BZ FRAGT NACH: Bei Telefonbefragung nennt jeder Zweite Miethöhe als Hauptproblem / Trotzdem Top-Note für Leben im Quartier.
HERDERN. Einerseits fühlen sich die Herdermer total wohl. Für das Leben im Quartier vergeben sie die Note 1,7 – die beste Bewertung aller sechs Stadtteile, in denen bislang die Telefonumfrage "BZ fragt nach" stattfand. Andererseits fühlen sie sich total abgezockt. Als größtes Problem nennt mehr als die Hälfte aller 550 Befragten die als zu hoch empfundenen Mieten, eine extrem hohe Quote. Weitere Befragungsthemen waren der immer wieder aufflackernde Streit um moderne Architektur, die Idee eines Herdern-Hauses und der Jugendtreff.
Ein so klares Ergebnis hat es auf die Frage nach dem größten Problem im Stadtteil noch nicht gegeben: Aus einer Liste von fünf vorgegebenen Themen (siehe Grafik unten) nannten 53,1 Prozent die hohen Mieten als Top-Ärgernis. Zwar tauchten die Kosten für die Wohnungen auch in den bisher befragten Stadtteilen immer weit oben im Ranking auf, der höchste Wert bislang waren aber 36,5 Prozent im Rieselfeld. Laut dem städtischen Zahlenwerk "Mietspiegel" gehört Herdern tatsächlich – nach der Innenstadt – zum teuersten Pflaster in der Stadt. Der "Herdern-Zuschlag" beträgt satte 11 Prozent. Und dieser Extra-Obolus, den die Vermieter mit Verweis auf die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen dürfen, gilt beileibe nicht nur für die vornehmen Villengegenden am Hang, sondern ebenso für die längst nicht so mondänen Bezirke zwischen Habsburgerstraße und Bahn. Ein Fakt, der in den Mietspiegeldebatten der vergangenen Jahre immer wieder für Empörung gesorgt hat.
				
Die Miethöhe ist übrigens für Männer wie Frauen und für alle 
Altersgruppen gleichermaßen das Herdermer Hauptproblem. Auf Platz zwei 
folgt (mit weitem Abstand) für etwa ein Fünftel der Befragten die 
Verkehrssituation. Hier gibt es in der Altersbetrachtung nur eine 
Abweichung: Die 18- bis 29-Jährigen halten nicht Verkehrsgefahren und 
-lärm für das zweitgrößte Ärgernis, sondern ("punktgleich" mit je 13,7 
Prozent) fehlende Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.
"HERDERN-HAUS"
Mit einem "Ja, aber" beantworten die Herdermer die Frage, ob ein eigener
 Stadtteiltreff gebraucht wird. Eine solche Idee hatte der Bürgerverein 
bei der Arbeit an einem Stadtteilentwicklungskonzept unter dem Namen 
"Herdern-Haus" entwickelt. Es soll die Möglichkeit für Gruppen bieten, 
sich zu treffen, gemeinsam zu proben und auch kleinere öffentliche 
Veranstaltungen anzubieten. Für Veranstaltungen müsse man bislang auf 
schulische oder kirchliche Räume ausweichen – oder gar ins Bürgerhaus 
Zähringen im Nachbarstadtteil, so die Vereinsvorsitzende Ingrid Winkler.
 Die "Herdern-Haus"-Idee finden die Herdermer mehrheitlich gut, 
besonderen Eilbedarf sehen aber die wenigsten. Nur jeder Zehnte gibt an,
 ein solcher Treff sei "dringend nötig" und müsse notfalls neu gebaut 
werden. Knapp 54 Prozent geben hingegen an, man solle warten, bis ein 
geeignetes Gebäude frei wird. Und ein gutes Drittel sieht für das 
"Herdern-Haus" gar keinen Bedarf.
JUGENDTREFF
Sehr wohl Bedarf sieht eine große Mehrheit der Befragten dafür, die 
personelle Ausstattung des Jugendtreffs deutlich zu verbessern. Das 
"Jugendforum Herdern" (in Räumen der Weiherhofschulen) bekommt von der 
Stadt eine halbe Stelle finanziert, die sich ein Mitarbeiter und eine 
Mitarbeiterin teilen. Trotz des erheblichen Engagements vieler 
Ehrenamtlicher reicht das nur für begrenzte Öffnungszeiten – und für 
Angebote, die weit mehr Kinder als Jugendliche ansprechen. Dabei gibt es
 mit rund 2000 Kindern und Jugendlichen in Herdern (samt dem Quartier 
Neuburg) ähnlich viele wie in Haslach, Weingarten oder St. Georgen, wo 
die Jugendtreffs über ein Vielfaches an Personalstärke verfügen. Selbst 
Hochdorf mit nur halb so vielen Unter-18-Jährigen ist weitaus besser 
ausgestattet. Ziemlich genau 70 Prozent der Herdermer finden das 
unangemessen und fordern, dass die Stadt auch für Herdern noch etwas 
drauflegt. Ein knappes Viertel sagt hingegen, dass ein bürgerlicher 
Stadtteil wie Herdern sich mit einem kleinen Jugendtreff begnügen müsse 
und die Mittel zu Recht auf Stadtteile mit mehr sozialen Problemen 
konzentriert würden.
MODERNE ARCHITEKTUR
Über moderne Architektur lässt sich trefflich streiten – in Herdern ganz
 besonders. Immer wieder gibt es Konflikte, weil einzelne Bürger oder 
der Bürgerverein als Ganzes bemängeln, neue Häuser in teils 
futuristischem Erscheinungsbild passten überhaupt nicht zur gewachsenen 
Bebauung des einstigen Winzerdorfes mit mehr als 1000-jähriger 
Geschichte. Gleich mehrere Kontroversen dieser Art gab es rund um die 
Neubaupläne auf dem Areal der einstigen Kurklinik St. Urban. Immerhin 
ein knappes Drittel der Befragten ist dafür, mit strengeren Vorgaben von
 vorneherein sicherzustellen, dass Neubauten zur bestehenden Bausubstanz
 passen, knapp 20 Prozent finden die Kontraste zwischen Alt und Neu 
hingegen meistens reizvoll. Die Hälfte der Befragten plädiert ganz 
pragmatisch dafür, immer den Einzelfall zu betrachten und auf dessen 
Basis zu entscheiden. Auch in dieser Frage gibt es keine nennenswerten 
Unterschiede in der Auswertung nach Geschlecht und Alter. Generell sind 
sich die Befragten in Herdern so einig wie bislang in keinem anderen 
Stadtteil. Das spricht für die Aussagekraft der Telefonumfrage, auch 
wenn sie im statistischen Sinne wegen der Zufallsauswahl nicht als 
repräsentativ gilt.


