Fünf Zukunftsszenarien für die Vauban-Wagenburg
Am Montag ist der 1. August - und für das Kommando Rhino vielleicht Umzugs-Tag, denn dann soll auf dem Gelände am Eingang zur Vauban der Bau eines integrativen Hotels durch die Freiburger Stadtbau GmbH beginnen. So ernst war es für das Besetzer-Kollektiv noch nie. Fünf Szenarien, was in den kommenden Tagen passieren könnte:
Entspannter Umzug bis zum Sonntag
Das Szenario: Die Rhinos akzeptieren, dass ihr Traum vom Raum
für ein alternatives Lebenskonzept im Vauban geplatzt ist. Austausch,
Kulturkino, Gemüsebeete und Selbstbestimmung müssen dann woanders
stattfinden. Nur wo? Das Kollektiv könnte ein Angebot von FDP-Stadtrat
Nikolaus von Gayling (69) annehmen, der ihnen mehrere Privatgrundstücke
im Osten Freiburgs und im Dreisamtal zur Pacht angeboten hat.
Die
Rhinos hatten sich für Gaylings Grundstück „Sieben Jauchert“ in Kappel
interessiert. „Doch die Stadt hat am Dienstag gleich alle Gründe
vorgebracht, warum auf dem Geländeplatz keine Bauwägen stehen dürfen,“
sagt Nikolaus von Gayling. Das Gelände ist als Landschaftsschutz-Gebiet
und Siedlungszäsur (Freifläche) eingetragen. Für die Wagenburgler
müsste es umgeschrieben werden als "Fläche für experimentelles Wohnen“
- was die Stadt ablehnt.
„Die Rhinos wollen in der Stadt
bleiben“, sagt Kollektiv-Mitglied Anna (20). Es sei unvorstellbar,
nicht mehr in der Stadt zu wohnen, schließlich hätten die Besetzer hier
ihren Arbeits- oder Studienplatz in Freiburg und ihren Freundeskreis.
"Man kann nicht von uns verlangen, dass ein Studierender in Umkirch
wohnt und drei Stunden früher aufstehen muss als die anderen," sagt ein
Rhino-Sprecher.
Gayling sieht trotzdem Möglichkeiten: „Ich
habe dem Kollektiv über 20 Plätze angeboten. Sie müssen sich davon
verabschieden, in der Innenstadt bleiben zu können und aufhören,
Forderungen zu stellen.“ Auch am Donnerstag trifft er eine Gruppe von
Rhinos zu Verhandlungen. Für Gayling sind die Wagenburgler potentielle
Pächter wie jeder andere. „Es ist doch kein Unterschied, ob jemand auf
einem Grundstück Bienen züchtet, Windräder aufstellt, Mais anbaut oder
eben dort lebt“, sagt Gayling. „Ich bin von der Stadt enttäuscht.“
Last-Minute-Umzug um Mitternacht
Das Szenario: Wie gekommen, so zerronnen. So wie die ersten Aktivisten Anfang Mai 2009 das Gelände über Nacht besetzten,
ziehen sie auch wieder ab. Damit sparen sie sich nicht nur den Stress
mit der Polizei, sondern auch eventuelle Kosten, die durch die Pfändung
der Wägen entstehen könnten. Es steigt eine große Party und das Kollektiv löst sich in Luft auf. Manche ziehen auf bestehende Wagenplätze, andere auf Parkplätze und Gehsteige.
"Rhino
bleibt in Freiburg!“ verkündet das Kollektiv per Pressemitteilung. Eine
Auflösung kommt für sie nicht in Frage. Auch wenn ihre Wägen am Montag
konfiziert werden, suchen sie weiter nach einer Möglichkeit, zusammen
in der Stadt zu wohnen. Bobby Glatz, Architekt und Mitglied im
Stadtteilverein Vauban, bedauert den bevorstehenden Weggang der
Wagenburgler, die er am liebsten in seinem Viertel behalten möchte. Er
will nicht, dass sich das Kommando in Luft auflöst. "Mit den 35 Rhinos
geht ein Stück Kultur aus der Vauban," findet er. Er
hat zusammen mit dem "Runden Tisch", der sich für das Bestehen der
Wagenburg einsetzt, zum gemeinsamen Transparente-Malen aufgerufen.
Verschieben der Räumung
Das Szenario: Die Rhinos denken gar nicht daran, das Areal zu räumen. Immerhin hat die Stadt für sie noch keine geeignete Alternative
gefunden. Dass sie Meister im Heraus-Schieben und Dazwischen-Funken
sind, haben die Wagenburgler schon oft genug bewiesen. Warum sollte
sich das nun ändern? Sie berufen sich weiterin auf das "Recht auf einen
Platz zum Leben."
Die Stadt hat keine Lust mehr auf
Verhandlungen. Bei der Gemeinderatsitzung am Dienstag wurde nicht nur
Gaylings Grundstück, sondern auch der Kappeler Knoten als
Übergangs-Gelände abgelehnt. Das Thema Rhino wurde im letzten
Tagesordnungspunkt unter „Sonstiges“ abgehandelt. "Eine weitere Duldung
ist nicht möglich", kündigt die Stadtverwaltung an. Jeder weitere Tag,
an dem das Areal besetzt bleibt, kostet die Eigentümerin Stadtbau GmbH Zinsen.
Polizeiliche Räumung in der Nacht zum Montag
Das Szenario: Die Wagenburgler bleiben und lassen sich am
Montagmorgen von Polizisten davontragen. Dabei werden ihre Wägen
beschlagnahmt - und die Bewohner obdachlos.
Das Kommando Rhino bereitet sich auf die Zwangsräumung vor. "Dann
tragen wir den Prozess aber erst recht in die Stadt," sagt ein Sprecher
der Rhinos. "Wir sollten doch eigentlich aus dem Zeitalter heraus sein,
in dem man Leute brachial vertrieben hat."
Ulrich Brecht, Sprecher der Polizeidirektion
Freiburg: "Für die Polizei ist das Kommando Rhino nur ein Thema, wenn
eine Ordnungsstörung oder eine Straftat vorliegt. Die Besetzer sind
dazu aufgefordert, das Areal bis zum 31. Juli zu verlassen. Tun sie
dies nicht, muss die Polizei dafür sorgen, dass der Eigentümer seine
Fläche auch nutzen kann."
Rhino bleibt für immer
Das Szenario: Die Stadtbau GmbH verzichtet in letzter Minute
darauf, das integrative Hotel zu bauen. Alles bleibt, wie es ist.
Kommando Rhino wird solange auf dem M1-Gelände bleiben, bis die
Wohnwägen verrosten und zusammenfallen.
"Da müsste schon
ein Wunder geschehen", sagt einer der Anwohner. Auch die Rhinos werden
nicht weiter kämpfen. "Wir werden es der Polizei gewiss nicht leicht
machen," so einer der Wagenburgler, "aber Gewalt lehnen wir ab."