Rechte in Europa spielen Unschuldslamm

Erstveröffentlicht: 
26.07.2011

Anders Behring Breivik nannte Rechtspopulisten als Vorbild oder war Mitglied bei ihnen. Sie brandmarken den Mörder von Oslo und Utöya als irren Einzeltäter - doch auch sie haben den ideologischen Nährboden bereitet. von Fabian Löhe, Berlin

Jahrelang haben Rechtspopulisten in ganz Europa gehetzt - doch vom dutzendfachen Mord des mutmaßlichen norwegischen Attentäter Anders Behring Breivik wollen sie sich in Windeseile distanzieren: "Es macht mich sehr traurig, dass er früher einmal Mitglied war", beteuerte die Vorsitzende der norwegischen Fortschrittspartei, Siv Jensen. Sie sei entsetzt über das Massaker. "Er war nie sehr aktiv und es fällt uns schwer, jemanden zu finden, der viel über ihn weiß." In einem TV-Interview soll sie sogar noch einen draufgesetzt haben: "Wir sind ein unschuldiges Opfer."

So wie Jensen beeilen sich nach den Morden von Oslo und Utöya rechtsgerichtete Politiker in ganz Europa, eine ideologische Mitverantwortung für die Taten möglichst weit von sich zu weisen. Tatsächlich liefern die von ihnen vertretenen Positionen aber den geistigen Nährboden für die Taten - und legitimieren sie aus Sicht des Täters. "Die politische Position des Anders Breivik ordnet sich ziemlich gut ein in die Positionen des europäischen Rechtspopulismus", sagte Tim Spier, der an der Universität Düsseldorf zu dieser Bewegung forscht, der FTD. 
Die rechtspopulistischen Parteien in Europa unterscheiden sich zwar inhaltlich teilweise erheblich - etwa was die Eindeutigkeit der Distanzierung vom "Dritten Reich" oder die Haltung zu Minderheiten angeht. Doch was sie eint, sind EU-Skepsis und die Ablehnung von Zuwanderung und Islam. So hetzen sie gegen Muslime, lobpreisen die "westliche Rasse" und beklagen sich über angebliche Politische Correctness in Politik und Medien.
Es ist genau jene Ideologie, die der mutmaßliche norwegische Attentäter mit seiner kruden Weltsicht in eine schreckliche Tat umsetzte. Nachdem er in seinem 1500-Seiten-Pamphlet über die "islamische Kolonialisierung Europas" schwadronierte hatte, brachte er kaltblütig 76 Menschen um.

Wenig überraschend ist es, dass Breivik von 2004 bis 2006 Mitglied von Jensens Fortschrittspartei war und von 1997 bis 2007 in der dazugehörigen Jugendorganisation engagiert. Einen bleibenden Eindruck hinterließ er angeblich nicht. "Ich erinnere mich nicht, ob er irgendwelche speziellen politischen Ansichten hatte", sagte das Osloer Parteimitglied Joeran Kallmyr. "Er war nicht wirklich jemand, der sich in der politischen Debatte engagierte." Die zurückhaltenden Äußerungen dürften auch darin begründet liegen, dass die Fortschrittspartei, die bei den vergangenen Wahlen auf 23 Prozent und zuletzt in den Umfragen bei 30 Prozent lag, bei den Kommunalwahlen im September wegen der Attentate wohl jäh abstürzen wird.

"Ich verachte alles, wofür er stand"
Große Bewunderung brachte Breivik dem niederländischen Anti-Islam-Politiker Geert Wilders entgegen. Dieser hat das Konsensmodell seines Landes zum Feindbild erklärt. Wilders zufolge ist der Islam "Politik mit einer spirituellen Dimension, die vor nichts und niemandem haltmachen wird, bis der Westen nicht mehr ist". Seit vergangenem Jahr ist die Regierungspolitik von Ministerpräsident Mark Rutte auf das Wohlwollen des Stimmungsmachers angewiesen. Nach den Attentaten in Norwegen versucht auch der Niederländer, seine Hände in Unschuld zu waschen. "Ich verachte alles, wofür er stand und alles, was er getan hat", sagte Wilders über Breivik. Er nennt ihn einen "kranken Psychopathen". Erst vor wenigen Wochen hatte der Politiker noch vor Gericht gestanden - wegen Aufstachelung zum Hass gegen Muslime. Wilders wurde allerdings freigesprochen.

Demonstratives Unverständnis über Breivik herrscht auch bei der Vorsitzenden der Schwedendemokraten. In Stockholm schafften sie vergangenen September mit 5,7 Prozent erstmals den Sprung in den Reichstag. Laut der "taz" sagte Jimmie Akesson der Zeitung "Dagens Nyheter" sie wisse nicht, warum der Mörder ihre Partei dafür lobe, dass sie "die Unruhe der meisten Schweden wegen der Einwanderungs- und Integrationspolitik des Landes" ernst nehme.
Achselzuckend haben laut "taz" Politiker der "Wahren Finnen" die Tat aufgenommen. Der Abgeordnete Jussi Halla-aho meint demnach auf seiner Internetseite, er könne nichts dafür, wenn andere Menschen seine Ansichten teilen - etwa, dass Frauen, die für eine multikulturelle Gesellschaft sind, von ausländischen Männer vergewaltigt werden müssten, damit sie zur Vernunft kämen. Halla-aho schreibt: "Und Breivik ist eben ein kranker Mensch."