Gestern wurde im Amtsgericht Braunschweig gegen einen Umweltaktivisten verhandelt, ihm wurde vorgeworfen bei einer Erkennungsdienstlichen Behandlung Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleiset zu haben. Der Aktivist verteidigte sich offensiv und wurde hierbei durch ein widerständiges Publikum unterstützt so, dass es nach ca. 5 Stunden lediglich bis zur Verlesung der Anklage kam.
Wie ein Bekenner_innenschreiben zu entnehmen ist, was Gestern Nachmittag noch auf http://de.indymedia.org/openposting/index.shtml zu finden war, kam es bereits in der Nacht auf Donnerstag zu einem Farbanschlag auf das Gebäude des Braunschweiger Amtsgerichts. Aus dem Schreiben war zu entnehmen, dass die Tat aus der Motivation hervorging, Herrschaft im Allgemeinen anzugreifen.
Der Angeklagte führte den Prozess ohne Anwältin oder Anwalt, beantragte aber nach kurzer Zeit der Verhandlung einen Rechtsbeistand aus dem Publikum, mit der er sich nach Zulassung gemeinsam verteidigte. Sie stellten gemeinsam Anträge in denen sie u.a. auf den politischen Hintergrund (mehr dazu siehe unten) und auf eine grundsätzliche Kritik an Gericht, Polizei, Knast und Strafe aufmerksam machten. Auch von Seiten des Publikums blieb eine permanente Beteiligung an dem Prozess durch Zwischenrufe, Kommentare und anderen kreativen Störungen nicht aus. Hinzu wurden Toiletten mit Luftballons, Luftschlangen, Aufklebern und Sprüchen verziert.
Der Richter begang einen Rechtsbruch nach dem anderen, so unterbrach er den Angeklagten und deren Verteidigerin immer wieder beim Verlesen von Anträgen, Befangenheitsanträge durften zum Teil gar nicht verlesen werden. Rügen wurden zum Teil nicht zu Protokoll genommen und auch bei den brutalen Maßnahmen der Sitzungspolizei griff er nicht ein und duldete auch die diskriminierenden Eingangskontrollen der Justizwachtmeister_innen.
Der Richter rechnete bereits mit Störungen der Verhandlung (während des Prozesses zeigte er den Aufruf in abgedruckter Form, der auf, http://kakakadu.blogsport.de erschien), so das es zu massiven Eingangskontrollen kam, Zuschauer_innen und Angeklagter wurden abgetastet. Hierbei wurden Menschen mehrfach beleidigt und an ihren Genitalien begrabscht. Auch bekamen Menschen die sich den Prozess ansehen wollten, Hausverbote bevor sie den Verhandlungssaal überhaupt betraten, weil sie u.a. ihren Gürtel nicht ablegen wollten oder bei den Begrabschungen ihre Arme nicht weit genug nach oben hielten. Zwei Zuschauer_innen wurden der Polizei übergeben und verbrachten einige Stunden auf der Polizeiwache, im Laufe derer eine der beiden Prozessteilnehmer_innen einer Erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen wurde. Den Beiden drohen jetzt Anklagen wegen Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
„Alles in Allen ist der Tag durchaus als Erfolg zu werten. Wir haben gezeigt, dass die Repression in diesem Fall nicht wirkt und wir uns nicht von Seiten der Justiz in unseren politischen und sozialen Auseinandersetzungen einschüchtern lassen. Trotzdem uns täglich aufs neue Repression begegnet werden wir weiter gegen (Massen)Tierhaltung, insbesondere gegen den zur Zeit sich in Bau befindenden Mega Schlachthof in Wietze und anderen Herrschaftsauswirkungen vorgehen“ so eine der Zuschauer_innen.
Wann der Prozess weiter geführt wird ist noch nicht bekannt, wird aber auf kakaka.du.blogsport.de bekanntgegeben. Auch da wird kreativer Widerstand nicht ausbleiben ...
Es gibt viele Möglichkeiten und Methoden Herrschaftsauswirkungen und Mechanismen anzugreifen. Die kreative und offensive Gestaltung von Gerichtsprozessen ist nur eine davon ...
Hintergründe des Prozesses:
Am 30. Juli letzten Jahres brannte kurz vor der Inbetriebnahme eine
Hähnchenmastanlage in Sprötze, bei Hamburg, ab (Artikel bei Indymedia: http://de.indymedia.org/2010/08/287245.shtml ). Die Mastanlage sollte der erste Zulieferbetrieb für den momentan in Bau befindlichen Schlachthof in Wietze bei Celle werden. Der Familienbetrieb Rothkötter plant in Wietze den größten "Geflügel-" Schlachthof Europas zu bauen, in dem 27 000 Hähnchen pro Stunde geschlachtet werden sollen. Doch momentan sieht es nicht danach aus, als ginge dieser Plan auf, denn von den ursprünglich geplanten 420 Zulieferbetrieben gibt es bisher erst 20 Zugesagte. Besonders in diesem und letztem Jahr wuchs der Widerstand gegen den Schlachthof drastisch an. Fast überall wo Mastanlagen gebaut werden sollen, bilden sich Bürger_innen Initiativen, die versuchen mit Hilfe von Klagen, Demos und anderer Öffentlichkeitsarbeit den Bau neuer Anlagen zu verhindern. Doch auch eine Vielzahl Direkter Aktionen wie z.B. Besetzungen von Baugeländen (Blog zur Besetzung in Wietze: http://antiindustryfarm.blogsport.de) , Farbanschläge oder auch Brandanschläge hatten bestimmt einen wesentlichen Anteil daran, dass sich nicht ausreichend Zulieferbetriebe finden ließen und der Schlachthof nicht wie geplant im Frühsommer in Betrieb gehen konnte. Nach dem Brandanschlag in Sprötze letztes Jahr ermittelte die Kripo Buchholz gegen Personen aus Tierbefreiungs- und Ökozusamenhängen, die alle im letzten Jahr auf diversen Besetzungen auffielen. Neben beschlagnahmten Schuhen und einer Hausdurchsuchung (Artikel dazu: http://de.indymedia.org/2010/11/294861.shtml ) kam es auch zu Erkennungsdienstlichen Behandlungen. Ein Aktivist klagte gegen meine ED-Behandlung vorm Verwaltungsgericht in Lüneburg, was allerdings keine aufschiebende Wirkung hatte. Diese Klage wurde mittlerweile abgewiesen. Im März diesen Jahres konnte die geplante Behandlung mit Hilfe einer Aktion verhindert werden(Artikel dazu: http://de.indymedia.org/2011/04/304086.shtml ). Obwohl die Staatsanwaltschaft zu dem Zeitpunkt das Brandstiftungsverfahren eingestellt hatte, wurde der Aktivist wenig später im April beim Trampen nahe Heidelberg von den Bullen von der Autobahn gefischt. Diese versuchten seine Fingerabdrücke sowie brauchbare Fotos zu bekommen. Trotz mehrerer Versuche gelang ihnen das nicht. Nun behaupten die Bullen der Aktivist hätte sich aktiv gegen diese Behandlung gewehrt ... Mehr Infos unter: kakakadu.blogsport.de/
Presseartikel von der Lokalen Zeitung: http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2048/artid/14721357