die „Islamisierung Europas“. Hinter dem erfolgreichen Internetportal steht ein internationales Netz von Islamfeinden und Volksverhetzern.
[Besser lesbar wohl direkt bei der FR - da auch noch mit ausführlicheren Infos zur Verbindung PI mit der "Freitheit", "Pro-Bewegung" ,"Wilders" und "Broders 'Achse des Guten'" (jeweils in Kästen)]
Als die anti-islamische Gemeinde Deutschlands am 3. September zur Jahreshauptversammlung nach Berlin lud, richteten sich alle Augen auf den Chefideologen Geert Wilders. Gegen 13.50 Uhr betrat der hochgewachsene Holländer unter Gejohle den Festsaal des Maritim-Hotels, gefolgt von einem Tross Gleichgesinnter.
Ganz hinten in der Reihe lief ein ebenso schlanker und ebenso gut gebräunter Mann. Ohne viel Aufhebens nahm er in der ersten Reihe Platz, schwieg und beklatschte sein Idol. Die wenigsten im Saal beachteten den sportlichen Mittvierziger. Dabei hätte Stefan Herre durchaus größere Aufmerksamkeit verdient.
Stefan Herre ist Sportlehrer, Amerikafreund und dezidierter Islamfeind. Der Kölner bezeichnet sich selbst als Gründer und Moderator des Internet-Blogs „Politically Incorrect“ (PI), der es im Laufe seines siebenjährigen Bestehens zum Zentralorgan der deutschen Islamphobiker gebracht hat. Herre betont gerne und oft, dass der Blog auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und nur friedliebenden Menschen ein Forum biete. Im Übrigen sei PI eine Art Nachrichtenportal für Meldungen, die sonst keiner bringe. Das ist – gelinde gesagt – untertrieben.
Dokumente, die der Frankfurter Rundschau zugespielt wurden, belegen, dass PI weit mehr ist als eine harmlose Internetseite. Es handelt sich vielmehr um eine Organisation, die zum Teil hochkonspirativ an der Verteufelung einer ganzen Glaubensgemeinschaft arbeitet. Die in einem internationalen Netzwerk von Islamhassern eine entscheidende Rolle spielt und diese noch auszuweiten gedenkt. Die Gewaltverherrlichern und Rassisten, deren Weltbild dem des norwegischen Massenmörders Anders Breivik ähnelt, ein Forum bietet. Und in der die Person Stefan Herre weit mehr ist als ein bloßer Moderator.
Herre, 46 Jahre alt, gründete PI im November 2004, eine Woche nach dem Mord an dem holländischen Islamkritiker Theo van Gogh. Vorwiegend als Fanseite für US-Präsident George W. Bush gedacht, verwandelte sich der Blog schnell in ein Sammelbecken für Muslimfeinde, die zwischen Islam und Islamismus nicht unterscheiden.
In der PI-Welt dominiert die Überzeugung, dass es nur gewaltbereite Muslime gibt und solche, die sich bis zum Ausbruch einer islamischen Revolution in Europa zum Schein friedlich geben. PI versteht sich als Bollwerk gegen diese Umwälzung. Der Islam, sagt Herre, sei keine Religion, sondern eine „Gewalt-Ideologie“, die genauso behandelt werden müsse. Nach und nach gewann er mit solchen Thesen zahlreiche Mitstreiter, darunter eine Reihe enttäuschter CDU/CSU-Leute.
Die Strippenzieher der Organisation - wer zum inneren Zirkel gehört
Der innerste Führungszirkel lässt es zu, dass in dem Blog Muslime als Gesindel, Abschaum und Türkendreck beschimpft und zum bewaffneten Kampf gegen den Islam aufgerufen werden kann. Und das mitnichten nur in den Kommentarspalten. Auch in den redaktionellen Beiträgen finden sich hetzerische und rassistische Aussagen. Heute hat die Seite bis zu 60.000 Besucher täglich. Die Macher und Autoren des Blogs jedoch bevorzugen die Anonymität und legen gezielt falsche Fährten.
So behauptet etwa Herre, weil er mehrfach bedroht worden sei, habe er seinen Blog vor vier Jahren „an eine Person aus dem Ausland“ verkauft und sei nur noch gelegentlicher Autor. Tatsächlich ist er nach wie vor der entscheidende Strippenzieher der Organisation. Bei der Person aus dem Ausland handelt sich um die Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich, die offiziell schon vor Jahren als PI-Mitstreiterin ausgeschieden sein soll.
Tatsächlich wird die anti-muslimische Predigerin aus der Gemeinde Siselen, das belegen unzählige Mails, von Herre, in alle relevanten Führungsentscheidungen eingebunden und ist nach wie vor als Autorin tätig. Dietrich, die unter dem Pseudonym „Thorin Eisenschild“ firmiert, hat direkten Zugriff auf den PI-Server der Firma Liquid.
Unterstützt werden Herre und Dietrich von etwa einem halben Dutzend engster Mitarbeiter, darunter Polizeioberkommissar Torsten Groß, der zu den Führungsfiguren der Rechtsaußen-Partei „Bürger in Wut“ zählt. Diese sorgte im Frühjahr mit ihrem Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft bundesweit für Schlagzeilen. Ebenfalls zum innersten PI-Zirkel gehört Michael Stürzenberger alias „byzanz“, ein früherer CSU-Mann und Ex-Sprecher der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Und Christian Jung alias „Nockerl“, der bis vor kurzem in der Ausländerabteilung des Kreisverwaltungsreferats München arbeitete. Dass Jung und Stürzenberger, der den Nationalsozialismus auf PI „eine linke Bewegung“ nannte, Führungsfunktionen in der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ innehaben, ist kein Zufall.
Seit Gründung der „Freiheit“ im Herbst 2010 durch den Berliner CDU-Renegaten Rene Stadtkewitz pflegen Herre & Co. engste Kontakte zu der anti-islamischen Ein-Themen-Partei. Die Duz-Freunde Herre und Stadtkewitz haben Wilders ersten Berlin-Auftritt gemeinsam organisiert und beraten regelmäßig über die strategische Ausrichtung der Partei, die sich mit einem Triumph bei der Berlinwahl am kommenden Sonntag im wachsenden Kreis der europäischen Rechtspopulisten etablieren will.
Das Ziel von Herre und den restlichen „Freiheit“-Kämpfern ist eindeutig: Unter dem Deckmantel des Kampfes für Menschenrechte sollen der Zuzug von Muslimen gestoppt, ihre Unterstützer mundtot gemacht und Europa zu einer rein jüdisch-christlichen Wagenburg ausgebaut werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist den Gegnern der so genannten political correctness anscheinend jedes Mittel und jede Allianz recht.
Die internationalen Kontakte von PI
So unterhalten Herre und der „Freiheit“-Vorstand nicht nur enge Beziehungen zum anti-islamischen Verein „Bürgerbewegung Pax Europa“ sowie zu etlichen Rechtsaußen-Parteien in ganz Europa. Der bekennende Israelfreund Herre hat es offenbar auch in Jerusalemer Politikkreisen schon weit gebracht. So schrieb er in einer Mail vom 25. November 2010 an Stadtkewitz: „Wir waren dort zu zwei Gesprächen mit hochrangigen Vertretern des Ministeriums“ – gemeint ist das israelische Außenministerium. Interessant ist das auch deshalb, weil gewaltbereite Organisationen wie die „Jüdische Verteidigungsliga“ bereits mehrfach Werbeplatz auf Herres PI-Seite zur Verfügung gestellt bekamen.
Auch nach Amerika hat das PI-Team längst seine Fühler ausgestreckt. Am 5. April 2011 ließ Herre per Mail wissen: „Ich stehe seit ein paar Wochen in ständigem Kontakt zum amerikanischen Pastor Terry Jones.“ Jones, Sprecher einer obskuren christlich-fundamentalistischen Gruppe namens „Stand Up America!“, sorgte im Herbst 2010 weltweit für Aufsehen, als er ankündigte, öffentlich den Koran zu verbrennen. Auf der Suche nach einem Partner, der ihm ein europäisches Forum bieten könnte, stieß er auf PI.
Dessen Macher Herre bot hocherfreut an, einen Jones-Auftritt in Deutschland zu organisieren. Als möglichen Kooperationspartner wählte der wendige Extremsportler in diesem Fall ausgerechnet die PRO-Bewegung, deren Führung von ehemaligen Kadern rechtsextremistischer Parteien durchsetzt ist und die in Berlin ein ähnliches Wählersegment umwirbt wie „Die Freiheit“. Dass Letztere – um als bürgerlich gemäßigt zu gelten und vom Verfassungsschutz in Ruhe gelassen zu werden – ein nahezu manisches Abgrenzungsverhalten gegenüber klassischen Rechtsextremisten an den Tag legt, scheint Herre egal zu sein.
Der Kölner mit dem ungeheuren Geltungsdrang holt vielmehr ins Boot, was auf seinem langen Weg zu Europas Befreiung vorbeigeschwommen kommt. Unter den Dokumenten, die der Frankfurter Rundschau vorliegen, befinden sich mal mehr, mal weniger intensive Korrespondenzen mit etlichen Organisationen und Privatpersonen. Darunter hierzulande sattsam bekannte „Islamkritiker“ wie Ralph Giordano oder Henryk M. Broder – was seltsam ist: Bestreitet Broder doch eine Nähe zu „Politically Incorrect“.
Die Strahlkraft des Blogs scheint inzwischen sogar bis in lupenrein demokratische Parteien zu reichen. Anders jedenfalls ist es nicht zu erklären, dass auch der Stresemann-Club – ein rechtslastiger Verein innerhalb der FDP – Kontakt mit dem „lieben Stefan“ aufgenommen hat. Gleiches gilt für die Senioren-Union der CDU Deutschlands. Deren Geschäftsführer Dirk Hülsenbeck wandte sich am 19. Mai an das PI-Team, weil er „Sympathie für Ihr Engagement“ empfindet. Es gebe „viele in der CDU, die die Union von innen erneuern möchten“, so Hülsenbeck, der einen islamfeindlichen Blog dafür offenbar als Mittel zum Zweck erachtet. Daher bot er PI an, gelegentlich „brauchbare Infos“ zu liefern.
Wie Herre Islamkritiker und fanatische Islamfeinde vernetzt
Und so bastelt Herre nach und nach an einer Organisation, die Islamkritiker und fanatische Islamfeinde eng miteinander vernetzt. Zu Letzteren gehört auch der Rechtsaußen-Publizist „Michael Mannheimer“, bei dem es sich um den Heilbronner Karl-Michael Merkle handelt. Er ist geschätzter „Gastautor“ auf PI und ein weiterer Duz-Freund von Herres.
Mannheimer gilt spätestens seit April dieses Jahres als gefährlicher geistiger Brandstifter innerhalb der Islamhasser-Szene. Damals veröffentlichte er einen „Aufruf zum allgemeinen Widerstand“ des deutschen Volkes. Gegen Islamversteher und alle so genannten Gutmenschen, so Mannheimer, sei „die Inkraftsetzung und schonungslose Anwendung des Widerstandsrechts“ legitim – inklusive des bewaffneten Kampfes.
Mannheimer bewarb auch mehrfach die vor einigen Monaten lancierte Website „Nürnberg 2.0“, einen perfiden Internet-Pranger, der allen Multikulti- und Integrations-Befürwortern mit einem zweiten Nürnberger Kriegsverbrecherprozess droht. Wer hinter dieser Seite steckt, ist unklar. Ein Link führt allerdings zu einem „Netzwerk Demokratischer Widerstand“ und von dort aus zu einer Seite namens „PI-Gruppen“. Zufall?
Auch innerhalb des „Politically Incorrect“-Teams ist durchaus umstritten, dass sich Herre zunehmend politisch einmischt und bei der Partnerwahl vollkommen willkürlich entscheidet. Ende 2010 kam es deshalb zu einer Meuterei zweier Mitstreiter der ersten Stunde. Herres Geltungssucht habe den Blog auf einen fragwürdigen Weg geführt, schreiben die beiden, die der PRO-Bewegung nahestehen und Herres Verbrüderung mit der „Freiheits“-Partei daher rigoros ablehnen. Ein Kurs sei nicht mehr erkennbar, „bei all der Fremdeinmischung politischer Interessengruppen und eitler Selbstdarsteller, die Stefan mit allerlei Versprechen auf große Karriere zu ihrem willfährigen Hofberichterstatter machten“. Herre las es – und schloss die Weggefährten vorübergehend aus.
Auch andere Kritik an seinem Kurs lässt der Blog-Wart nicht gelten. Wiederholt beschwerten sich regelmäßige Autoren zuletzt über zu krasse Muslim-Hetze, Schwulenfeindlichkeit oder „rechtsextreme“ Beiträge. So schimpfte der Stammautor „Frank Furter“, der in der Partei „Freiheit“ unter seinem, der Redaktion bekannten, Klarnamen mitmischt: „Es schadet uns allen, wenn PI so auftritt wie rechte Hetzerseiten a la Altermedia.“ Vor allem ein Autor namens „Kewil“ schieße ständig übers Ziel hinaus. Er sei „im Grunde der Moslem auf PI. Er kommt, integriert sich nicht, will ständig extra Würste, baut nen haufen Scheisse und wundert sich dann noch über das Echo der ,Mehrheitsgesellschaft“.
Herre ließ es an sich abtropfen und beschimpfte mosernde Mitstreiter wie „Frank Furter“ hinter deren Rücken als „Gehirngewaschene“, auf die er zur Not auch verzichten könne. Er halte es für „völlig falsch“, PI „moderater“ zu machen, schrieb er in einer Mail an seine Kritiker. Tatsächlich hat er wohl etwas ganz anderes vor. Schon heute ist PI weit mehr als ein virtueller Treffpunkt von Fanatikern. In etwa 50 deutschen Städten, aber auch in Österreich, der Schweiz und Tschechien, gibt es PI-Gruppen, deren Führer eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen sollen und deren Aufgabe darin besteht, sich regelmäßig konspirativ zu treffen, um Strategien für die Beeinflussung der Öffentlichkeit zu entwerfen.
Die Strategien der PI-Anhänger
Ein ganzes Arsenal davon haben die PI-Anhänger mittlerweile entwickelt: etwa die lautstarke Störung von Diskussionsrunden über den Islam, die gezielte Verunglimpfung von „Gutmenschen“ in den Kommentarspalten verhasster Medien oder die Versendung unzähliger Hassmails an vermeintlich linke Meinungsmacher.
Wes Geistes Kind die PI-Fußtruppen sind, zeigt anschaulich eine Rundmail aus der PI-Gruppe Innsbruck vom 26. Juli dieses Jahres. Nur vier Tage nach dem Massaker des Islamhassers Anders Breivik schreibt der Verfasser, in Norwegen gebe es „so viel Multikulti, das tut schon weh. Ein leichtes Spiel für einen Massenmörder, nicht nur diesen Breivik. Für den PI-Führungszirkel sind solche Äußerungen fatal. Versucht man doch öffentlich alles, um als friedliebende Gemeinschaft dazustehen, die im Dienst von Menschenrechten und Meinungsfreiheit den Islam kritisiert.
So befahl Herre kurz nach dem Massaker, keiner bei PI solle Breivik „ungefragt erwähnen“. Bei Fragen zu dem Attentäter gelte: „uneingeschränktes Bekenntnis zum Grundgesetz“ und „klare Distanzierung von jeglicher Gewaltanwendung“. Intern freilich war Breivik tagelang Gesprächsthema Nummer 1. Selbst Co-Chefin Dietrich räumte ein, dass Breiviks wirre Thesen „auch in diesem Forum stehen könnten“.
Dass die Texte und Kommentare auf PI mitunter juristischen Sprengstoff enthalten, ist den Verantwortlichen offenbar schon lange bewusst. Zudem treibt sie die Frage um, wie sie verhindern können, für jede Aktion der zahlreichen PI-Gruppen haftbar gemacht zu werden. Herres damaliger Anwalt entwarf daher bereits im Frühjahr 2010 ein Gründungskonzept für einen PI-Verein, dessen Satzung jedes einzelne Mitglied abzeichnen müsste.
Es sei von Vorteil, so der Jurist, wenn jede PI-Gruppe eigenverantwortlich handeln und lediglich die Namens- und Markenrechte von PI erhalten würde. Rockerbanden wie die Hell’s Angels und Bandidos machten das auch so: „Wird eine Ortsgruppe als kriminelle Vereinigung verboten, bleiben die anderen weiter erlaubt… Davon kann man lernen.“
Über den Namen eines solchen Vereins hat man sich intern auch schon Gedanken gemacht. Allerdings nicht zu jedermanns Zufriedenheit. „Hallo Stefan“, schrieb im August 2010 ein befreundeter Unternehmensberater: „Den vorgesehenen Namen Politically Incorrect Germans – PIG e.V. halte ich für nicht ideal, weil schon das Kürzel PIG gewisse Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Projekts aufkommen lässt.“
Und die kann nach sieben Jahren PI eigentlich niemand mehr haben.